HNA 3.6.2006
Die
Bürger sind die Melkkühe
Leserbriefe
zum Verkauf von Teilen der Kasseler Städtischen Werke
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Was
gibt es da zu "prüfen"?
- Der Verkauf der Stadtwerke ist schlicht Mist.
Die einzig sinnvolle Alternative ist der Rückkauf
der Vattenfall-Anteile, notfalls mit Hilfe eines
Bürgerfonds
wie geschehen in der westfälischen Stadt Herten. Welche
Stadt ist denn durch den Verkauf ihrer Stadtwerke dauerhaft
ihrer Verschuldung entkommen? Keine!
Die
Strategie, sich in deutschlandweit in Stadtwerke einzukaufen, folgt
der Logik von Großkonzernen. Die hohen Gewinne, die
sie durch ihre Monopolpreise auf Strom bei uns Verbrauchern abschöpfen,
müssen wieder profitabel angelegt werden. Wir
Bürger und Bürgerinnen
sind die Melkkühe.
"Geprüft" wird
nun von Politikern, die nicht über
ihre Wahlperioden hinaus denken. Wo sind denn die
110 Mio Euro aus dem Verkauf des
ersten Viertels der Stadtwerke Kassel abgeblieben?
Die
ehemalige Finanzsenatorin Fugmann-Heesing hat seinerzeit die Hälfte
der Berliner Wasserwerke für 2 Milliarden Euro
verkauft. Die mit den "Partnern" RWE und
Konsorten vereinbarte Gewinngarantie aus der Wasserversorgung
treibt jedoch den Schuldenstand Berlins weiter in die
Höhe, so dass die dortige SPD jetzt den Rückkauf
prüft. (Fugmann-Heesing und der damalige Berliner
OB Stobbe tingeln inzwischen in Sachen Öffentlich-private "Partnerschaften" als"
Berater" für zig Millionen schweres Honorar durch die
Lande.)
Warum
denn nicht gleich das gesamte Eigentum der Stadt verkaufen, den Magistrat
abschaffen und die Rathausgeschäfte den Geschäftsführern
von EON übertragen? Anstelle des Stadtparlaments
bestimmt dann eine Aktionärsversammlung. Dann
wird alles "besser, effizienter,
billiger" - versprochen!
Veronika Baier, Kassel
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Dieses neoliberale
"Gequatsche" der Wirtschaft kann doch bald niemand mehr hören.
Wenn Bauer von "wirtschaftlichem Sachverstand" spricht, will
er die Bürger doch nur bei ihrer Ehre "packen". Denn wer möchte
schon dumm erscheinen. Auf
der einen Seite will Kassel Schulden abbauen, und auf der anderen
Seite
werden neue Schulden gemacht, um Verluste mit dem Flughafen Calden
zu produzieren. Wo bleibt da der wirtschaftliche Sachverstand?
Meine Informationen lauten, dass die Städtischen Werke noch Gewinn
machen. Weshalb dann der Verkauf? Welche Interessen stehen dahinter?
Wer verdient an der ganzen Abwicklung?
Ich
kann den Kasseler Bürgern nur empfehlen: "Wehrt euch, denn letztendlich
bezahlt jeder einzelne Bewohner Kassels die Zeche." Man hat das
ja an anderer Stelle auch schon erfahren. So sind die Wasser-
und Abwasserpreise in Berlin durch die Teilprivatisierung der
Wasserversorgung um circa 25 Prozent gestiegen. Es kann nur heißen:
Nein gegen den Ausverkauf des Volkseigentums.
Klaus
Wiegand, Espenau |
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Wenn
die Städtischen Werke verkauft werden, gehen nicht nur langfristig
Arbeitsplätze verloren - wer ist so fromm, dass er an Garantien
glaubt - sondern auch Kapital und Wertschöpfung. Die Aktienbesitzer
von Vattenfall wollen an eine hohe Rendite, die Interessen der
Region Kassel bleiben dabei auf der Strecke. Mit Strom und Gas
wird sehr viel Geld verdient. Wenn das auch in Zukunft nicht
so wäre, würde sich der Energiekonzern, der in den letzten Jahren
Riesengewinne gemacht hat, nicht die Städtischen Werke einverleiben
wollen.
Der Landrat
Dr. Schlitzberger hat ein paar Seiten weiter in der gleichen
Ausgabe der HNA die Auffassung vertreten, in Kassel sollte ein
Projekt angeschoben werden, Bioabfall energetisch zu verwerten.
Diese Idee sollte umgesetzt werden. Es ist im Interesse der Kasseler
Bürger, wenn Strom durch eigene Kraftwerke regional produziert
wird. Dann würden Kapital, Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Kaufkraft
in der Region bleiben. Die Kasseler Bürger hätten auch nichts
gegen eine Quersubvention, um die Schuldenlast der Stadt zu verringern.
Reimar
Fricke,
Kassel
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Natürlich
ist Denken im Zusammenhang mit den Städtischen Werken erlaubt.
Jedoch die Schlussfolgerung, dass der Verkauf legitim ist, wenn
mit dem Gewinn die Schulden getilgt werden können, ist ein "Kurzschluss".
Einerseits würde nur die Hälfte oder ein gutes Viertel getilgt,
je nach Zahlenbasis. Andererseits fehlen der Stadt Kassel kontinuierlich
sprudelnde Einnahmen, und die Ausgaben müssten auf Dauer reduziert
werden können. Ansonsten ist die Schuldentilgung nur ein Strohfeuer,
was rasch verpufft. (...)
Auch die Einnahmenseite
scheint sich in Zukunft nicht positiv zu entwickeln. Angesichts
der ständig steigenden Belastungen für Arbeitnehmer und dem dadurch
verhinderten Wirtschaftsaufschwung auf Grund fehlender Binnennachfrage
ist da kein Land in Sicht. Nach dem Verkauf hätte sich die Situation
in Kassel also nicht wesentlich verändert, und es würden wieder
Schulden gemacht, da die Schere "zu geringe Einnahmen und zu
hohe Ausgaben" weiter auseinander klaffen würde. Nur jetzt wäre
das Tafelsibler Städtische Werke verkauft mit allen nachteiligen
Folgen, die man in Großbritannien in solchen Fällen in der Vergangenheit
verfolgen konnte.
Auch bei uns
sind diese Folgen auf Grund des sonstigen Verhaltens der Großunternehmen,
wie auch Vattenfall, so gut wie sicher. D.h. Vattenfall würde,
um seinen Ertrag zu steigern, Arbeitsplätze abbauen und die Leistung
bei gleichzeitigem Anheben der Preise reduzieren.
Gerhard
Kähler,
Kassel
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