"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

Brief an die nordhessischen Städte
und Gemeinden

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Attac-Regionalgruppe · AK Wasser/Lokale Agenda 21 · BUND - Kassel


An die Bürgermeisterin /den Bürgermeister, den Gemeindevorstand und die Parlamentarier/-innen

anläßlich der Diskussionen um die Privatisierung von Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung

Kassel, den 30.November, 2003

Sehr geehrte Damen und Herren,

möglicherweise wird auch bei Ihnen bereits - wie vor einiger Zeit in Fuldatal, kürzlich in Volkmarsen und in Kassel (WasserUnion GmbH von EAM und Städt.Werken) - die Diskussion um die Veräußerung von Gemeindeeigentum am Wasser geführt. Bevor Sie sich darauf einlassen, möchten wir Sie bitten, Folgendes zu beachten:

Es gibt und wird auch in Zukunft keine Verpflichtung für Kommunen bzw. Kommunalverbände geben, die Wasserversorgung oder die Abwasserentsorgung dem Wettbewerb auszusetzen.

Nach vorherrschender Meinung kann der kommunale Wasserbereich als in der Regel nicht-gewinnorientiert geführte Unternehmung keineswegs dem Wettbewerbsrecht unterworfen werden. Sowohl auf nationaler wie auf europäischer Ebene überwiegen deshalb inzwischen auch die Skeptiker bzw. Gegner einer so genannten Liberalisierung bzw. Kommerzialisierung des Wassersektors. Auch die neue verbindliche EU-Wasserrahmenrichtlinie trifft ausdrücklich die Wertentscheidung, dass Wasser keine Handelsware und damit kein Dienstleistungsgut im üblichen Sinne ist. Der Deutsche Bundesrat hat sich im Juli 2003 ausdrücklich gegen die Liberalisierung des Wassersektors ausgesprochen.

Die häufig geäußerte Meinung, gestiegene gesetzliche Anforderungen an Management und Wassergüte machten die Übertragung der Wasserversorgung und Wasserentsorgung an angeblich effizienter agierende Privatunternehmen unausweichlich, ist irrig.

Die Erfahrung lehrt, dass gut geführte öffentliche Betriebe in der Regel den Privaten weit überlegen sind und u.a. durch die Gewährung günstiger öffentlicher Kredite die Wasserkosten auch preiswerter gestalten können. Deshalb hat sich z.B. Potsdam auch wieder von Wasserkonzernen getrennt.

Bei sehr kleinen Wasserbetrieben kann es sich anbieten, durch Kooperation mit anderen kommunalen Betrieben - z.B. den Einkauf, die Mess- und Regeltechnik sowie die Schulung von qualifiziertem Personal - die Aufsicht und Wartung zu optimieren.

Auch ein Teilverkauf des Wasserbereichs, neudeutsch als Public-Private-Partnership hochgepriesen, löst nicht die strukturellen Probleme eines Gemeindehaushaltes, höhlt aber langfristig die kommunale Kompetenz und Selbstbestimmung in diesem Bereich aus.

Die Hereinnahme eines vor allem an Gewinnen interessierten Partners ist nach aller Erfahrung Gift für eine langfristige, auf Nachhaltigkeit ausgerichtet Planung. Lassen Sie sich nicht täuschen: wer immer sich einkauft, will seinen Einsatz mit Zins- und Zinseszins zurückhaben und darüber hinaus eine anständige Rendite für die Shareholder erzielen. Sehr häufig werden daher wichtige Erhaltungs- und Erneuerungsinvestitionen zu Gunsten kurzfristiger Gewinnerhöhungen vernachlässigt. Die Übertragung des operativen Geschäfts, an der die jeweiligen Konzerne besonderes Interesse haben, entzieht auf Dauer der Gemeinde oder dem Verband wertvolles Know-How, lässt jedoch die Verantwortlichkeit bei Havarien voll bei der Kommune, bzw. den Bürgermeistern.

Der häufig zu hörende Grund, hohe Erneuerungsinvestitionen machten einen Verkauf unumgänglich, ist nicht stichhaltig.

Wenn die Bürger durch Beiträge nicht mehr belastet werden können, dann bietet sich ein Fonds-Modell an, wie es in der Stadt Herten mit überwältigendem Erfolg praktiziert wurde. Dort wurden rentierliche Anteile an den Stadtwerken den Mitarbeiter/-innen und Kund/-innen angeboten. Die Nachfrage war so groß, dass die Ausgabe der Anteile verdoppelt werden konnte.

Wir appellieren eindringlich an Sie als verantwortliche Politikerinnen und Politiker:

  • Geben Sie die Wasserversorgung und die Abwasserentsorgung als elementare Bestandteile der kommunalen Daseinsvorsorge nicht aus der Hand!
  • Denken Sie daran, dass die Wasserinfrastruktur von allen Bürgerinnen und Bürgern im Laufe der Jahre finanziert wurde und deren Eigentum ist.
    Entscheiden Sie nichts ohne Bürgerbefragung und Konsultation.
  • Bedenken Sie, dass im Bewusstsein der Bürger die Wasserversorgung einen hohen Stellenwert hat und jeder Griff nach diesem hohen Gut rasch Bürgerproteste mobilisiert.

Wir bitten Sie, die Beigeordneten bzw. den Magistrat, den Gemeindevorstand sowie die Fraktionsvorsitzenden von diesem Schreiben in Kenntnis zu setzen.

Mit freundlichen Grüßen

Attac-Regionalgruppe Kassel
AK Wasser/Lokale Agenda 21
BUND-Kassel


Internet-Adressen zur weiteren Information:
www.privatisierungswahn.de/ www.unser-wasser.de/
www.akwasser.de
www.blauer-pensionsfonds.de
www.attac-netzwerk/kassel/wasserunion.php
www.attac.de/gats/wasser/index.php