"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

HNA, 26.2.2003

Wasser als Geschäftsidee
Städtische Werke und EAM wollen künftig
Versorgungs-Dienstleistung anbieten

von Jörg Steinbach

 

Wie das Kind heißen soll, ist noch nicht entschieden. Bisher gab es nur einen Arbeitstiitel "Wasserunion". Die Kasseler Städtische Werke Aktiengesellschaft und die Energie-Aktiengesellschaft Mitteldeutschland (EAM) wollen eine gemeinsame, neue Gesellschaft gründen. Es geht dabei um die Versorgung mit einem der wichtigsten Lebensmittel: Trinkwasser. Und auch die Entsorgung von Abwasser.

Die Stadtwerke und der regionale Energieversorger wollen ihren jeweiligen Fach- und Sachverstand vereinigen, um den Städten und Gemeinden in der Region künftig attraktive und wettbewerbsfähige Angebote für die Wasseerversorgung und Abwasserversorgung unterbreiten zu können.

Die meisten Kommunen stehen vor gewaltigen Aufgaben. Investitionen in Wasserleitungen und Abwasserkanäle wurden über viele Jahre immer wieder aufgeschoben. Vielerorts ist die Technik der Wassergewinnung und -behandlung völlig veraltet, nicht selten fehlt qualifiziertes Personal. Und vor allem fehlt den Städten und Gemeinden das Geld für die dringend nötigen Investitionen.

Dazu kommt, dass die strenge Trinkwasserverordnung gerade kleinen Gemeinden den Umgang mit dem kostbaren Nass nicht gerade einfacher macht. Die Qualitätsstandards zu garantieren, wird immer teurer und zudem risikoreicher für die Veranstwortliche - haftbar ist letztlich stets der Bürgermeister, wenn beim Trinkwasser etwas schief geht.

Auf europäischer Ebene ist absehbar, dass auch der Wassermarkt liberalisiert wird. Dazu gehört, dass die Kommunen, die bisher hoheitlichen Aufgaben künftig auch auf private Anbieter übertragen dürfen. Für diesen Markt wollen sich die beiden lokalen Unternehmen früheitig als Partner der Städte und Gemeinden profilieren.

Denn auch in Deutschland steht nach den Vorstellungen der Wirtschaftsministerien die Modernisierung der Wasserwirtschaft an. Derzeit gibt es hier zu Lande rund 6700 Wasserversorgungs- Unternehmen und etwa 7000 Abwasserentsorgungs- Unternehmen.
Diese Kleinteiligkeit soll in absehbarer Zukunft aufgehobben werden. In England und Wales wurde der Weg bereits beschritten. Aus einst 3500 Unternehmen sind heute zehn große Ver- und Entsorger und 17 kleinere Versorger geworden.

Die Städtischen Werke sind als Wasserlieferant qualifiziert, werden aber im Unland mit Skepsis beobachtet. "Uns traut man das fachlich zu, aber wir sind ungeliebt", sagt Werke-Vorstandschef Andreas Helbig. Die EAM, die bisher nichts mit Trinkwasser zu tun hat, verfügt über gute Kontakte in der Region und hat mit vielen zufriedenen Kunden die Basis für Vertrieb und Kundenwerbund auch in neuen Geschäftsfeldern.

Den Kommunen, die vor gewaltigen Investitionen stehen, "können wir eine gute Hilfestellung leisten", sagt Wolf Hatje, EAM-Vorstandsmitglied. Denn ein Wirtschaftsunternehmen habe andere Finanzierungs- und Abschreibungsmöglichkeiten und die Geschäftsidee einer "Wasserunion" deshalb gute Aussichten auf Erfolg. "Ich glaube", sagte Hatje zum Projekt, "dass das fliegen wird".

Die Verträge sind bereits in trockenen Tüchern. Jetzt soll das Vorhaben auf den Weg gebracht werden - die notwendigen Entscheidungen haben in den nächsten Wochen die Aufsichtsräte zu treffen.

 

Hintergrund

Aufgaben werden geteilt
 

Beim Trinkwasser geht es im EAM-Gebiet mit rund 50 potenziellen Gemeinde-Kunden um ein ansehnliches Maarktvolumen von etwa 20 Millionen Kubikmeter Frischwasser jährlich. In der künftigen Gesellschaft werden die Aufgaben geteilt: Die Kasseler Stadtwerke  snd für den technischen Bereich, die EAM für Vertrieb, Kundengewinnung und den kaufmännischen Bereich zuständig. Es geht bei der Geschäftsidee nicht darum, kleine Wasserwerke aufzukaufen, die auch im Eigentum der Kommune bleiben können. Die künftige Gesellschaft wird als Dienstleister auch die reine Betriebsführung oder das Mieten der Einrichtungen anbieten. (ACH)

 

Kommentar

Wasserunion marsch
Jörg Steinbach über neue Wege der Versorgung

 

Das neue Geschäftsfeld , das sich Städtische Werke und EAM gemeinsam erschließen wollen, dient nicht allein dem Umsatz und der wirtschaftlichen Sicherung der beiden regionalen Versorgungsunternehmen. Dass der Münchner Eon-Konzern, der seit dem vergangenen Jahr Mehrheitseigner der EAM ist, auf Betreiben der Kartellwächter sein Unternehmen Gelsenwassen abgeben muss, hat offenbar den Weg endgültig frei gemacht für eine Kooperation, die der gesamten Region dient.

Wenn Städte und Gemeinden das Angebot annehmen, bleiben das Wisssen um die praktische Verwirklichung einer verlässlichen Trinkwasserversorgung, bleiben Arbeitsplätze und viele Millionen für Investitionen in Nordhessen. Da lohnt es sich, die wegweisende Kooperation nicht gleich wieder politisch zu zerreden. Alte Ängste können beiseite gelegt werden. Eine Wasserunion nützt allen. Und dient der Versorgungssicherheit. Ein so kostbares Gut darf nicht leichtfertig aus der Hand gegeben werden.