Weltweit
werden Krieg um das Wasser prophezeit - in Nordhessen wird darüber
gestritten, wer das kostbare Nass vor Ort verwaltet. Die Kasseler
Stadtwerke befürchten, dass ihnen bei der weltweiten Liberalisierung
die Felle davonschwimmen. Sie wollen sich mit der Energie-Aktiengesellschaft
Mitteldeutschland zusammentum, um auf dem Markt zu stehen. Kritiker
in der Region rügen, dass Wasser so zum Wirtschaftsgut und
damit dem öffentlichen Einfluss entzogen werde.
Kassel. In
der umstrittenen "Wasserunion" wollen die Kasseler Städtischen
Werke künftig gemeinsam mit der Energie-Aktiengesellschaft
Mitteldeutschland (EAM) den Markt in Nordhessen beackern. Im Zuge
der weltweiten Liberalisierung sieht sich das Kasseler komunale
Unternehmen künftig dem Konkurrenzkampf ausgeliegert. Deshalb
versuchen die Stadtwerke nach Angaben ihres Vorstandsvorsitzenden
Andreas Helbig schon seit zwei Jahren, mit den umliegenden Kommunen
ins Geschäft zu kommen, um dort ihre Dienste anzubieten.
Die Wasserversorgung
Nordhessen ist, wie in anderen Regionen bundesweit, dezentral strukturiert.
Viele Gemeinden und Städt organisieren das Geschäft in
eigener Regie, teilweise gibt es kleine Kooperationen.
Die Anbandelungsversuche
der städtischen Werke blieben bisher freilich ohne Erfolg.
Helbig führt dies darauf zurück, dass es sich die Kommunen
nicht mit der EAM verscherzen wollen. Der heute privatwirtschaftlich
organisierte regionale Energieversorger war noch bis vor kurzem
zum größten Teil in der Hand von zwölf Landkreisen
und pflegt daher traditionell gute Beziehungen zu den Kommunen.
Die Kasseler
Stadtwerke sind ebenfalls im Energiegeschäft tätig. Es
gibt freilich Meinungen, wonach sich die Stadtwerke gegenüber
den Umlandkommunen "zu überheblich" verhalten hätten.
Die EAM, die
inzwischen zu 73 Prozent dem Energieriesen Eon gehört, ist
in einigen Teilen der Region bereits seit 1993 im Trinkwassergeschäft:
So in sechs Kommunen der Kreise Werra-Meißner und Hersfeld-Rotenburg.
Eon ist zudem auch in Südhessen an mehreren Versorgern beteiligt,
etwa den Stadtwerken Wiesbaden (mit fast 50 Prozent). Auf dem Weg
über andere Beteiligungen hat das Unternehmen auch bei "Hessenwasser",
Versorger im Rhein-Main-Gebiet, die Hände im Spiel. Die EAM
selbst hat vor kurzem in einer "Bietergemeinschaft" mit dem Gelsenkirchener
Unternehmen "Gelsenwasser", das sich als Deutschlands größtes
privates Trinkwasserversorgungsunternehmen bezeichnet, einen Vertrag
für die Betriebsführung in Bad Karlshafen abgeschlossen.
Die EAM wäre
durchaus in der Lage gewesen, ihr Trink- und Abwassergeschäft
allein auszubauen. So wäre sie zu einem Konkurrenten der Kasseler
Stadtwerke geworden. Die wollten es jedoch nicht zu weit kommen
lassen und "besiegen" nun den potenziellen Feind, indem sie ihn
zum Freund machen. Neben der Errichtung neuer Anlagen, der Übernahme
von kompletten Betriebsführungen und dem Erbringen von Dienstleistungen
peilt die Wasserunion "Erwerb, Pacht und Leasing von Anlagen" an,
heißt es in einer Beschlussvorlage, die der Kasseler Magistrat
vor kurzem abgesegnet hat.
Wasser ist
Grundnahrungsmittel und Gemeingut - dennoch wird die Wasserunion
in der Öffentlichkeit kaum diskutiert. Eine Ausnahme machte
nur eine Podiumsdiskussion des Evangelischen Forums diese Woche.
"Für jeden Springbrunnen werden Informationsveranstaltungen
gemacht, bei solch einem wichtigen Thema läuft überhaupt
nichts", kritisiert Veronika Baier von der Kasseler Attac-Gruppe
die Ruhe.
Nicht nur
bei den Globalisierungskritikern gibt es erhebliche Bedenken zu
dem geplanten Zusammenschluss, weil damit "Wasser zur Ware" werde.
Aus der Sicht von Helga Weber, umweltpolitische Sprecherin der Kasseler
Grünen, werde die Wasserunion als GmbH "ein Eigenleben führen,
das politisch nicht mehr kontrollierbar ist". Und der umweltpolitische
Sprecher der SPD-Fraktion, Harry Völler, fordert: "Wasser ist
eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge und muss deshalb
in kommunaler Hand bleiben." CDU und FDP dagegen haben mit dem Konstrukt
kein Problem.
In dieser
Woche sollte der Kasseler Haupt- und Finanzausschuss über das
Thema beraten und eine Empfehlung an die Stadtverordnetenversamlung
beschließen. SPD und Grüne meldeten jedoch Informationsbedarf
an, so dass es keine Empfehlung gab und der Ausschuss am Montag
vor der dann anberaumten Stadtverordnetenversammlung erneut zusammenkommt.
Doch Sozialdemokraten und Grüne werden wieder darauf dringen,
die Entscheidung zu verschieben. Sie wollen erst ein Gutachten abwarten,
das mögliche Synergieeffekte zwischen den Kasseler Stadtreinigern
und den Entwässerungsbetrieben mit den Städtischen Werken
untersuchen soll.
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