"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

Frankfurter Rundschau, 12.7.2003

Kritiker warnen vor Wasser als Ware
Kasseler Stadtwerke wollen in Union mit Privatfirma ihre Position sichern
Kaum Debatte um Ausverkauf von Gemeingut

von Rudolf Pasch

 

Weltweit werden Krieg um das Wasser prophezeit - in Nordhessen wird darüber gestritten, wer das kostbare Nass vor Ort verwaltet. Die Kasseler Stadtwerke befürchten, dass ihnen bei der weltweiten Liberalisierung die Felle davonschwimmen. Sie wollen sich mit der Energie-Aktiengesellschaft Mitteldeutschland zusammentum, um auf dem Markt zu stehen. Kritiker in der Region rügen, dass Wasser so zum Wirtschaftsgut und damit dem öffentlichen Einfluss entzogen werde.

Kassel. In der umstrittenen "Wasserunion" wollen die Kasseler Städtischen Werke künftig gemeinsam mit der Energie-Aktiengesellschaft Mitteldeutschland (EAM) den Markt in Nordhessen beackern. Im Zuge der weltweiten Liberalisierung sieht sich das Kasseler komunale Unternehmen künftig dem Konkurrenzkampf ausgeliegert. Deshalb versuchen die Stadtwerke nach Angaben ihres Vorstandsvorsitzenden Andreas Helbig schon seit zwei Jahren, mit den umliegenden Kommunen ins Geschäft zu kommen, um dort ihre Dienste anzubieten.

Die Wasserversorgung Nordhessen ist, wie in anderen Regionen bundesweit, dezentral strukturiert. Viele Gemeinden und Städt organisieren das Geschäft in eigener Regie, teilweise gibt es kleine Kooperationen.

Die Anbandelungsversuche der städtischen Werke blieben bisher freilich ohne Erfolg. Helbig führt dies darauf zurück, dass es sich die Kommunen nicht mit der EAM verscherzen wollen. Der heute privatwirtschaftlich organisierte regionale Energieversorger war noch bis vor kurzem zum größten Teil in der Hand von zwölf Landkreisen und pflegt daher traditionell gute Beziehungen zu den Kommunen.

Die Kasseler Stadtwerke sind ebenfalls im Energiegeschäft tätig. Es gibt freilich Meinungen, wonach sich die Stadtwerke gegenüber den Umlandkommunen "zu überheblich" verhalten hätten.

Die EAM, die inzwischen zu 73 Prozent dem Energieriesen Eon gehört, ist in einigen Teilen der Region bereits seit 1993 im Trinkwassergeschäft: So in sechs Kommunen der Kreise Werra-Meißner und Hersfeld-Rotenburg. Eon ist zudem auch in Südhessen an mehreren Versorgern beteiligt, etwa den Stadtwerken Wiesbaden (mit fast 50 Prozent). Auf dem Weg über andere Beteiligungen hat das Unternehmen auch bei "Hessenwasser", Versorger im Rhein-Main-Gebiet, die Hände im Spiel. Die EAM selbst hat vor kurzem in einer "Bietergemeinschaft" mit dem Gelsenkirchener Unternehmen "Gelsenwasser", das sich als Deutschlands größtes privates Trinkwasserversorgungsunternehmen bezeichnet, einen Vertrag für die Betriebsführung in Bad Karlshafen abgeschlossen.

Die EAM wäre durchaus in der Lage gewesen, ihr Trink- und Abwassergeschäft allein auszubauen. So wäre sie zu einem Konkurrenten der Kasseler Stadtwerke geworden. Die wollten es jedoch nicht zu weit kommen lassen und "besiegen" nun den potenziellen Feind, indem sie ihn zum Freund machen. Neben der Errichtung neuer Anlagen, der Übernahme von kompletten Betriebsführungen und dem Erbringen von Dienstleistungen peilt die Wasserunion "Erwerb, Pacht und Leasing von Anlagen" an, heißt es in einer Beschlussvorlage, die der Kasseler Magistrat vor kurzem abgesegnet hat.

Wasser ist Grundnahrungsmittel und Gemeingut - dennoch wird die Wasserunion in der Öffentlichkeit kaum diskutiert. Eine Ausnahme machte nur eine Podiumsdiskussion des Evangelischen Forums diese Woche. "Für jeden Springbrunnen werden Informationsveranstaltungen gemacht, bei solch einem wichtigen Thema läuft überhaupt nichts", kritisiert Veronika Baier von der Kasseler Attac-Gruppe die Ruhe.

Nicht nur bei den Globalisierungskritikern gibt es erhebliche Bedenken zu dem geplanten Zusammenschluss, weil damit "Wasser zur Ware" werde. Aus der Sicht von Helga Weber, umweltpolitische Sprecherin der Kasseler Grünen, werde die Wasserunion als GmbH "ein Eigenleben führen, das politisch nicht mehr kontrollierbar ist". Und der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Harry Völler, fordert: "Wasser ist eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge und muss deshalb in kommunaler Hand bleiben." CDU und FDP dagegen haben mit dem Konstrukt kein Problem.

In dieser Woche sollte der Kasseler Haupt- und Finanzausschuss über das Thema beraten und eine Empfehlung an die Stadtverordnetenversamlung beschließen. SPD und Grüne meldeten jedoch Informationsbedarf an, so dass es keine Empfehlung gab und der Ausschuss am Montag vor der dann anberaumten Stadtverordnetenversammlung erneut zusammenkommt. Doch Sozialdemokraten und Grüne werden wieder darauf dringen, die Entscheidung zu verschieben. Sie wollen erst ein Gutachten abwarten, das mögliche Synergieeffekte zwischen den Kasseler Stadtreinigern und den Entwässerungsbetrieben mit den Städtischen Werken untersuchen soll.