An die Europäische
Kommission
Konsultation „Grünbuch zu öffentlich-privaten
Partnerschaften“
C 100 2/005
B-1049
Brüssel
Kassel, den 30.Juli, 2004
Betrifft:
Stellungnahme und Anregungen zum
Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und
den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche
Aufträge und Konzessionen (Grünbuch PPP) vom 30.4.2004
und zum Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
vom Mai 2004.
Sehr geehrte Damen und Herren,
unsere Bürgerinitiative beschäftigt sich intensiv mit
den Fragen der (Teil-)Privatisierung der Wasserversorgung vor Ort
und hat mit großer Sorge die Ausführungen in dem vorliegenden
Grünbuch und Weißbuch zur Kenntnis genommen.
Im Folgenden unsere Stellungnahme.
-
Das
Europäische Parlament hat ausdrücklich bekräftigt,
dass Wasser keine übliche Handelsware ist.
Dies entspricht nach unseren Erfahrungen anlässlich der Unterschriftensammlung
für ein Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Trinkwasser und
Abwasser der Ansicht der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung
in unserer Stadt. Die überwiegende Mehrheit von Bürgerinnen und Bürgern
hält die Versorgung mit Trinkwasser und die Entsorgung von Abwasser für
einen elementaren Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge, der auf keinen
Fall dem Gewinnstreben privater Unternehmen unterworfen werden darf.
- Die Trinkwasserversorgung
und die Abwasserversorgung in unserer Stadt ist qualitativ
gut, sicher und preisgünstig. Es besteht überhaupt kein
sachlicher Grund zu vermuten, dass private Unternehmen dies besser machen könnten.
- Neue Vorgaben
im Ausschreibungsrecht würden im konkreten Fall unserer
Stadt nur große Konzerne begünstigen und diesen ein absolutes Monopol
sichern, dem der Normalbürger nicht entkommen kann, da – anders
als beim Strom – die Wassernetze ortsgebunden sind.
Bisher haben die Bürgerinnen und Bürger über ihre gewählten
Vertreter noch Einfluss auf die Qualität und die Preisgestaltung von Trinkwasser
und Abwasser sowie auf den schonenden Umgang mit unseren Wasserressourcen.
Privatunternehmen dagegen sind nicht demokratisch legitimiert und Bürgerinnen
und Bürgern gegenüber nicht rechenschaftspflichtig.
- Angesicht
der Gewinnziele von Konzernen von 12 bis 15 Prozent Kapitalrendite
pro Jahr ist zu befürchten, dass derartige Erlöse nur mit massiven
Gebührenerhöhungen und/oder der Vernachlässigung unserer bislang
guten Leitungsnetze, d.h. mit mittelfristiger Verschlechterung der Wasserqualität
zu erzielen sind.
Beispiele dafür gibt es genug:
- Rückkauf der Stadtwerke in Potsdam nach erheblichen Preiserhöhungen
durch EURAWASSER
- 15-prozentige Preiserhöhungen in Berlin, Halbierung der Investitionen
- Klammheimliche Preiserhöhung in Paderborn (EON-Tochter)
- Rückkauf-Bestrebungen nach dem Verkauf der Wasserwerke in Stuttgart
- Bislang
ist in Deutschland das Recht auf kommunale Selbstverwaltung
garantiert. Eine Zwangsausschreibung von Dienstleistungen der kommunalen
Daseinsvorsorge
bzw. Gebietskonzessionen im Bereich der Wasserver- und –entsorgung würde
bei der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger die sowieso schon vorhandene
Befürchtung verstärken, dass die Europäische Union einseitig
große Konzerne begünstigt und bewährte kommunale Institutionen,
mit denen sich Bürgerinnen und Bürger identifizieren und auf die
sie Einfluss nehmen können, zerschlägt. – Eine derartige Zwangsausschreibung
würde auf erheblichen Widerstand der Bürgerinnen und Bürger
stoßen.
Wir bedanken
uns für
die Gelegenheit zur Stellungnahme und sind Ihnen dankbar, wenn
Sie unsere Bedenken in die Gesamtbewertung
aufnehmen.
Mit freundlichen
Grüßen
Veronika Baier
Bürgerinitiative "Unser Wasser gehört
uns!"
c/o GEW
Friedrich-Engels-Str. 26
D-34117 Kassel