Kassel.
Seit Jahren verfolgt Andreas Helbig, Vorstandschef der Kasseler
Verkehrs- und Versorgungs-GmbH (KVV), ein ehrgeiziges Ziel: Unter
dem Dach der städtischen Holding will er ein großes regionales
Entsorgungsunternehmen aufbauen und die KVV als Komplettanbieter
in den Bereichen Wasser und Abwasser etablieren.
Zwar verfügt
Helbig mit den Städtischen Werken über die Kompetenz in
Sachen Wasser, für die Bildung des von Oberbürgermeister
Georg Lewandoski (CDU) favorisierten Konzerns Stadt fehlen ihm allerdings
die beiden anderen Bereiche. Sowohl die Stadtreiniger als auch der
Kasseler Entwässerungsbetrieb (KEB) sind als städtische
Eigenbetriebe organisiert.
Ist eine Eingliederung
der beiden Eigenbetriebe in die KVV wirtschaftlich sinnvoll? Diese
Frage soll ein Gutachten klären, das der Magistrat im September
auf Betreiben der Christdemokraten in Auftrag gibt. Vor allem eine
Frage bereitet den Verfechtern der Konzern-Lösung Kopfzerbrechen.
Wie kann verhindert werden, dass durch den Zusammenschluss die Müllgebühren
steigen? Ein Wechsel von Stadtreinigern und Entwässerungsbetrieb
unter das Dach der KVV würde nämlich deren Umwandlung
in Gesellschaften mit beschränkter Haftung notwendig machen.
Die aber sind umsatzsteuerpflichtig.
Und diese Mehrbelastung,
so seinerzeit die Befürchtung von Stadtkämmerer Dr.Jürgen
Barthel (SPD), würde an die Kunden weitergegeben. Im Klartext:
Die ohnehin hohen Müllgebühren in Kassel würden weiter
steigen.
Um dies zu
verhindern und die Konzernlösung zu ermöglichen, schlagen
die mit dem Gutachten beauftragten Beratungsgesellschaften Luther-Menold
und Ernst&Young eine ungewöhnliche rechtliche Konstruktion
vor.
Um die Umsatzsteuerpflicht
zu umgehen, sollen Stadtreiniger und KEB als Eigenbetriebe samt
Vermögen, Schulden und Personal bestehen bleiben. Gleichzeitig
wird eine KEB/Stadtreiniger GmbH gegründet.
Als 100-prozentige
Tochter der KVV soll sie praktisch nur aus den beiden Geschäftsführern
bestehen und für die Betriebsführung der Eigenbetriebe
sowie Baumaßnahmen und die Finanzierung von Investitionen
zuständig sein.
Die Aufgaben
und Leistungen werden in einem Managementvertrag zwischen der GmbH
und den Eigenbetrieben definiert.
In der Kämmerei
scheint man von diesem Modell ebenso wenig überzeugt zu sein
wie von den errechneten Einspar- und Synergieeffekten. Nach Informationen
der HNA prüft Barthel zurzeit Zahl für Zahl. Das Misstrauen
ist groß. Harry Völler, umwelt- und engergiepolitischer
Sprecher der SPD-Fraktion, sagt es deutlicher:
In seinen Augen
ist die rund 50 000 Euro teure Expertise unseriös. "Ich
halte die Aussagen der Vorlage für einseitig und nicht nachvollziehbar."
Die Gutachterin habe schlampig gearbeitet. Völler
spricht von "vollkommen unrealistischen Berechnungen".
Das Modell entziehe den Kasseler Stadtverordneten die Kontrollmöglichkeit.
Und er geht
noch weiter: Die Anwältin, die für das Gutachten verantwortlich
zeichnet, trete als Referentin des Bundesverbandes der Gas- und
Wasserwirtschaft auf. Der
Vorsitzende dieses Bundesverbandes heißt Helbig. Stadtverordneter
Völler sagt dazu: "Ich sehe hier Abhängigkeitsverhältnisse,
die mich an der Objektivität der Gutachten zweifeln lassen."
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