Sie
haben das Bürgerbegehren »Unser Wasser gehört
uns!« gestartet.
Gegen welche Vorhaben richtet sich das?
Erstens
wollen wir den Verkauf weiterer Anteile der Städtischen
Werke an Großkonzerne – 24,1 Prozent der Anteile
sind bereits im Besitz des Energiekonzerns Vattenfall – verhindern.
Zweitens wollen wir einer Privatisierung der jetzigen Eigenbetriebe,
wie dem Kasseler Entwässerungsbetrieb (KEB), einen Riegel
vorschieben. Und drittens haben wir uns – inzwischen erfolgreich – gegen
die Gründung eines gemeinschaftlichen Unternehmens von einer
E.on-Tochter und den Städtischen Werken gewandt, das in
der Region beim Wasser- und Abwassermarkt abzocken sollte.
Warum
lehnen Sie die Privatisierung ab?
Wer
Geld für den Kauf eines Unternehmens hinlegt, der will damit
Profit machen. Das kann man beim Wasser und Abwasser auf drei
Arten: die Preise erhöhen, bei den Beschäftigten rationalisieren
und die Leitungspflege vernachlässigen. Letzteres ist der
ganz große Brocken, denn bei diesen Betrieben liegt der
Schatz unter der Erde, und ob man das Leitungsnetz flickt oder
pflegt, ist ein enorm großer Unterschied. Beispiel Berlin:
Dort sind die Investitionen laut Betriebsrat von 400 Millionen
Euro nach der Privatisierung auf einen Schlag halbiert worden.
Die zukünftige Versorgungssicherheit wird dadurch bewußt
aufs Spiel gesetzt.
Sind die
Beschäftigten der betroffenen Werke und ihre Gewerkschaften
in die Kampagne einbezogen?
Wir
haben von Beginn an versucht, die Betriebsräte der Städtischen
Werke dafür zu gewinnen. Das Verhängnisvolle ist jedoch,
daß es seit 1996 einen Beschäftigungssicherungsvertrag
gibt, der den Erhalt der Arbeitsplätze unter der Bedingung
garantiert, daß 15 Millionen Euro im Jahr an die Stadt
Kassel abgeführt werden und darüber die Verluste des öffentlichen
Nahverkehrs ausgeglichen werden können. Unter dem Druck
der Konkurrenz durch die öffentliche Ausschreibung bedeutet
das, die Arbeitsplätze bei den Stadtwerken bleiben nur erhalten,
wenn neue Geschäftsfelder erschlossen werden. Da der Wassermarkt
nicht größer wird, kann das nur durch eine Ausdehnung
ins Umland geschehen – auf Kosten der dortigen Gebührenzahler
und der Beschäftigten der Wasser- und Klärwerke im
Umland.
Und das
geschieht mit Unterstützung der Beschäftigtenvertreter
bei den Kasseler Stadtwerken?
Ich
habe Verständnis dafür, daß das für die
Betriebsräte eine schwierige Situation ist. Andererseits
ist die Vorstellung, man könne sich als kleinerer Regionalmonopolist
aufstellen und dadurch auf Dauer etwas gegen die großen
Energiekonzerne ausrichten, Traumtänzerei. Wir meinen, der
Betriebsrat kann nur gewinnen, wenn er sagt: Wir stellen etwas
Lebenswichtiges für die Menschen in der Stadt her, und wenn
diese die Möglichkeiten demokratischer Einflußnahme
nicht verlieren wollen, dann müssen sie gemeinsam mit den
Beschäftigten dafür kämpfen, daß die Betriebe
in öffentlichem Besitz bleiben.
Beim Volksentscheid
zum Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) in Hamburg hatte
sich die Mehrheit gegen deren Privatisierung ausgesprochen.
Dennoch ist der Verkauf kürzlich beschlossen worden. Spricht
diese Erfahrung nicht gegen das Mittel des Volks- oder Bürgerbegehrens?
Keineswegs.
Schon allein der Start eines solchen Bürgerbegehrens trägt
zur Politisierung der Öffentlichkeit bei. Es wird das Bewußtsein
geschaffen: »Hier werden wir enteignet.« Und ein
solches Bewußtsein zu schaffen und die Möglichkeit
zu geben, dies auszudrücken, ist vielleicht mehr wert als
ein gewonnener Bürgerentscheid selbst. Zumal der Erfolg,
wenn man es gewonnen hat, nicht unbedingt dauerhaft ist, sondern
gegebenenfalls neu erkämpft werden muß. So halten
zum Beispiel in Bayern Bürgerentscheide rechtlich nur ein
Jahr, in Hessen drei Jahre.
Interview:
Daniel Behruzi
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