"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

Junge Welt 4.10.2004

Interview

» Bürgerbegehren ist Beitrag zur Politisierung«

Kasseler Initiative sammelt Unterschriften gegen Privatisierung der Wasserversorgung. jW fragte Veronika Baier, ist Sprecherin der Kasseler Bürgerinitiative »Unser Wasser gehört uns!«

 

 

Sie haben das Bürgerbegehren »Unser Wasser gehört uns!« gestartet. Gegen welche Vorhaben richtet sich das?

Erstens wollen wir den Verkauf weiterer Anteile der Städtischen Werke an Großkonzerne – 24,1 Prozent der Anteile sind bereits im Besitz des Energiekonzerns Vattenfall – verhindern. Zweitens wollen wir einer Privatisierung der jetzigen Eigenbetriebe, wie dem Kasseler Entwässerungsbetrieb (KEB), einen Riegel vorschieben. Und drittens haben wir uns – inzwischen erfolgreich – gegen die Gründung eines gemeinschaftlichen Unternehmens von einer E.on-Tochter und den Städtischen Werken gewandt, das in der Region beim Wasser- und Abwassermarkt abzocken sollte.

Warum lehnen Sie die Privatisierung ab?

Wer Geld für den Kauf eines Unternehmens hinlegt, der will damit Profit machen. Das kann man beim Wasser und Abwasser auf drei Arten: die Preise erhöhen, bei den Beschäftigten rationalisieren und die Leitungspflege vernachlässigen. Letzteres ist der ganz große Brocken, denn bei diesen Betrieben liegt der Schatz unter der Erde, und ob man das Leitungsnetz flickt oder pflegt, ist ein enorm großer Unterschied. Beispiel Berlin: Dort sind die Investitionen laut Betriebsrat von 400 Millionen Euro nach der Privatisierung auf einen Schlag halbiert worden. Die zukünftige Versorgungssicherheit wird dadurch bewußt aufs Spiel gesetzt.

Sind die Beschäftigten der betroffenen Werke und ihre Gewerkschaften in die Kampagne einbezogen?

Wir haben von Beginn an versucht, die Betriebsräte der Städtischen Werke dafür zu gewinnen. Das Verhängnisvolle ist jedoch, daß es seit 1996 einen Beschäftigungssicherungsvertrag gibt, der den Erhalt der Arbeitsplätze unter der Bedingung garantiert, daß 15 Millionen Euro im Jahr an die Stadt Kassel abgeführt werden und darüber die Verluste des öffentlichen Nahverkehrs ausgeglichen werden können. Unter dem Druck der Konkurrenz durch die öffentliche Ausschreibung bedeutet das, die Arbeitsplätze bei den Stadtwerken bleiben nur erhalten, wenn neue Geschäftsfelder erschlossen werden. Da der Wassermarkt nicht größer wird, kann das nur durch eine Ausdehnung ins Umland geschehen – auf Kosten der dortigen Gebührenzahler und der Beschäftigten der Wasser- und Klärwerke im Umland.

Und das geschieht mit Unterstützung der Beschäftigtenvertreter bei den Kasseler Stadtwerken?

Ich habe Verständnis dafür, daß das für die Betriebsräte eine schwierige Situation ist. Andererseits ist die Vorstellung, man könne sich als kleinerer Regionalmonopolist aufstellen und dadurch auf Dauer etwas gegen die großen Energiekonzerne ausrichten, Traumtänzerei. Wir meinen, der Betriebsrat kann nur gewinnen, wenn er sagt: Wir stellen etwas Lebenswichtiges für die Menschen in der Stadt her, und wenn diese die Möglichkeiten demokratischer Einflußnahme nicht verlieren wollen, dann müssen sie gemeinsam mit den Beschäftigten dafür kämpfen, daß die Betriebe in öffentlichem Besitz bleiben.

Beim Volksentscheid zum Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) in Hamburg hatte sich die Mehrheit gegen deren Privatisierung ausgesprochen. Dennoch ist der Verkauf kürzlich beschlossen worden. Spricht diese Erfahrung nicht gegen das Mittel des Volks- oder Bürgerbegehrens?

Keineswegs. Schon allein der Start eines solchen Bürgerbegehrens trägt zur Politisierung der Öffentlichkeit bei. Es wird das Bewußtsein geschaffen: »Hier werden wir enteignet.« Und ein solches Bewußtsein zu schaffen und die Möglichkeit zu geben, dies auszudrücken, ist vielleicht mehr wert als ein gewonnener Bürgerentscheid selbst. Zumal der Erfolg, wenn man es gewonnen hat, nicht unbedingt dauerhaft ist, sondern gegebenenfalls neu erkämpft werden muß. So halten zum Beispiel in Bayern Bürgerentscheide rechtlich nur ein Jahr, in Hessen drei Jahre.

Interview: Daniel Behruzi