Mit
Wasser, sagt Hans-Jürgen Leist, Diplomingenieur und Sozialwissenschaftler
aus Hannover, muss niemand knausern. Das Fünffache dessen,
was wir verbrauchen, sagt der Experte, erneuere sich in der Natur. Herr Leist, Sie sagen, Wasser sparen in Deutschland ist Unsinn.
Warum?
Hans-Jürgen Leist:
Es gibt genügend Grundwasser. Grundwasser
muss man sich ja als einen unterirdischen See vorstellen. Durch
die Oberfläche sickert Regenwasser nach und das Grundwasser
läuft im Prinzip über wie der Bodensee in den Rhein.
Die Flüsse werden in trockenen Perioden zu 80 Prozent von
Grundwasser gespeist. Das ist ein beständiger erneuerbarer
Vorgang. Dieser Grundwasser-See bleibt vollkommen erhalten.
Nun sagen Sie, das sparen ist auch Unsinn, weil es teuer ist.
Leist:
Ja. Zum einen gibt es das Rohrleitungssystem der Trinkwasserversorgung.
Die Röhren müssen eine bestimmte Größe haben,
weil zum Beispiel da auch das Löschwassersystem der Feuerwehr
dranhängt. Wenn nun weniger Wasser verbraucht wird, fließt
das Wasser langsamer durch die Rohre. Im schlimmsten Fall kommt
es zum Stillstand. Dann kann sich Korrosion in den Rohren bilden.
Es kann, wenn das Wasser länger drin steht, sogar zu Verkeimungen
führen. Es ist einfach nicht gut, wenn das Wasser lange
im Rohrsystem steht. Man muss sich das vorstellen wie Milch.
Je schneller
die beim Verbraucher ist, umso besser.
Sie sehen auch Probleme beim Abwasser ...
Leist:
Wasser und Abwasser sind gekoppelte Systeme. Wenn zu wenig Trinkwasser
genutzt wird, wird zu wenig Abwasser produziert.
Dann
kann es zu Ablagerungen im Kanalnetz kommen. Da kann sich dann
Schwefelsäure bilden, die die Kanalisation schädigt.
Die muss dann saniert werden. Das ist teuer. Oft müssen aufgrund
des geringen Verbrauchs beide Rohrsysteme gespült werden.
Das ist paradox: Der Verbraucher spart, und die Wasserwerke und
Abwasserbetriebe nehmen das Wasser und müssen spülen.
Das wird dann alles auf den Preis umgelegt.
Also
muss niemand ein schlechtes Gewissen haben, der sich mehrmals
in der Woche eine Badewanne voll Wasser gönnt?
Leist:
So ist es. Beim Wasser sind wir in Deutschland vollkommener Selbstversorger.
Wir verbrauchen insgesamt nur 20 Prozent der Menge,
die sich jährlich erneuert. Bei Energie wie Öl und Gas
sieht das anders aus. Das importieren wir zu 80 Prozent. Man sollte
nur darauf achten, dass man möglichst wenig warmes Wasser
verbraucht. Um das herzustellen, ist Energie nötig.
Ist
das schlechte Gewissen beim Wasser den Deutschen aus ideologischen
Gründen eingeredet worden?
Leist:
Vor 15, 20 Jahren gab es Prognosen, dass der Wasserverbrauch
kräftig ansteigen würde. Da war das Geschrei groß.
Die Netze wären zu klein, da müsse man kräftig investieren.
Das würde aber zu teuer, die Leute sollten also sparen. In
den letzten zehn Jahren ist der private Wasser-Verbrauch aber um
zehn Prozent, in der Industrie sogar um 20 Prozent zurückgegangen.
Die befürchtete Entwicklung ist gar nicht eingetreten. Man
hat aber leider nun versäumt, etwa in der Umweltbildung
in den Schulen auf diese Entwicklung zu reagieren.
Nun
ist ja auch der Konsum von Flaschenwasser, das um bis zu 200
000 Prozent teurer ist als das Leitungswasser, seit 1970
um das
Zehnfache gestiegen. Und eigentlich ist ja in den Flaschen
nichts anderes drin als im Leitungswasser. Wie erklären
Sie sich das?
Leist:
Wasser ist ja ein besonderer Rohstoff, man spricht ja vom Lebenselixier.
Wasser ist kostbar, heißt es immer. Selten
hingegen heißt es: Luft ist kostbar, obwohl man es nur ein
paar Minuten ohne Luft aushalten kann. Wasser wird übersteigert
dargestellt. Und dass es heilsam ist, greift natürlich die
Werbung dankbar auf. Manche Menschen misstrauen auch dem Leitungswasser.
Dabei hat Wasser unheimlich niedrige Grenzwerte, was die Belastung
mit Schadstoffen angeht. Wenn da mal ein Grenzwert wegen Pflanzenschutzmitteln
im Wasser überschritten wird, heißt es sofort: Das Wasser
ist nicht trinkbar. Aber die Lebensmittel, die direkt mit den Pflanzenschutzmitteln
in Kontakt kommen, enthalten teilweise das Hunderttausendfache
dieser Schadstoffe. Bei den Lebensmitteln ist der erlaubte Grenzwert
einfach wesentlich höher. Die werden dann bedenkenlos gegessen.
Hans-Jürgen Leist (53) ist Diplomingenieur und Sozialwissenschaftler.
Er arbeitet an der Forschungsstelle für Recht, Ökonomie
und Umwelt der Universität Hannover. Seine Spezialgebiete
sind Wasser und Energie.
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