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hat auch in der Wasserwirtschaft ein Grundsatzurteil des
Europäischen Gerichtshofes (EuGH) von Anfang Januar 2005.
Stadt- und Wasserwerke und ihre Verbände zeigen sich schwer
erschüttert. Bei juristischen Fachleuten hat Kaffeesatzlesen
auf höchstem Niveau eingesetzt. Denn unklar ist immer noch,
welche Konsequenzen das Urteil für die deutsche Wasserwirtschaft
haben könnte – und ob die Wasserwirtschaft von dem Urteilsspruch
der EuGH-Richter überhaupt betroffen ist.
Um
was geht es? Die Stadt Halle an der Saale hatte im Jahr 2001
die Firma „Recyclingpark
Lochau GmbH“ damit beauftragt, eine Müllverbrennungsanlage
zu bauen. Die „Recyclingpark Lochau GmbH“ (RPL) gehört über
die „Stadtwerke Halle GmbH“ zu 75,1 Prozent der Stadt
Halle. Mit 24,9 Prozent ist die RWE Umwelt Sachsen Anhalt GmbH
an der RPL beteiligt. Und jetzt kommt der entscheidende Punkt:
Die Stadt Halle hat den Auftrag zum Bau der Müllverbrennungsanlage
ohne öffentliche Ausschreibung an ihre kommunale Tochter vergeben.
Dass der Auftrag nicht EU-weit ausgeschrieben worden war, hatte
einen Wettbewerber derart erzürnt, dass er gegen die Vergabe
vor Gericht gezogen war. Das Oberlandesgericht Naumburg sah sich
wegen der EU-rechtlichen Implikationen der angefochtenen Auftragserteilung
nicht in der Lage, in diesem strittigen Verfahren selbst einen
Urteilsspruch zu erlassen. Das OLG Naumburg reichte das Verfahren
deshalb wie eine heiße Kartoffel weiter an den Europäischen
Gerichtshof (EuGH).Und
der EuGH kam zu einem derart eindeutigen Urteil, dass alle Beobachter
mächtig überrascht waren.
Die
EuGH-Richter vertraten nämlich die glasklare Auffassung,
dass auf eine EU-weite Ausschreibung nur in einem Fall verzichtet
werden kann – wenn nämlich die Kommune den Auftrag an
ein kommunales Tochterunternehmen erteilt, dass sich zu 100 Prozent
im Besitz der Kommune befindet! Sobald ein privates Unternehmen
ebenfalls über Anteile an einer kommunalen Tochter verfügt,
muss nach Ansicht der EuGH-Richter davon ausgegangen werden, dass
die gemischt-wirtschaftlichte Tochter („privat-public-partnership“ -
ppp) nicht mehr eindeutig kommunale Interessen verfolgt (vgl. einen
gleichlautenden Urteilsspruch der Vergabekammer Düsseldorf
im RUNDBR. 627/2).
Die
EuGH-Richter stützten damit die Vorbehalte
der ppp-kritischen Bürgerinitiativen und Städtebündnisse.
Dort ist nämlich schon immer gemutmaßt worden, dass
sich in gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen die Kapitalverwertungsinteressen
der privaten Partner durchsetzen werden – und dass die kommunale
Daseinsvorsorge in privat-public-partnerships zumindest auf lange
Sicht den Bach runter gehen wird.
Hintergrund
der EuGH-Entscheidung waren allerdings mitnichten antikapitalistische
Intentionen. Der
EuGH folgte nur dem absoluten Willen der EU-Kommission,
alle Wirtschafts- und Dienstleistungsbereiche in der EU einem
ungehemmten Wettwerbsregime
zu unterwerfen. Das bedeutet, dass kommunale Töchter bei privater
Kapitalbeteiligung bei einer Auftragsvergabe wie jeder anderer
x-beliebige Wettbewerber zu behandeln sind. Eine EU-weite Ausschreibung
von kommunalen Aufträgen ist Pflicht – selbst dann,
wenn privates Kapital nur mit einem Prozent an einer kommunalen
Tochter beteiligt wäre.
Der
vollständige Urteilsspruch
kann im Internet unter
http://curia.eu.int/jrisp/cgi-in/
form.pl?lang=de
ausfindig gemacht werden
(Aktenzeichen
C-26/03 eintippen)
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