"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

HNA 15.7.2005

Mehr Geld für den Chef

Jörg Steinbach


 

Kassel. Ein Konzern schweigt. Die Kasseler Verkehrs- und Versorgungs GmbH (KVV), ansonsten kommunikationsfreudig und großzügig mit Pressemitteilungen, hat über einen wichtigen Beschluss des Aufsichtsrats zum Dienstvertrag des Chefs nicht informiert. Mit großer Mehrheit hat der Aufsichtsrat jüngst beschlossen, die erfolgsgebundene Gratifikation des Vorstandsvorsitzenden Andreas Helbig und dessen Abfindung bei Ausscheiden zu erhöhen.

Während die Kasseler Verkehrs-Gesellschaft (KVG) nach der ersten verlorenen Ausschreibung für die Buslinien ins Niestetal (HNA berichtete) mit dem Rücken zur Wand steht, wird Helbig künftig 13 000 Euro jährlich mehr verdienen können und nach 15 Jahren Dienst zwei Jahresgehälter als Abfindung bekommen. Und dies, obwohl es bei dem Nahverkehrsunternehmen um Arbeitsplatzabbau gehen wird, sollte im Herbst eine weitere wichtige Ausschreibung an ein anderes Unternehmen gehen.

Auch auf Nachfrage der HNA möchte der Konzern dazu nichts sagen. "Keine öffentliche Stellungnahme", lässt KVV-Unternehmenssprecher Andreas Schönborn ausrichten. Das sei eine rein unternehmensinterne Angelegenheit.

Helbig, seit zehn Jahren an der Spitze des Konzerns, war kürzlich vom Aufsichtsrat einmütig für weitere fünf Jahre zum Vorsitzenden der Geschäftsführung bestellt worden. Jetzt wollte der Chef mehr Geld: 180 000 Euro statt bisher 163 000 Euro jährliches Grundgehalt, dazu eine Gratifikation von mindestens 30 000 Euro (bisher 21 000) und maximal 90 000 Euro (bisher 77 000) sowie eine Abfindung von 2,5 Jahresgehältern nach 15 Dienstjahren (bisher 1,5).

Daraus wurde im Aufsichtsrat ein Kompromiss. Kein höheres Grundgehalt, aber eine höhere Gratifikation und zwei Jahresgehälter nach 15 Dienstjahren. Dafür stimmten dem Vernehmen nach auf der Arbeitgeberbank auch die Mandatsträger von CDU und Bündnisgrünen - und die Arbeitnehmervertreter. Die SPD-Vertreter lehnten das Ansinnen ab. Dass angesichts drohender Entlassungen bei der KVG ausgerechnet die Arbeitnehmervertreter die Erhöhung der Chefbezüge mittragen, kann auch Ver.di-Gewerkschaftssekretär und Aufsichtsratsmitglied Manfred Eckhardt nur schwer erklären: "Es passt eigentlich nicht in die Zeit." Aber in der Vergangenheit sei gerade bei der KVG vieles zum Nutzen der Beschäftigten geregelt worden - im Einvernehmen zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung. "Das ist ein Geben und Nehmen", sagt Eckhardt.

Für andere Aufsichtsräte war der Kompromiss beim Chefgehalt auch deshalb tragbar, weil Helbig gute Arbeit geleistet habe und man die Angelegenheit im Interesse des Konzerns schnell lösen wollte. Am Dienstag, 19. Juli, will die KVG die Bilanz 2004 präsentieren.

Kommentar

Nichts gelernt

Jörg Steinbach über geheime Spitzengehälter

 

 

Kein Zweifel: KVV-Vorstand Andreas Helbig macht einen ordentlichen Job. Es ist sein gutete Recht, von Zeit zu Zeit um mehr Gehalt zu bitten. Dass der Konzernaufsichtsrat der Bitte folgt, ist aber angesichts der Lage bei KVG und weiterer Unternehmen unter dem Konzerndach nicht zu verstehen.

KVG und Fernwärme sind hoch defizitär. Warum ausgerechnet die Arbeitnehmervertreter dem Chef noch Geld drauflegen, ist erst recht unerklärlich. Auch die Busfahrer machen einen ordentlichen Job. Und müssen trotzdem seit Jahren bluten. Man darf gespannt sein, wie die Betriebsräte das ihren Kollegen erklären.

Der Konzernsprecher irrt, wenn er in der Erhöhung der Vorstandsbezüge eine interne Angelegenheit sieht. Stadtwerke, KVG und die anderen Firmen unter dem Dach der KVV gehören den Bürgern der Stadt Kassel.

Über die gewählten Stadtverordneten, die in den Aufsichtsräten sitzen, haben die Bürger als Eigentümer Einfluss auf die Unternehmenspolitik. Und als Eigentümer haben sie auch das Recht zu erfahren, wie sie ihr Führungspersonal bezahlen. Von Transparenz nicht nur zu reden, sondern auch danach zu handeln, haben die kommunalen Unternehmen noch immer nicht gelernt.