BBU-Wasserrundbrief Nr.
790 vom 14.3.2005
Gegen
Geheimniskrämerei privatisierter Kommunalbetriebe
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Im
Zuge der Privatisierungswelle sind in den letzten Jahren in vielen
Städten und Gemeinden öffentliche Betriebe wie beispielsweise
kommunale Wasserversorgungsunternehmen in Aktiengesellschaften
(AG) oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) umgewandelt
worden. Selbst wenn dabei alle Gesellschaftsanteile in kommunalem
Besitz geblieben sind, hatten solche "Organisationsprivatisierungen"
für wissbegierige BürgerInnen eine fatale Folge: Wichtige Entscheidungen
wurden seither hinter verschlossenen Türen gefällt. Denn das
Aktiengesetz und das GmbH-Gesetz schreiben vor, dass Aufsichtsratssitzungen
stets nichtöffentlich sind, auch wenn es sich um städtische AGs
oder GmbHs handelt. Zudem sind die Stadt- und Gemeinderäte, die
in diesem Gremien die Interessen der Bürger wahrnehmen sollen,
an die Geheimhaltungspflicht gebunden. Kritiker sprechen daher
schon lange von einer für die Bürger unzumutbaren Mauschelei
und Geheimpolitik. Damit könnte bald Schluss sein, denn das Verwaltungsgericht
Regensburg hat im Februar 2005 als erstes Gericht die Transparenz
der Entscheidungen für sichtiger als die bislang übliche Geheimniskrämerei
erachtet
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"Bürgerbeteiligung
statt geheimer Rathauspolitik"
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Anlass
für den Urteilsspruch des Verwaltungsgerichts Regensburg war
ein Bürgerbegehren, das die Ökologisch-Demokratische Partei (ödp)
in Passau mit dem Titel "Bürgerbeteiligung statt geheimer Rathauspolitik"
initiiert hatte. Hintergrund des Bürgerbegehrens war die Umwandlung
der Passauer Stadtwerke in eine GmbH, deren einziger Gesellschafter
die Stadt Passau ist. Zudem gibt es weitere hunderprozentige
städtische Tochtergesellschaften für den sozialen Wohnungsbau,
für die Verwertung städtischer Grundstücke und für kulturelle
Veranstaltungen. Während früher für Entscheidungen in diesen
Bereichen der Stadtrat zuständig war und es hierzu öffentliche
Sitzungen gab, wurden nach der Umwandlung in GmbHs Aufsichtsräte
gebildet, die geheim tagen. Dasselbe geschah in den letzten Jahren
tausendfach in vielen großen und kleinen Städten und Gemeinden,
denn GmbH-Gründungen bringen den finanziell klammen Kommunen
steuerliche Vorteile. Der Preis dafür ist aber die fehlende Transparenz
der Entscheidungen Hiergegen wandte sich in Passau das Bürgergeheren
mit dem Ziel, die Öffentlichkeit der Stizungen herzustellen und
die Gemeimhaltungspflicht für die Stadträte aufzuheben.
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Verwaltungsgericht
Regensburg: Transparenz statt Verschwiegenheit
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Obwohl
von der ödp für das Bürgerbegehren in Passau die notwendige Zahl
von Unterschriften vorgelegt werden konnte, weigerte sich die
Stadt, den als nächsten Schritt vorgeschriebenen Bürgerentscheid
durchzuführen. Als Argument gab der von der CSU dominierte Stadtradt
an, der Inhalt des Bürgerbegehrens verstoße gegen das GmbH-Gesetz,
das als Bundesrecht zwingend von kommunalen GmbHs anzuwenden
sei. Dies sah das von der ödp angerufene Verwaltungsgericht Regensburg
ganz ander. Hierzu heißt es in der mündlichen Urteilsbegründung:
"Das
Bürgerbegehren ist zuzulassen, weil es nicht auf ein rechtswidriges
Ziel gerichtet ist. Die Organe der kommunalen GmbH geben rechtlich
zwar eigenes, faktisch aber das Geld der Bürger aus. Das übertriebene
Abschotten der Aufsichtsratstätigkeit kann bei Bürgerinnen
und Bürgern zu Mutmaßungen, Verdächtigungen und Argwohn führen.
Bürger wollen beispielsweise wissen, wie die Gas-, Strom-,
Wasser-, Bus- und Badpreise zustande kommen, warum eine Buslinie
eingestellt wird, wie eine Freifläche entwickelt wird und wie
hoch eine kommunale GmbH verschuldet ist. Geheimniskrämerei
erzeugt Misstrauen. Demokratie erfordert Transparenz der Entscheidungen."
Die
ödp bezeichnete in einer
Presseerklärung das Urteil als "Meilenstein" mit weitreichender
Bedeutung. Denn es gehe um die grundsätzliche Frage, wie weit
die Politik privatisiert und der Kontrolle durch Bürger und Medien
entzogen werden dürfe. Daher werde die ödp nun in zahlreichen
Städten gleichlautende Anträge auf mehr Transparenz einbringen.
Gerade weil die Problematik überall dieselbe ist und nicht auf
einzelne Orte oder Regionen beschränkt bleibt, dürfte das noch
nicht rechtskräftig gewordene Regensburger Urteil nicht das letzte
Wort sein. Es ist anzunehmen, dass betroffene Stadtverwaltungen
und Oberbürgermeister versuchen werden, eine höchstrichterliche
Klärung herbeizuführen - nach einem Bericht in der JUNGEN WELT
vom 7.2.2005, siehe http://www.jungewelt.de (Nach einem weiteren
aktuellen Urteil, zu dem uns allerdings noch keine Details vorliegen,
müssen Stadtwerke in öffentlichem Besitz die Einkünfte der Führungskräfte
offen legen.
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