
Demonstration und Kundgebung am 12. Juni 2006
eigenes Foto
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Die
Energieversorger haben derzeit keine guten Schlagzeilen: Steigende
Preise bei Strom und Gas, zu
hohe Netzentgelte, die Matthias Kurth, Chef der Bundesnetzagentur,
beschneiden möchte. In der Kritik stehen auch die Stadtwerke.
Geht es nach Kurth, sollen sie die Netzgebühren, die ein Drittel
des Energiepreises ausmachen, bis 2015 schrittweise senken. Nach
Hochrechnungen des Verbandes der Elektrizitätswirtschaft würden
sich die Durchleitungskosten dadurch um insgesamt 65 Prozent reduzieren.
Das
bliebe bei den Stadtwerken nicht ohne Folgen. Denn den dicksten
Posten in ihrer Kalkulation stellen mit rund 40 Prozent die Personalkosten.
Es droht: Investitionsstopp, Stellenabbau und Qualitätsverlust.
"Fragwürdiger
Wettbewerb"
"Eine Kostensenkung in dieser Größenordnung ist
nicht möglich", sagt Karl-Heinz-Schleiter, Geschäftsführer
der EGF-Energie-Gesellschaft in Frankenberg. Personal müsste
abgebaut werden. Damit rechnet auch Heribert Hausmann, Geschäftsführer
der Northeimer Stadtwerke. Käme diese Kostensenkung, würde
mit diesem "Prozentsatz der Exitus vorbereitet", ergänzt
Birgit Raphael, Sprecherin der Städtischen Werke Kassel.
Deutlicher
wird Martin Rühl. "Eine entsprechende Senkung
könnte nur durch Entlassung aller Mitarbeiter in Verbindung
mit einem Reparaturstopp dargestellt werden", sagt der Geschäftsführer
der Stadtwerke Wolfhagen. Einsparungen in der Größenordnung
setzen "Ineffizienzen gepaart mit exorbitanten Gewinnen für
den Eigner" voraus. "Realistisch erscheinen zehn bis
15 Prozent", ergänzt Wolfgang Grunewald, Betriebsleiter
der Stadtwerke Bad Sooden-Allendorf. "Wir haben schon immer
mit einer geringen Personaldecke gearbeitet."
Denn
die Realität ist eine andere. Beispiel Korbach. "Bereits
in den vergangenen Jahren zwangen Rationalisierungen die EWF faktisch
zum Einstellungsstopp", sagt Heike Bayerköhler, Sprecherin
der Energie Waldeck-Frankenberg GmbH. Nun bestehe der Mitarbeiterstab "fast
ausnahmslos aus erfahrenen und langjährig angestellten Mitarbeitern".
Für sie gilt quasi Kündigungsschutz. Personalabbau sei
auch deshalb nicht möglich, weil die Grundversorgung dann
nicht mehr in vollem Umfang gewährleistet werden könne,
ergänzt Herbert Höttl, Geschäftsführer der
Stadtwerke Bebra. "Einsparpotential liegt nur vor, wenn Aufgaben
ausgegliedert werden könnten", sagt Markus Lecke, Geschäftsführer
der Stadtwerke Eschwege. Für überlegenswert hält
er eine Zusammenarbeit mit anderen Versorgern, um Synergien zu
heben. Wie man es auch dreht: Werden die Netzgebühren gesenkt,
muss mit Gewinneinbruch gerechnet werden, stellt Reinhold Koch,
Geschäftsführer der Stadtwerke Fritzlar fest.
Doch über die Gewinne finanzieren die Stadtwerke in den Kommunen
den Nahverkehr oder die Schwimmbäder - dort würde der
Rotstift zuerst angesetzt. "Letztlich ist der kommunale Querverbund
gefährdet", urteilt Rechtsanwalt Christian Theobald von
der Berliner Kanzlei Becker Büttner Held. Die Energiekonzerne
schweigen bislang. Theobald: "Sie können die absehbare
Durststrecke bei gestiegenen Erzeugerpreisen verkraften, außerdem
hofft man darauf, dass als Folge in ein, zwei Jahren viele Stadtwerke
wie reife Äpfel vom Baum in ihren Schoß fallen; noch
dazu preisgünstig, da deren Ertragswert nach unten reguliert
wurde."
Ironie
des Schicksals: Der Wettbewerb wäre mangels Akteuren
am Ende, meint Theobald. Rühl ergänzt: "Gewachsene
Strukturen und Synergien werden hier zum Wohle eines fragwürdigen
Wettbewerbs geopfert."
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Es
ist eine vertrackte Situation: Die Energiepreise müssen fallen, denn weder kann der Verbraucher auf Dauer diese
Kosten schultern, noch werden die Unternehmen höhere Belastungen
wegstecken, wenn die Produktion jenseits der Grenzen günstier
ist. Erstaunlich
ist, dass sich die Diskussion um Energiepreise auf den Nebenschauplatz
Netzentgelt verschoben hat – kein Wort
seitens der Politik über die hohen Steuern und Abgaben,
die mittlerweile 37 Prozent des Preises ausmachen und ab Januar
um weitere drei Prozentpunkte Mehrwertsteuer steigen werden.
Einzig über die Netzgebühren soll die Wettbewerbsidee
zünden, deshalb stehen sie auf dem Prüfstand.
Währen die großen Energieversorger wie E.On, Vattenfall,
RWE und EnBW ihre Einbußen beim Netzentgelt über die
Erzeugungskosten regulieren können, werden sich die Stadtwerke
nach der Decke strecken müssen. Doch es darf nicht passieren,
dass sie lediglich auf den Personalabbau und auf die Beschneidung
notwendiger Investitionen ausweichen. Das wäre Raubbau an
der Versorgungssicherheit.
Doch was bleibt noch, wenn den Stadtwerken die
Einnahmequelle Netz beschnitten wird, zumal sie mit diesen
Erträgen kommunale
Aufgaben mitfinanzieren? Ausfälle in Millionenhöhe
bei Städten und Gemeinden. Die kommunale Querfinanzierung
wird zum Auslaufmodell.
Denn die Stadtwerke sind nur Verteiler. Ihr
Wert steckt im Netz und hängt am Entgelt. Senkt man dieses, wird der Wert der
Stadtwerke nach unten reguliert. Irgendwann rechnet sich der
Energieverteiler für die Kommune nicht mehr. Bleibt einzig
der Verkauf für einen Bruchteil des jetzigen Wertes an einen
der großen vier Energieversorger. Das wahrlich Groteske
daran: Angetreten war die Politik mit dem Ziel, mehr Wettbewerb
zu schaffen. Doch aus Mangel an Akteuren würde dieser dann
ausfallen.
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