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KÖLN
/ ESSEN / Kassel. Das wegen mutmaßlicher Vergnügungsreisen
auf Kosten von E.ON Ruhrgas beschlagnahmte Beweismaterial ist
weitgehend ausgewertet. Die Zahl von 150 Kommunalpolitikern,
Gesellschaftern und Managern, gegen die ermittelt wird, werde
sich nicht mehr wesentlich verändern, sagte Staatsanwalt
Günther Feld am Freitag in Köln. "Wir ermitteln
nicht mehr in die Breite, sondern weiter in die Tiefe." Es
besteht der Verdacht, dass E.ON Ruhrgas Aufsichtsräten und
Mitarbeitern von 28 kommunalen Versorgern in Nordrhein-Westfalen
Reisen nach Barcelona, Brügge, St. Petersburg und Norwegen
bezahlt hat, um sie wohlwollend für Lieferverträge
zu stimmen.
Hinweise
auf ähnliche Reisen für 50 weitere Kommunalpolitiker
in Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland werden weiter
geprüft. Es gebe aber noch keine Ermittlungen, die so konkret
seien wie gegen die nordrhein-westfälischen Beschuldigten,
sagte Feld. Eventuell betroffene Versorger in diesen Bundesländern
nannte er nicht.
Ein
Sprecher des Kasseler Regionalversorgers E.ON Mitte (früher
EAM), dessen Netzgebiet sich von Südhessen bis Südniedersachsen
erstreckt, erklärte auf Anfrage: "Unsere Kontakte mit
unseren Amtsträgern pflegen wir auf der Grundlage und ausschließlich
im Rahmen des rechtlich Zulässigen."
Die
Staatsanwaltschaft war im Mai 2005 durch einen Zeitungsbericht über
eine Reise von Kommunalpolitikern zu einer Gasförderplattform in Norwegen
auf die mutmaßlichen Vergnügungsreisen aufmerksam geworden. Eine
Durchsuchung unter anderem bei der Essener E.ON Ruhrgas erbrachte das jetzt
ausgewertete Beweismaterial.
Die
Teilnahme der Lokalpolitiker an Reisen, die von Firmen bezahlt
werden, kann nach Aussage des Verfassungsrechtlers Hans Herbert
von Arnim den Tatbestand der Korruption erfüllen. "Bei
Korruption geht es nicht nur um Geld, sondern auch um geldwerte
Leistungen", sagte der Professor an der Hochschule für
Verwaltungswissenschaften in Speyer. Aufwändige Reisen,
zumal mit Ehegatten, seien solche Vorteile. "Dann sieht
es so aus, dass man den Boden für künftiges Wohlverhalten
bereiten will - also die Pflege der politischen Landschaft betreibt."
Wenn
ein Unternehmen dies tue, gehe es zu Lasten der Öffentlichkeit,
weil es den Markt behindere. "Korruption betrifft den fairen
Wettbewerb. Der Wettbewerb soll für vernünftige Preise
sorgen, und wenn das ausgehebelt wird, werden die Preise höher
sein, als sie sonst sein müssten." Das Argument, die
Lieferverträge seien zu langfristig, als dass E.ON Ruhrgas
die Lokalpolitiker habe beeinflussen können, ließen
von Arnim und Feld nicht gelten: "Unternehmen dürfen
nur Dinge tun, die ihrem Vorteil dienen sollen. Wenn sie Dinge
finanzieren, von denen sie nichts haben, kommen die Verantwortlichen
an den Rand der Untreue", so von Arnim. (DPA/JOP)
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