"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

HNA 21.1.2006

Zuckerle vom Energieriesen

Lustreisen oder Lernfahrten? -
E.ON zahlte für teure Politiker-Ausflüge

Von Jürgen Hein

 

KÖLN / ESSEN / Kassel. Das wegen mutmaßlicher Vergnügungsreisen auf Kosten von E.ON Ruhrgas beschlagnahmte Beweismaterial ist weitgehend ausgewertet. Die Zahl von 150 Kommunalpolitikern, Gesellschaftern und Managern, gegen die ermittelt wird, werde sich nicht mehr wesentlich verändern, sagte Staatsanwalt Günther Feld am Freitag in Köln. "Wir ermitteln nicht mehr in die Breite, sondern weiter in die Tiefe." Es besteht der Verdacht, dass E.ON Ruhrgas Aufsichtsräten und Mitarbeitern von 28 kommunalen Versorgern in Nordrhein-Westfalen Reisen nach Barcelona, Brügge, St. Petersburg und Norwegen bezahlt hat, um sie wohlwollend für Lieferverträge zu stimmen.

Hinweise auf ähnliche Reisen für 50 weitere Kommunalpolitiker in Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland werden weiter geprüft. Es gebe aber noch keine Ermittlungen, die so konkret seien wie gegen die nordrhein-westfälischen Beschuldigten, sagte Feld. Eventuell betroffene Versorger in diesen Bundesländern nannte er nicht.

Ein Sprecher des Kasseler Regionalversorgers E.ON Mitte (früher EAM), dessen Netzgebiet sich von Südhessen bis Südniedersachsen erstreckt, erklärte auf Anfrage: "Unsere Kontakte mit unseren Amtsträgern pflegen wir auf der Grundlage und ausschließlich im Rahmen des rechtlich Zulässigen."

Die Staatsanwaltschaft war im Mai 2005 durch einen Zeitungsbericht über eine Reise von Kommunalpolitikern zu einer Gasförderplattform in Norwegen auf die mutmaßlichen Vergnügungsreisen aufmerksam geworden. Eine Durchsuchung unter anderem bei der Essener E.ON Ruhrgas erbrachte das jetzt ausgewertete Beweismaterial.

Die Teilnahme der Lokalpolitiker an Reisen, die von Firmen bezahlt werden, kann nach Aussage des Verfassungsrechtlers Hans Herbert von Arnim den Tatbestand der Korruption erfüllen. "Bei Korruption geht es nicht nur um Geld, sondern auch um geldwerte Leistungen", sagte der Professor an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Aufwändige Reisen, zumal mit Ehegatten, seien solche Vorteile. "Dann sieht es so aus, dass man den Boden für künftiges Wohlverhalten bereiten will - also die Pflege der politischen Landschaft betreibt."

Wenn ein Unternehmen dies tue, gehe es zu Lasten der Öffentlichkeit, weil es den Markt behindere. "Korruption betrifft den fairen Wettbewerb. Der Wettbewerb soll für vernünftige Preise sorgen, und wenn das ausgehebelt wird, werden die Preise höher sein, als sie sonst sein müssten." Das Argument, die Lieferverträge seien zu langfristig, als dass E.ON Ruhrgas die Lokalpolitiker habe beeinflussen können, ließen von Arnim und Feld nicht gelten: "Unternehmen dürfen nur Dinge tun, die ihrem Vorteil dienen sollen. Wenn sie Dinge finanzieren, von denen sie nichts haben, kommen die Verantwortlichen an den Rand der Untreue", so von Arnim. (DPA/JOP)

 

Hintergrund  
 
Der E.ON-Konzern hält 73,34 Prozent an dem Regionalversorger E.ON Mitte, der bis Mitte 2005 als EAM firmierte. Den Rest der Anteile halten zwölf Landkreise und die Stadt Göttingen. Diese kommunalen Aktionäre hatten bis Mai 2002 die Mehrheit an der heutigen E.ON Mitte. (JOP)