"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

HNA 13.6.2006

Schulden tilgen durch den Verkauf
Städtische Werke AG hat als Garant für Millionen-Gewinne vermutlich ausgedient

Von Jörg Steinbach


 


Kassel.
Mit der Idee, bis zu 74,9 Prozent der Aktien der Städtische Werke AG zu verkaufen, haben Oberbürgermeister Bertram Hilgen (SPD) und Kämmerer Dr. Jürgen Barthel (SPD) viel Kritik ausgelöst. Noch ist nichts beschlossen, aber der Prüfungsvorschlag hat gleich mehrere ernste Gründe.

Der wichtigste Grund ist die Überschuldung der Stadt, die mit rund 440 Millionen Euro in der Kreide steht. Die Zinsen für Kredite steigen, und die Stadt zahlt bereits heute jährlich rund 30 Millionen Euro Zinsen. Der Regierungspräsident als Finanzaufsicht hat die Stadt aufgefordert, auch den Verkauf von Vermögen ins Kalkül zu ziehen, um die gigantischen Schulden zu verringern. Steigen die Zinsen, führt das zu einer zusätzlichen Belastung des städtischen Haushalts. Durch die Einnahmen eines Verkaufs könnte ein dreistelliger Millionenbetrag der Schulden getilgt werden.

Stadtkämmerer Barthel befürchtet weitere, "erhebliche Risiken". Werden die von der hessischen Landesregierung und der Bundesnetzagentur anvisierten Kürzungen der Durchleitungsentgelte bei der Strom- und Gasversorgung in die Tat umgesetzt, rechnet der Kämmerer mit einem Gewinneinbruch von zehn Millionen Euro bei den Werken.

Hintergrund: Das seit Jahrzehnten funktionierende Modell der Stadtwerke als Garant für satte Gewinne zum Ausgleich von Defiziten dürfte ausgedient haben. Dürfen die Werke die Netzentgelte nicht mehr im bisherigen Umfang an die Kunden weiterreichen, freuen sich die Verbraucher, während die Erträge im gleichen Maße sinken. Zudem hat sich in den vergangenen Monaten gezeigt, dass die Werke dem Preisdiktat der großen Strom- und Gasversorger hilflos ausgeliefert sind.

Eckpunkte der Denkspiele um einen weiteren Verkauf: Kassel soll eine Sperrminorität von 25,1 Prozent behalten, das Trinkwassergeschäft in den Händen der Stadt bleiben. Schon in der nächsten Woche soll es erste Gespräche mit dem Vattenfall-Konzern geben.

Der schwedische Energie-Multi hält eine 24,9-Prozent-Beteiligung an den Kasseler Stadtwerken. Die Schweden wollen diese Beteiligung neu ordnen und darüber mit der Stadt verhandeln. Ob sich Vattenfall von der Beteiligung trennen möchte oder sich für einen Zukauf weiterer Anteile interessiert, ist noch nicht bekannt.