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Wasser
kommt aus der Leitung - und die ist in neun von zehn Städten
und Gemeinden in öffentlicher Hand. Doch die Privatisierungswelle
hat längst die kommunale Wasserversorgung erfasst. In Zeiten
knapper Kassen wittern klamme Kommunen hier das große Geld.
Ein Trugschluss, meint Alexis Passadakis. Wir haben mit dem Experten
für Trinkwasser-Privatisierung gesprochen.
Was hat die Privatisierung von Trinkwasser in Deutschland und
Europa bisher gebracht?
Passadakis: Es gibt da einen Trend: Dort, wo privatisiert wurde, steigen
die Preise.
Das hat damit zu tun, dass private Unternehmen
natürlich profitorientiert arbeiten und ihren Aktionären
gegenüber Rendite erzielen müssen. Das führt zu
einem Preistreiben. In Berlin zum Beispiel durften die Preise nach
einer Teilprivatisierung erstmal nicht steigen. Danach begann aber
der Preisanstieg rapide. Die Situation ist überall ähnlich.
Mir ist keine Privatisierung beim Trinkwasser bekannt, weder in
Deutschland noch international, bei der die Preise gesunken wären.
Darf das Allgemeingut Wasser ohne weiteres privatisiert werden,
oder gibt es da ethische Grenzen?
Passadakis: Wasser ist eine öffentliche Dienstleistung, an
die man besondere wirtschaftliche, soziale und demokratische Ansprüche
stellen muss. Bei einer Privatisierung werden sie unter dem Renditezwang
massiv zurückgedrängt. Harry Roels, der Vorstandsvorsitzende
des größten deutschen Wasserunternehmens RWE, erwartet
nach eigenen Angaben zwölf bis 16 Prozent Rendite. So viel
lässt sich im Wasserbereich höchstens dann erzielen,
wenn man spart: beim Personal und beim Umweltschutz. Das haben
wir in Berlin so erlebt. Doch wer gutes, sauberes Wasser haben
will, braucht genügend Leute, die sich drum kümmern.
Sonst läuft es nicht.
Wasser
ist das am besten kontrollierte Lebensmittel. Können
sich hier private Betreiber Pfusch überhaupt leisten?
Passadakis: Das passiert ja nicht von einem Tag auf den anderen, sondern
schleichend.
Eine privatisierte Wasserversorgung gibt es
in Deutschland erst seit rund zehn Jahren. In dieser Zeit musste
ich aber feststellen, dass die Unternehmen die rechtlichen Grenzen
stärker ausreizen. Wenn Unfälle passieren, weisen sie
die Schuld von sich.
Wir leben in einer Marktwirtschaft. Warum sollte beim Trinkwasser
kein Wettbewerb erlaubt sein?
Passadakis: Privatisierung heißt nicht mehr Wettbewerb!
Wenn ich einen Schokoriegel essen will, kann ich mich zwischen
verschiedenen Sorten entscheiden. Im Gegensatz dazu habe ich nur
eine Wasserleitung. Will ich den Anbieter wechseln, muss ich umziehen.
Das Unternehmen hat also in seinem Gebiet das Monopol. Ein Mix, ähnlich
wie im Strommarkt, ist nicht geplant. Das wäre gesundheitlich
auch höchst bedenklich und würde gar nicht funktionieren
- Wasser ist ein sensibles Gut. Außerdem sind die Vertragslaufzeiten
mit 25 bis dreißig Jahren relativ lang, sodass es auch in
der Hinsicht keinen Wettbewerb gibt.
Was sollte die Politik tun, um eine hochwertige und bezahlbare
Wasserversorgung zu garantieren?
Passadakis: Fast alle Parteien sind mittlerweile auf den Liberalisierungszug
aufgesprungen.
Ich bin der Meinung, es wird Zeit, dass man ihn
stoppt. Es gab in Deutschland in den letzten Jahren 24 Volksbegehren
gegen Wasserprivatisierung, die alle von den Gegnern gewonnen wurden.
Die Politik sollte sich also Alternativen zur Öffnung des
Wassermarktes überlegen. Andererseits ist auch das bisherige öffentliche
Modell den veränderten Anforderungen nicht mehr gewachsen.
Da besteht Reformbedarf. Wasserversorgung geht alle an. Warum lässt
man nicht den Vorstand des öffentlichen Versorgers demokratisch
wählen - von allen Bürgern einer Gemeinde? Auch sollten
die Wasserpreise gestaffelt werden. Es darf nicht sein, dass hier
Familien mit Kindern immer stärker zur Kasse gebeten werden,
Großunternehmen dagegen immer weniger.
In
den Kassen von Städten und Gemeinden herrscht Ebbe. Der
Verkauf der Wasserversorgung könnte wieder Geld hineinspülen.
Passadakis: Kurzfristig lässt sich damit sicher Geld verdienen,
langfristig zahlen die Kommunen drauf. Nochmal das Beispiel Berlin:
Da gibt die Stadt den beiden privaten Wasserversorgern eine Renditegarantie
von acht Prozent. Das heißt, wenn die beteiligten Firmen
RWE und Violia beim Wasserverkauf nicht mindestens diesen Gewinn
machen, muss die Stadt für den Rest aufkommen. Man darf auch
nicht vergessen, dass gerade der Wasserbereich die Kassen der Kommunen
immer gefüllt hat, um damit andere Bereiche zu finanzieren.
Nach einer Privatisierung steigen in der Regel die Wasserpreise,
sodass auch noch die Verbraucher geschröpft werden.
An
Wassermangel sterben täglich tausende Menschen, besonders
in Entwicklungsländern. Könnten da nicht Private investieren,
damit wieder Wasser aus dem Hahn läuft?
Passadakis: Die Sache hat einen Haken: In Entwicklungsländern
steigen private Versorger nur in den Städten ins Wassergeschäft
ein. Dort gibt es bereits ein ordentliches Leitungsnetz und ausreichend
gutes Wasser. Probleme bestehen vor allem auf dem Land und in den
Slums der Großstädte. Dort ist die Infrastruktur sehr
marode, deshalb sterben viele Menschen. Aber gerade hier investieren
die Privaten nicht, weil es überhaupt nicht lukrativ für
sie wäre. Das Kapital, das sie in die Länder mitbringen,
fließt nur zu einem ganz geringen Teil in echte Entwicklungshilfe.
Zur Person
Alexis Passadakis (29) hat Politikwissenschaft studiert. Er
arbeitet als Experte für Welthandel und Investitionen bei der Nicht-Regierungsorganisation
WEED (Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung e.V.) in
Berlin.
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