Kassel. Ein
Verkauf der Kasseler Stadtwerke "rechnet sich finanzwirtschaftlich überhaupt
nicht". Zu diesem Schluss kommt Professor Dr. Heinz Josef
Bontrup. Er lehrt Wirtschaftswissenschaften an der Fachhochschule
Gelsenkirchen und hat im Auftrag der Gewerkschaft Ver.di Nordhessen
in einem Gutachten untersucht, ob ein weiterer Verkauf von Anteilen
der Städtische Werke Aktiengesellschaft Vor- oder Nachteile
für die Stadt Kassel bringen würde.
Nach
den Berechnungen des Wirtschaftswissenschaftlers, der sich selbst
bei der Vorstellung des Gutachtens als "neutrale Person" bezeichnete
("Es geht um Objektivität und um nichts anderes"),
gibt es nur Nachteile. Bontrup berechnete den Unternehmenswert
der Stadtwerke mit rund 150 Millionen Euro und setzte diesen mit
einem
erzielbaren Verkaufserlös gleich. Weil ein Viertel der Stadtwerke
bereits dem Energiemulti Vattenfall gehört, würden davon
gerade mal etwa 112 Millionen Euro in der Stadtkasse landen. Angesichts
von über einer Milliarde Schulden der Stadt sei der Verkaufserlös
zur Schuldentilgung nur ein Tropfen auf den heißen Stein. "Die
Stadt", so Bontrup, "hat dann immer noch 900 Millionen
Euro Schulden."
Mit
einem Verkauf würde die Stadt zudem auf künftige Gewinne
der Stadtwerke verzichten. Die sind laut Gutachter auch zukünftig
in Höhe von zwölf Millionen Euro jährlich zu erwarten.
Denn unabhängig von der geplanten Absenkung der Netzentgelte "werden
mit Netzen immer Gewinne gemacht", so Bontrup: "Ein massiver
Gewinneinbruch ist nicht zu befürchten."
Ein
Verkauf hätte darüber hinaus regionalwirtschaftliche
und soziale Folgeschäden, gibt der Hochschullehrer zu bedenken.
Von den rund 900 Arbeitsplätzen bei den Stadtwerken würden
bei einem Komplettverkauf schätzungsweise 330 abgebaut. Durch
einen neuen, privaten Eigentümer würden zudem vermutlich
Investitionen in der Region entfallen. Hinzuzurechnen seien als indirekte
Folge Kaufkraftverluste. Alles in allem würden der Region jährlich
etwa 180 Millionen Euro verloren gehen. Vor diesem Hintergrund sei
es bereits ein Fehler gewesen, 24,9 Prozent der Stadtwerke zu verkaufen.
Dieser Anteil ist inzwischen durch Übernahmen bei Vattenfall
gelandet. Durch die Liberalisierung der Energiemärkte seit 1998,
bei der "die Politik jämmerlich versagt" habe, sei
es zu "irrationalen ökonomischen Handlungen" gekommen. "Aus
Angst vor dem Tod", so Bontrup, "begingen einige Stadtwerke
schon kurz nach 1998 Selbstmord, ließen sich aufkaufen." Dafür
gebe es keinen Grund, weil die Profitabilität in keiner
Weise verloren gehe.
Ver.di,
der Betriebsrat der Stadtwerke und weitere Kritiker des Verkaufs
sehen sich durch das Gutachten bestätigt. Die Stadtwerke dürften
nicht weiter privatisiert werden, weil die Stadt, die Beschäftigten
der Werke und die Region damit zu eindeutigen Verlierern würden.
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