"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

HNA 11.11..2006


Verkauf liegt auf Eis
Keine Mehrheit für Bieterverfahren um
weitere Anteile an der Städtische Werke AG

 

Von Jörg Steinbach

 

Kassel. Am kommenden Montag sollte die Stadtverordnetenversammlung über den ersten Schritt zu einem möglichen Verkauf weiterer Anteile der Kasseler Stadtwerke entscheiden. Doch der Beschlussantrag für ein strukturiertes Bieterverfahren hat es bisher nicht mal in den Magistrat geschafft. Jetzt liegt das heikle Thema erst mal auf Eis, was die Kritiker eines weiteren Verkaufs freut.

Der Magistrat sollte eigentlich schon Ende Oktober über das Papier entscheiden, das jetzt in der Schublade gelandet ist. Dabei drängt die Zeit und die Stadt könnte viel Geld sparen. Die Vattenfall Europe AG will sich zur Hälfte an den Kosten der ersten Verfahrensstufe beteiligen, die 300 000 Euro nicht übersteigen sollen. Doch das gilt nur, wenn das Verfahren bis Jahresende 2006 gestartet wird.

Vattenfall hält eine Minderheitsbeteiligung von 24,9 Prozent an der Städtische Werke AG und möchte diese Beteiligung neu ordnen (siehe Hintergrund). Deshalb haben Oberbürgermeister Bertram Hilgen (SPD) und Stadtkämmerer Dr. Jürgen Barthel (SPD) im Frühjahr einen Verkauf weiterer Anteile ins Gespräch gebracht. Bis zu 74,9 Prozent der Stadtwerke könnten verkauft werden, um einen Beitrag zur Entschuldung der Stadt zu leisten, die mit über einer Milliarde Euro in der Kreide steht. Die Wasserversorgung soll auf jeden Fall in städtischer Hand bleiben.

Genau diese beiden Festsetzungen der SPD sieht die CDU als Zumutung. Mit diesen Eckpunkten habe die SPD das Thema praktisch versenkt, kritisiert CDU--Fraktionschefin Eva Kühne-Hörmann: "So können sie jedes Thema totmachen." Wer es ernst meine mit der Entschuldung, müsse in einem Bieterverfahren zumindest prüfen, ob es für einen Komplettverkauf Interessenten gebe und ob diese bereit seien, deutlich mehr zu zahlen, als die bisher in einem Gutachten errechneten 150 Millionen Euro Unternehmenswert. "Für uns nicht zustimmungsfähig", sagt Kühne-Hörmann über den Antragsentwurf für das Bieterverfahren. Die SPD stehe weiterhin zu dem Verfahren, versichern Oberbürgermeister und Kämmerer. Denn beschlossen werde damit nichts, der Ausstieg sei jederzeit möglich. Aber es kämen endlich mal konkrete Zahlen auf den Tisch, um das Thema abschließend diskutieren und entscheiden zu können.

Doch ohne die CDU wird es schwer, eine Mehrheit für das Bieterverfahren zu finden. Die Rathausfraktion Kasseler Linke.ASG ist strikt gegen einen weiteren Verkauf der Stadtwerke. Auch die Bündnisgrünen tun sich schwer und wollen allenfalls über 49,9 Prozent Anteileverkauf diskutieren. Nur von der FDP kämen sichere Stimmen für das Bieterverfahren.


Kommentar
von Jörg Steinbach
über die Unfähigkeit der Kommunalpolitik

 

Ein Bieterverfahren für einen weiteren Verkauf der Stadtwerke würde endlich Klarheit bringen. Gibt es überhaupt Interessenten? Und was würden sie zahlen? Wenn diese Zahlen auf dem Tisch liegen, kann verlässlich entschieden werden, ob ein Verkauf wirklich einen Batzen Geld zur Entschuldung bringen würde, oder ob es besser ist, die Stadtwerke als kommunales Unternehmen weiterzuführen.

Doch einige Magistratsmitglieder und Stadtverordnete wollen offenbar lieber weiter im Nebel stochern. Statt das offene Verfahren, das keinerlei Vorentscheidung bedeutet, rasch in Gang zu setzen, wird orakelt und auf Wählerstimmen geschielt. Besonders die CDU, die ansonsten Privatisierungen eher aufgeschlossen gegenübersteht, legt mit der Blockade eine fragwürdige Kehrtwende hin. Kasseler Kommunalpolitik scheint nicht mal mehr in der Lage, sich auf Sachermittlungen zu verständigen - ein trostloses Bild

ach@hna.de


Stichwort
Strukturiertes Bieterverfahren

 

Das strukturierte Bieterverfahren besteht aus drei Phasen. Im Konzeptwettbewrb werden Bewerber für den Kauf von Stadtwerke-Anteilen und deren Ziele ermittelt. In der anschließenden Vermarktungsphase erhalten ausgesuchte Bewerber Detailinformationen zu den Stadtwerken und machen konkrete Angebote, wie viel sie zahlen wollen. In der abschließenden Verhandlungsphase werden mit ausgewählten Bietern Vertragsverhandlungen geführt und das attraktivste Angebot ausgewählt. Sind Konzepte oder gebotene Summen nicht befriedigend, kann das Verfahren jederzeit abgebrochen werden. (ach)


Hintergrund
Vattenfall will Beteiligung neu ordnen

 

Im Jahr 2000 haben die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) 24,9 Prozent der Städtische Werke AG für rund 56 Millionen Euro gekauft. HEW gehört mittlerweile dem schwedischen Energiemulti Vattenfall. Der Konzern ist vor allem in Ostdeutschland engagiert und will seine Kasseler Beteiligung neu ordnen. Das könnte nach Vorstellungen von Vattenfall durch den Tausch der Kasseler Beteiligung gegen Vermögenswerte, die im Kerngeschäft oder im Osten liegen, geschehen. Vattenfall wäre aber auch an einer Anteilsmehrheit an den Kasseler Stadtwerken interessiert oder an einem Verkauf der Beteiligung, wenn dabei ein möglichst hoher Erlös erzielt wird. Die Städtische Werke AG versorgt rund 96 000 Kunden mit Strom, Wasser, Gas und Fernwärme. 950 Mitarbeiter sind bei den Stadtwerken beschäftigt. (ach)