CÖLBE • In einem Punkt sind sich die Kontrahenten einig:
Das Tal des Roten Wassers ist reich an hervorragendem Wasser aus
dem nahe gelegenen Burgwald. Davon profitieren vor allem die Bürger
aus dem Ortsteil Schönstadt, die noch einen eigenen Tiefbrunnen
haben. Mit 1,39 Euro pro Kubikmeter sind die Wasserpreise in Cölbe
zudem ungewöhnlich niedrig.
Doch
in der nächsten Gemeindevertretersitzung will Cölbe
mit der Mehrheit der Zählgemeinschaft aus CDU, Grünen
und Bürgerliste beschließen, die Wasserversorgung und
ihre Anlagen für Schönstadt und Schwarzenborn an die
neu gegründete Wassergenossenschaft Schönstadt-Schwarzenborn
zu übergeben. Die 7500-Einwohner-Kommune betritt damit Neuland.
Bislang gibt es erst eine Wassergenossenschaft in Hessen - in Großropperhausen
bei Frielendorf (Schwalm-Eder- Kreis).
In
Schönstadt haben sich Cölber Bürger, unter ihnen
Mitglieder von Grünen und Bürgerliste, zusammengeschlossen.
Sie wollen die Anlagen übernehmen, „damit kein Privater
unsere Wasserversorgung regelt", erklärt Vorstandsmitglied
Carola Carius. „Dann is eine Fremdübernahme völlig
ausgeschlossen", ergänzt ihr Kollege Hannes Weber.
Bürgermeister Volker Carle (parteilos) wollte nämlich
eigentlich die Wasserversorgung der Gemeinde vereinheitlichen,
in der fast jeder Ortsteil ein anderes System ver-folgt. Dazu wollte
er gemeinsam mit den Marburger Stadtwerken eine GmbH gründen,
die aber nur 49 Prozent der Anteile halten sollten. Die Genossenschaft
sah darin eine bedrohliche Privatisierung der Wasserversorgung,
obgleich die Marburger Stadtwerke eine hundertprozentige Tochter
von Marburg sind. „Die haben einfach Angst, dass das Tafelsilber
veräußert wird", erklärt Carle.
Umstrittenes Projekt
Freilich
wird die Wasserversorgung nun auch privatisiert, wenngleich in
Form einer Genossenschaft, die zunächst keine Gewinne erwirtschaften
will. Ganz unproblematisch ist dies aus Sicht des Privatisierungsexperten
von Attac Deutschland, Alexis Passadakis, jedoch auch nicht: „Dann
hat eine Handvoll Genossen die Sache in der Hand." Das kritisiert
auch der örtliche Wortführer der Genossenschaftsgegner,
der Schönstädter Ortsvorsteher Karl Müller: „Da
ist das Wohl der Gemeinde gefährdet", sagt der Sozialdemokrat: „Die
durch die Wasserversorgung erwirtschafteten Überschüsse
dürfen nicht in die Taschen privater Kapitalgeber gelenkt
werden."
Mit
Flugblättern versucht er, die Schönstädter
gegen den Plan zu mobilisieren. Sein Hauptargument: Die Wasserversorgung
in Cölbe sei profitabel, die Hochbehälter erst Mitte
der 90er Jahre gebaut und das Schönstädter Leitungsnetz
relativ neu. Keine Gemeinde könne es sich leisten, so einen
Bereich kostenfrei abzugeben. Anhand der Haushaltspläne zeigt
er, dass regelmäßig Überschüsse erwirtschaftet
werden. Selbst nach Einschätzung des Rechnungshofes lägen
die Wassergebühren in Cölbe über den Kosten. Das
sieht Bürgermeister Carle allerdings nicht so. Nach der kaufmännischen
Rechnungsweise sei der Bereich defizitär.
Er
bescheinigt den Genossenschaftern auch durchaus guten Willen: „Das
sind Idealisten, die mit viel ehrenamtlichem Engagement versuchen
wollen, die Wasserversorgung kostengünstig zu betreiben",
so Carle.
Tatsächlich wollen die Genossenschafter billiger als die
Gemeinde sein, um mehr investieren zu können. So sollen eine
Leitung von Schwarzenborn nach Schönstadt gelegt und ein zweiter
Brunnen angeschlossen werden. Die Bürger in Schönstadt,
die noch einen eigenen Tiefbrunnen haben, bekommen ihr Wasser aus
dem nahe gelegenen Burgwald. Nach dem vorläufigen Konzept
sollen mindestens 200 Anteile à 200 Euro von den Bürgern
gezeichnet werden. Jeder Anteilseigner soll aber nur eine Stimme
haben. Dividenden in Form von günstigerem Wasser soll es frühestens
nach Jahren geben.
Eine
erste Grundsatzentscheidung wird nun in der Gemeindevertretersitzung
am 16. Februar fallen. Sollte der Beschluss
durchkommen, will Müller
ein Bürgerbegehren anstrengen. „Wir leisten Widerstand",
sagt der Ortsvorsteher.