"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

FR, 20.9..2006


Wasserwerk in Bürgerhand

Genossenschaft im Kreis Marburg-Biedenkopf gegründet

 

 

Die Wassergenossenschaft von Schönstadt und Schwarzenborn (Kreis Marburg- Biedenkopf) ist jetzt offiziell gegründet worden. 315 Bürger haben bereits mehr als 350 Anteile von je 200 Euro gezeichnet.

Schönstadt - "Wir hoffen, dass wir das Wasser zum 1. Januar 2007 übernehmen können", sagte Hannes Weber vom Vorstand der Genossenschaft. Er freute sich, dass schon während der Gründungsversammlung so viele Bürger Anteile zeichneten. Damit sei ein großer Teil der Haushalte beider Dörfer abgedeckt. Als erstes Projekt für 2007 hat sich die Wassergenossenschaft vorgenommen, einen zweiten Tiefbrunnen an das Netzanzuschließen, um die Versorgung zu verbessern.

Die im Grundsatz bereits von der Gemeinde Cölbe beschlossene Übergabe der Wasserversorgung an die Genossenschaft war in der Kommune sehr umstritten. Scharfe Proteste gab es und Privatleute strengten einen Bürgerentscheid an, um zu erreichen, dass die Wasserversorgung in Kommunen-Hand bleibt. Die Initiative scheiterte jedoch im Juli. Bislang gibt es in ganz Hessen nur eine Wassergenossenschaft. In Großropperhausen im Schwalm-Eder-Kreis wurde der Verbund schon vor 51 Jahren bei der Einführung der zentralen Wasserversorgung gegründet. gec


FR, 20.9..2006

Bürger wollen Wasserversorgung selbst regeln
Die geplante Übergabe an eine Genossenschaft spaltet den Cölber Stadtteil Schönstadt
Erste Grundsatzentscheidung soll am 16. Februar fallen
Eine Wassergenossenschaft soll sich in Zukunft um die Versorgung der Ortsteile Schönstadt und
Schwarzenborn kümmern. Das treibt die Dörfer auseinander; der Ortsvorsteher protestiert gegen
das Vorhaben.
GESA COORDES
 
CÖLBE • In einem Punkt sind sich die Kontrahenten einig: Das Tal des Roten Wassers ist reich an hervorragendem Wasser aus dem nahe gelegenen Burgwald. Davon profitieren vor allem die Bürger aus dem Ortsteil Schönstadt, die noch einen eigenen Tiefbrunnen haben. Mit 1,39 Euro pro Kubikmeter sind die Wasserpreise in Cölbe zudem ungewöhnlich niedrig.

Doch in der nächsten Gemeindevertretersitzung will Cölbe mit der Mehrheit der Zählgemeinschaft aus CDU, Grünen und Bürgerliste beschließen, die Wasserversorgung und ihre Anlagen für Schönstadt und Schwarzenborn an die neu gegründete Wassergenossenschaft Schönstadt-Schwarzenborn zu übergeben. Die 7500-Einwohner-Kommune betritt damit Neuland. Bislang gibt es erst eine Wassergenossenschaft in Hessen - in Großropperhausen bei Frielendorf (Schwalm-Eder- Kreis).

In Schönstadt haben sich Cölber Bürger, unter ihnen Mitglieder von Grünen und Bürgerliste, zusammengeschlossen. Sie wollen die Anlagen übernehmen, „damit kein Privater unsere Wasserversorgung regelt", erklärt Vorstandsmitglied Carola Carius. „Dann is eine Fremdübernahme völlig ausgeschlossen", ergänzt ihr Kollege Hannes Weber.

Bürgermeister Volker Carle (parteilos) wollte nämlich eigentlich die Wasserversorgung der Gemeinde vereinheitlichen, in der fast jeder Ortsteil ein anderes System ver-folgt. Dazu wollte er gemeinsam mit den Marburger Stadtwerken eine GmbH gründen, die aber nur 49 Prozent der Anteile halten sollten. Die Genossenschaft sah darin eine bedrohliche Privatisierung der Wasserversorgung, obgleich die Marburger Stadtwerke eine hundertprozentige Tochter von Marburg sind. „Die haben einfach Angst, dass das Tafelsilber veräußert wird", erklärt Carle.

Umstrittenes Projekt

Freilich wird die Wasserversorgung nun auch privatisiert, wenngleich in Form einer Genossenschaft, die zunächst keine Gewinne erwirtschaften will. Ganz unproblematisch ist dies aus Sicht des Privatisierungsexperten von Attac Deutschland, Alexis Passadakis, jedoch auch nicht: „Dann hat eine Handvoll Genossen die Sache in der Hand." Das kritisiert auch der örtliche Wortführer der Genossenschaftsgegner, der Schönstädter Ortsvorsteher Karl Müller: „Da ist das Wohl der Gemeinde gefährdet", sagt der Sozialdemokrat: „Die durch die Wasserversorgung erwirtschafteten Überschüsse dürfen nicht in die Taschen privater Kapitalgeber gelenkt werden."

Mit Flugblättern versucht er, die Schönstädter gegen den Plan zu mobilisieren. Sein Hauptargument: Die Wasserversorgung in Cölbe sei profitabel, die Hochbehälter erst Mitte der 90er Jahre gebaut und das Schönstädter Leitungsnetz relativ neu. Keine Gemeinde könne es sich leisten, so einen Bereich kostenfrei abzugeben. Anhand der Haushaltspläne zeigt er, dass regelmäßig Überschüsse erwirtschaftet werden. Selbst nach Einschätzung des Rechnungshofes lägen die Wassergebühren in Cölbe über den Kosten. Das sieht Bürgermeister Carle allerdings nicht so. Nach der kaufmännischen Rechnungsweise sei der Bereich defizitär.

Er bescheinigt den Genossenschaftern auch durchaus guten Willen: „Das sind Idealisten, die mit viel ehrenamtlichem Engagement versuchen wollen, die Wasserversorgung kostengünstig zu betreiben", so Carle.

Tatsächlich wollen die Genossenschafter billiger als die Gemeinde sein, um mehr investieren zu können. So sollen eine Leitung von Schwarzenborn nach Schönstadt gelegt und ein zweiter Brunnen angeschlossen werden. Die Bürger in Schönstadt, die noch einen eigenen Tiefbrunnen haben, bekommen ihr Wasser aus dem nahe gelegenen Burgwald. Nach dem vorläufigen Konzept sollen mindestens 200 Anteile à 200 Euro von den Bürgern gezeichnet werden. Jeder Anteilseigner soll aber nur eine Stimme haben. Dividenden in Form von günstigerem Wasser soll es frühestens nach Jahren geben.

Eine erste Grundsatzentscheidung wird nun in der Gemeindevertretersitzung am 16. Februar fallen. Sollte der Beschluss durchkommen, will Müller ein Bürgerbegehren anstrengen. „Wir leisten Widerstand", sagt der Ortsvorsteher.


WASSERGENOSSENSCHAFT

   
  • Wassergenossenschaften gibt es laut Attac nur wenige in Deutschland. In Hessen wäre die Wassergenossenschaft Schönstadt-Schwarzenborn der zweite Verbund dieser Art.

  • Vor 51 Jahren wurde die Wassergenossenschaft in Großropperhausen bei Frielendorf im Schwalm-Eder-Kreis gleich bei Einführung der zentralen Wasserversorgung gegründet. Jeder Einwohner ist Mitglied.

  • Vergleichbar mit dem Schönstädter Projekt ist die Wassergenossenschaft von Ellerhoop bei Hamburg, die 2003 gegründetwurde.

GEC