"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

taz lokal 2.4.2007


Das Berliner Wasser

Die Berliner Wasserbetriebe fordern die Berliner auf, mehr vom kostbaren Nass zu verbrauchen. So sollen die korrosionsanfälligen Rohre einmal richtig durchgespült werden. Umweltschützer halten dieses Argument für vorgeschoben, vermuten wirtschaftliche Motive. Sie plädieren für einen sparsamen Umgang mit der Ressource Wasser. Durch den Klimawandel wird die Region Berlin-Brandenburg, die wasserarm und gewässerreich gleichermaßen ist, ohnehin noch trockener werden. Da muss jeder Tropfen des kostbaren Niederschlags möglichst lange vor Ort bleiben.


Bitte einmal kräftig spülen!

VON KONRAD LITSCHKO

 

Der Berliner ist ein fleißiger Wassersparer. In den vergangenen zwanzig Jahren hat er seinen Wasserverbrauch nahezu halbiert. Toll, Berlin als vorbildlicher Umweltschützer - die Deindustrialisierung macht's möglich. Die Berliner Wasserbetriebe (BWB) und die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) freuen sich darüber allerdings gar nicht: Sie fordern von der hiesigen Bevölkerung, endlich wieder mehr Duschgänge, Gartensprenger-Einsätze und ausgiebiges Autowaschen einzulegen - andernfalls werde das Berliner Kanalisationssystem ruiniert.

Vergleichsweise läppische 115 Liter verbraucht der Hauptstädter heute am Tag. Ein Tiefstand der vergangenen Jahrzehnte. Noch beeindruckender wird's, wenn man einen Blick nur auf den Osten der Stadt wirft: Von ehemals 300 Litern laufen hier heute noch schlappe 90 Liter täglich in den Abfluss - einer der niedrigsten Werte in Deutschland. "Hier in der Region wird so wenig Wasser verbraucht wie sonst nirgends in der BRD", stöhnt Ralf Schüler, Geschäftsführer des DWA Landesverbands Nord-Ost.

Das stelle die Berliner Kanalisationssystem vor ernsthafte Probleme: Das Abwasser laufe nicht mehr zügig genug in die städtischen Klärwerke, Fäkalien blieben so teilweise einfach in den Kanälen hängen. Die Folge: Das Abwasser beginnt zu faulen, es bildet sich Schwefelwasserstoff. Der riecht nicht nur unangenehm nach faulen Eiern, sondern ist auch "extrem aggressiv, frisst sich bis in den Beton rein", erklärt Stephan Natz, Sprecher der Berliner Wasserbetriebe. Manch Kanalrohr, das bisher locker 80 bis 100 Jahre benutzt werden konnte, halte wegen der Korrosion heute nur noch rund zehn Jahre.

Inzwischen müssen die Wasserbetriebe sogar ihre unterirdischen Leitungen künstlich durchspülen, um Korrosionsschäden zu verhindern. Auch "weiche Chemikalien", wie Eisenschlamm, werden dem Abwasser zugeführt, um den beißenden Schwefelwasserstoff an sich zu binden.

Ein Aufwand, der erheblich kostet: eine Summe im einstelligen Millionenbereich gehe allein für die Durchspülungen drauf, schätzt BWB-Sprecher Natz. Ein Betrag, den der Verbraucher am Ende mit seiner Rechnung mitbezahlt. "Daher ist Wassersparen eine eindimensionale Logik", so Natz. "Wer hier sparen will, spart nicht wirklich."

Ralf Schüler vom DWA geht sogar noch einen Schritt weiter: "Es ist letztlich im Interesse des Bürgers selbst, auch einmal mehr zu duschen." Rund 30 Liter Mehrverbrauch pro Kopf und Tag würden die Kanäle wieder ordentlich durchfluten, schätzen die Experten.

"Das ist ein wirtschaftlich motiviertes Einzelinteresse der Wasserbetriebe", schimpft hingegen Carmen Schultze, Sprecherin des Berliner Landesverbandes des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschlands (BUND). Mehr Wasser zu verbrauchen sei eine "Milchmädchenrechnung", denn natürlich müsse der Verbraucher dafür tiefer ins Portmonee greifen. Auch sei umweltpolitisch ein Aufruf zur Wasserverschwendung kontraproduktiv nach den jahrelangen Kampagnen zum bewussten Umgang mit der Ressource. Und: Wasser sei in der Region keineswegs langfristig unendlich verfügbar. Da die Bevölkerung nicht weiter wachsen werde, bleibe als Lösung nur die Verkleinerung des Wassernetzes, so BUND-Sprecherin Schultze.
Einen kurzfristigen flächendeckenden Austausch des Kanalnetzes hält Stephan Natz von den Wasserbetrieben für "völlig unmöglich". Komme es aber heute zu Sanierungsarbeiten, würde man bereits Rohre verkleinern. Mit dem Anschluss aller Berliner Haushalte ans Kanalisationsnetz 2009 werde man anschließend die jährlichen Investitionsmittel für Infrastruktur von 30 Millionen Euro auch zu Umbaumaßnahmen nutzen.

Ebendiese Investitionen hätten längst getätigt werden können, würden sich die Wasserbetriebe nur in kommunaler Hand befinden, kritisiert Heidi Kosche, Wasserexpertin bei den Berliner Grünen. Stattdessen würden durch einen erhöhten Wasserverbrauch vor allem die Kleinhaushalte die Kosten tragen. Kosche: "Ich finde es generell unmoralisch, mit Wasser Geld zu verdienen."

Die Wasserbetriebe bleiben dennoch stur. Große Gewinne ließen sich mit dem Aufruf nicht machen, es gehe nur um die Senkung der enormen Instandhaltungskosten für die Rohrsysteme. Sprecher Natz: "Ich kann die Sahelzone auch nicht dadurch grün machen, dass ich in Berlin Wasser spare."


 


Interview

"Die Ressource Wasser ist nicht unbegrenzt"

Der Wasserwissenschaftler Matthias Barjenbruch hält Rohrspülungen
für die beste Lösung zum Korrosionsschutz

 

taz:
Herr Barjenbruch, die Berliner Wasserbetriebe appellieren an die Berliner, mehr Wasser zu verbrauchen zum Wohle der Kanalisationssysteme - ein ernst gemeinter Appell?

Matthias Barjenbruch:
Wie ernst das gemeint ist, da bin ich mir nicht sicher. Ich jedenfalls könnte das so pauschal nicht vertreten. Ganz grundsätzlich wäre ein erhöhter Wasserverbrauch aber ein möglicher Ansatz. Der Wasserverbrauch in Berlin und im Nordosten Deutschlands ist drastisch zurückgegangen. Ohne die heutigen teuren Durchspülungen der Kanäle würde das zu beträchtlichen Schäden durch Korrosion führen.

Wie viel Wasser müsste denn der einzelne Berliner verbrauchen, um die Durchspülungen überflüssig zu machen?

Das lässt sich so allgemein nicht sagen und hinge sicherlich auch immer vom jeweiligen Kanalabschnitt ab. Zum heutigen Verbrauch müsste das aber eine ganze Ecke mehr sein. Und da liegt ja auch die Kehrseite: Die Ressource Wasser ist nicht wirklich unbegrenzt.

Aber gilt Berlin nicht als ausgesprochen wasserreiche Region?

Eben nicht. Wenn man den Klimaprognosen glaubt, wird Berlin in Zukunft eine sehr wasserarme Gegend. Schon heute gelten Berlin und Brandenburg als Wassermangelregionen. Zudem bekommt die Spree deutlich weniger Wasser, da damit die stillgelegten Tagebaulöcher in der Lausitz aufgefüllt werden.

Also doch Wasser sparen. Aber was ist die Lösung für die verschlammte Kanalisation?

Da gibt es keine Pauschallösung. Momentan sind die künstlich eingeleiteten Durchspülungen und der Einsatz von weichen Chemikalien, wie konzentriertem Sauerstoff, tatsächlich das probateste Mittel.

Und wenn man die Kanalisationssysteme verkleinert?

Das wäre die letzte und ungünstigste Lösung. Das beträfe aber weniger Berlin, sondern vor allem Städte im Nordosten Deutschlands, die gerade einen Bevölkerungsschwund erleben. Diese Regionen träfe ein Umbau der Kanalisation dann doppelt: Erstens würde das richtig teuer werden, und zweitens müssten dann diejenigen Verbraucher dafür aufkommen, die am Ende des demografischen Abstiegs noch in der Stadt wären.

Was schlägt die Wissenschaft zur Lösung des Problems vor?

Auch wir haben leider noch keine weiteren Erkenntnisse. Im Moment arbeiten wir an der TU aber mit Pariser Universitäten zum Thema der Geruchs- und Korrosionsverminderung zusammen. Die Probleme und Verfahren sind in beiden Städten sehr ähnlich. Am Ende wollen wir Ergebnisse der gemeinsamen Forschungsstudie natürlich auch ganz praktisch in Berlin ausprobieren.


Matthias Barjenbruch, 46 Jahre, ist Professor und Leiter des Fachgebiets Siedlungswasserwirtschaft an der TU Berlin