Der
Berliner ist ein fleißiger Wassersparer. In den vergangenen
zwanzig Jahren hat er seinen Wasserverbrauch nahezu halbiert.
Toll, Berlin als vorbildlicher Umweltschützer - die Deindustrialisierung
macht's möglich. Die Berliner Wasserbetriebe (BWB) und die
Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und
Abfall (DWA) freuen sich darüber allerdings gar nicht: Sie
fordern von der hiesigen Bevölkerung, endlich wieder mehr
Duschgänge, Gartensprenger-Einsätze und ausgiebiges
Autowaschen einzulegen - andernfalls werde das Berliner Kanalisationssystem
ruiniert.
Vergleichsweise
läppische 115 Liter verbraucht der Hauptstädter
heute am Tag. Ein Tiefstand der vergangenen Jahrzehnte. Noch beeindruckender
wird's, wenn man einen Blick nur auf den Osten der Stadt wirft: Von
ehemals 300 Litern laufen hier heute noch schlappe 90 Liter täglich
in den Abfluss - einer der niedrigsten Werte in Deutschland. "Hier
in der Region wird so wenig Wasser verbraucht wie sonst nirgends
in der BRD", stöhnt Ralf Schüler, Geschäftsführer
des DWA Landesverbands Nord-Ost.
Das
stelle die Berliner Kanalisationssystem vor ernsthafte Probleme:
Das Abwasser laufe nicht mehr zügig genug in die städtischen
Klärwerke, Fäkalien blieben so teilweise einfach in den
Kanälen hängen. Die Folge: Das Abwasser beginnt zu faulen,
es bildet sich Schwefelwasserstoff. Der riecht nicht nur unangenehm
nach faulen Eiern, sondern ist auch "extrem aggressiv, frisst
sich bis in den Beton rein", erklärt Stephan Natz,
Sprecher der Berliner Wasserbetriebe. Manch Kanalrohr, das bisher
locker 80
bis 100 Jahre benutzt werden konnte, halte wegen der Korrosion
heute nur noch rund zehn Jahre.
Inzwischen
müssen die Wasserbetriebe sogar ihre unterirdischen
Leitungen künstlich durchspülen, um Korrosionsschäden
zu verhindern. Auch "weiche Chemikalien", wie Eisenschlamm,
werden dem Abwasser zugeführt, um den beißenden
Schwefelwasserstoff an sich zu binden.
Ein
Aufwand, der erheblich kostet: eine Summe im einstelligen Millionenbereich
gehe allein für die Durchspülungen drauf, schätzt
BWB-Sprecher Natz. Ein Betrag, den der Verbraucher am Ende mit seiner
Rechnung mitbezahlt. "Daher ist Wassersparen eine eindimensionale
Logik", so Natz. "Wer hier sparen will, spart nicht wirklich."
Ralf
Schüler vom DWA geht sogar noch einen Schritt weiter: "Es
ist letztlich im Interesse des Bürgers selbst, auch einmal mehr
zu duschen." Rund 30 Liter Mehrverbrauch pro Kopf und Tag würden
die Kanäle wieder ordentlich durchfluten, schätzen die
Experten.
"Das
ist ein wirtschaftlich motiviertes Einzelinteresse der Wasserbetriebe",
schimpft hingegen Carmen Schultze, Sprecherin des Berliner Landesverbandes
des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschlands (BUND). Mehr
Wasser zu verbrauchen sei eine "Milchmädchenrechnung",
denn natürlich müsse der Verbraucher dafür tiefer
ins Portmonee greifen. Auch sei umweltpolitisch ein Aufruf zur Wasserverschwendung
kontraproduktiv nach den jahrelangen Kampagnen zum bewussten Umgang
mit der Ressource. Und: Wasser sei in der Region keineswegs langfristig
unendlich verfügbar. Da die Bevölkerung nicht weiter wachsen
werde, bleibe als Lösung nur die Verkleinerung des Wassernetzes,
so BUND-Sprecherin Schultze.
Einen kurzfristigen flächendeckenden Austausch des Kanalnetzes
hält Stephan Natz von den Wasserbetrieben für "völlig
unmöglich". Komme es aber heute zu Sanierungsarbeiten,
würde man bereits Rohre verkleinern. Mit dem Anschluss aller
Berliner Haushalte ans Kanalisationsnetz 2009 werde man anschließend
die jährlichen Investitionsmittel für Infrastruktur von
30 Millionen Euro auch zu Umbaumaßnahmen nutzen.
Ebendiese
Investitionen hätten längst getätigt werden
können, würden sich die Wasserbetriebe nur in kommunaler
Hand befinden, kritisiert Heidi Kosche, Wasserexpertin bei den Berliner
Grünen. Stattdessen würden durch einen erhöhten Wasserverbrauch
vor allem die Kleinhaushalte die Kosten tragen. Kosche: "Ich
finde es generell unmoralisch, mit Wasser Geld zu verdienen."
Die
Wasserbetriebe bleiben dennoch stur. Große Gewinne ließen
sich mit dem Aufruf nicht machen, es gehe nur um die Senkung der
enormen Instandhaltungskosten für die Rohrsysteme. Sprecher
Natz: "Ich kann die Sahelzone auch nicht dadurch grün machen,
dass ich in Berlin Wasser spare."
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