"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

HNA 9.8.2007


"Wer steht in dieser Frage wo?"

Kassels OB Hilgen im Interview zu einem möglichen Verkauf der Städtischen Werke

 

KASSEL. Es ist gegenwärtig das brisanteste politische Thema in Kassel: der mögliche Verkauf weiterer Anteile an den Städtischen Werken. Oberbürgermeister Bertram Hilgen und der für die kommunalen Unternehmen zuständige Kämmerer Dr. Jürgen Barthel (beide SPD) haben vor Monaten ein Bieterverfahren angeregt. Über den Plan sprachen wir mit dem Oberbürgermeister.

 

 

 

 

 

 

 

Herr Hilgen, was wollen Sie mit dem Bieterverfahren erreichen?

Bertram Hilgen:

Wir müssen uns die Ausgangssituation ansehen. Der Energiemarkt in Deutschland steht vor tief greifenden Veränderungen. Diese betreffen gleichermaßen die Bereiche Strom und Gas. Die Märkte werden europaweit geöffnet. Und dann ist da die Regulierung, sprich Senkung der Netzentgelte. Diese machen einen erheblichen Teil der Erlöse aus, die die Städtischen Werke erzielen. Kurzum: Es stehen beträchtliche Veränderungen an, die wir nicht ignorieren können. Und deshalb müssen wir real prüfen, ob die Städtischen Werke mit einem starken Partner die Herausforderungen bessern meistern können als alleine.

Der Energiekonzern Vattenfall, dem 24,9 Prozent der Anteile an den Werken gehören, will aber auch seine Beteiligungen neu ordnen.

Hilgen:

Richtig. Und das ist der zweite Grund, warum wir ein Bieterverfahren brauchen. Kassel gehört nicht zum originären Kernmarkt von Vattenfall. Es gibt aus der Sicht von Vattenfall mehrere Optionen: den Verkauf der Kasseler Anteile, deren Aufstockung und die Übernahme der Mehrheit oder den Tausch der Anteile gegen eine andere Beteiligung.

Welche Fragen sollen durch ein Bieterverfahren beantwortet werden?

Hilgen:

Es geht im Wesentlichen um drei Fragen. Wir fordern Auskunft über die Strategie und das Konzept eines potenziellen Partners. Wie wollen zweitens, und dieser Punkt ist ganz wichtig, wissen, was aus den Arbeitsplätzen wird. Und drittens wollen wir Aufschluss darüber bekommen, welchen Preis die Stadt durch den Verkauf weiterer Anteile erzielen könnte. Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir einen starken kommunalen Partner gewinnen würden. Sollte es dazu kommen, dass ein Unternehmen die Mehrheit übernimmt, wäre übrigens der Bereich Wasser nicht betroffen.

Wer würde die Wasserversorgung übernehmen?

Hilgen:

Sie bliebe bei der Stadt. Wasser ist ein Lebensmittel.

Über das Bieterverfahren wird schon seit Monaten diskutiert. Eine Vorlage des Magistrats für die Stadtverordneten fehlt bislang allerdings. Wann stellen Sie Ihren Plan zur Abstimmung?

Hilgen:

Das Thema kommt bei der ersten Sitzung der Stadtverordneten nach der Sommerpause am 3. September auf die Tagesordnung. Und zwar nicht als Vorlage des Magistrats, sondern als persönliche Vorlage des Oberbürgermeisters, die ich dem Büro der Stadtverordnetenversammlung noch in dieser Woche zuleiten werde.

Was steht in der Vorlage?

Hilgen:

Es geht darum, grünes Licht für das Bieterverfahren zu bekommen. Wir haben dazu einen Vertrag mit Vattenfall entworfen. Wohlgemerkt: Es geht nicht um die Entscheidung über den Verkauf weiterer Anteile, sondern darum zu prüfen, ob und unter welchen Bedingungen es sinnvoll ist, einen Partner ins Boot zu nehmen.

Die Christdemokraten lehnen das Bieterverfahren ab, Grüne, Linke und Teile der SPD ebenfalls. Nach dem gegenwärtigen Stand der Debatte gibt es keine Mehrheit für Ihren Plan. Warum bringen Sie ihn trotzdem ein?

Hilgen:

Vielleicht führt die Debatte bei CDU und Grünen ja noch zu einem Umdenken. Die Hoffnung gebe ich jedenfalls nicht auf, auch wenn ich die Chancen für gering halte. Ich will, dass die Stadtverordneten in einer öffentlichen Sitzung über das Thema diskutieren und abstimmen. Die Bürger haben einen Anspruch darauf zu erfahren: Wer steht in dieser Frage wo? Es geht darum, politisch und wirtschaftlich Verantwortung zu übernehmen, indem man eine Prüfung zulässt und damit die seriöse Grundlage für eine spätere Entscheidung schafft. Meine Partei, die SPD, ist bereit, diesen Weg zu gehen.

Gibt es noch weitere Gespräche mit den Gegnern eines Bieterverfahrens?

Hilgen:

Stadtkämmerer Barthel und ich sind offen für weitere Gespräche. Wir sind jederzeit bereit, über das Verfahren zu informieren. Das Angebot hat bislang leider keine Früchte getragen. Ich appelliere an dieser Stelle noch einmal an CDU und Grüne, sich ihrer Verantwortung für die Stadt bewusst zu werden. Findet mein Antrag in der Stadtverordnetenversammlung wegen der Verweigerungshaltung von CDU und Grünen keine Mehrheit, tragen die beiden Parteien dann auch die Verantwortung, wenn die Städtischen Werke in den nächsten Jahren in Schwierigkeiten kommen sollten. Und über ein Konzept zur Entschuldung der Stadt, das die CDU-Fraktion in den letzten Haushaltsberatungen gefordert hat, braucht man mit ihr dann auch nicht mehr ernsthaft zu sprechen.

Das Bieterverfahren wäre ein geordnetes Verfahren, um zu ermitteln, welchen Erlös man durch einen Verkauf weiterer Anteile an den Werken erzielen könnte. Liegen Ihnen unabhängig davon Erkenntnisse zu möglichen Erlösen vor?

Hilgen:

Nein. Es gibt lediglich Anfragen, wie es um das Verfahren steht.

Die Beschäftigten der Städtischen Werke sind wegen der Verkaufsdebatte verunsichert. Was sagen Sie ihnen?

Hilgen:

Wenn bei den Städtischen Werken alles bliebe, wie es ist, und der Erlös würde sinken, müsste auch ohne einen Partner gehandelt werden. Ein Wegbrechen der Gewinne, die wir zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs einsetzen, kann die Stadt nicht durch zusätzliche finanzielle Leistungen ausgleichen.

 

Interview: Peter Ketteritzsch