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Herr
Hilgen, was wollen Sie mit dem Bieterverfahren erreichen?
Bertram
Hilgen:
Wir
müssen uns die Ausgangssituation ansehen. Der Energiemarkt
in Deutschland steht vor tief greifenden Veränderungen.
Diese betreffen gleichermaßen die Bereiche Strom und
Gas. Die Märkte werden europaweit geöffnet. Und
dann ist da die Regulierung, sprich Senkung der Netzentgelte.
Diese machen einen erheblichen Teil der Erlöse aus,
die die Städtischen Werke erzielen. Kurzum: Es stehen
beträchtliche Veränderungen an, die wir nicht ignorieren
können. Und deshalb müssen wir real prüfen,
ob die Städtischen Werke mit einem starken Partner die
Herausforderungen bessern meistern können als alleine.
Der
Energiekonzern Vattenfall, dem 24,9 Prozent der Anteile an
den Werken gehören, will aber auch seine Beteiligungen
neu ordnen.
Hilgen:
Richtig.
Und das ist der zweite Grund, warum wir ein Bieterverfahren
brauchen. Kassel gehört nicht zum originären Kernmarkt
von Vattenfall. Es gibt aus der Sicht von Vattenfall mehrere
Optionen: den Verkauf der Kasseler Anteile, deren Aufstockung
und die Übernahme der Mehrheit oder den Tausch der Anteile
gegen eine andere Beteiligung.
Welche
Fragen sollen durch ein Bieterverfahren beantwortet werden?
Hilgen:
Es
geht im Wesentlichen um drei Fragen. Wir fordern Auskunft über
die Strategie und das Konzept eines potenziellen Partners.
Wie wollen zweitens, und dieser Punkt ist ganz wichtig, wissen,
was aus den Arbeitsplätzen wird. Und drittens wollen
wir Aufschluss darüber bekommen, welchen Preis die Stadt
durch den Verkauf weiterer Anteile erzielen könnte.
Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir einen
starken kommunalen Partner gewinnen würden. Sollte es
dazu kommen, dass ein Unternehmen die Mehrheit übernimmt,
wäre übrigens der Bereich Wasser nicht betroffen.
Wer
würde die Wasserversorgung übernehmen?
Hilgen:
Sie
bliebe bei der Stadt. Wasser ist ein Lebensmittel.
Über
das Bieterverfahren wird schon seit Monaten diskutiert. Eine
Vorlage des Magistrats für die Stadtverordneten fehlt
bislang allerdings. Wann stellen Sie Ihren Plan zur Abstimmung?
Hilgen:
Das
Thema kommt bei der ersten Sitzung der Stadtverordneten nach
der Sommerpause am 3. September auf die Tagesordnung. Und
zwar nicht als Vorlage des Magistrats, sondern als persönliche
Vorlage des Oberbürgermeisters, die ich dem Büro
der Stadtverordnetenversammlung noch in dieser Woche zuleiten
werde.
Was
steht in der Vorlage?
Hilgen:
Es
geht darum, grünes Licht für das Bieterverfahren
zu bekommen. Wir haben dazu einen Vertrag mit Vattenfall
entworfen. Wohlgemerkt: Es geht nicht um die Entscheidung über
den Verkauf weiterer Anteile, sondern darum zu prüfen,
ob und unter welchen Bedingungen es sinnvoll ist, einen Partner
ins Boot zu nehmen.
Die
Christdemokraten lehnen das Bieterverfahren ab, Grüne,
Linke und Teile der SPD ebenfalls. Nach dem gegenwärtigen
Stand der Debatte gibt es keine Mehrheit für Ihren Plan.
Warum bringen Sie ihn trotzdem ein?
Hilgen:
Vielleicht
führt die Debatte bei CDU und Grünen ja noch zu
einem Umdenken. Die Hoffnung gebe ich jedenfalls nicht auf,
auch wenn ich die Chancen für gering halte. Ich will,
dass die Stadtverordneten in einer öffentlichen Sitzung über
das Thema diskutieren und abstimmen. Die Bürger haben
einen Anspruch darauf zu erfahren: Wer steht in dieser Frage
wo? Es geht darum, politisch und wirtschaftlich Verantwortung
zu übernehmen, indem man eine Prüfung zulässt
und damit die seriöse Grundlage für eine spätere
Entscheidung schafft. Meine Partei, die SPD, ist bereit,
diesen Weg zu gehen.
Gibt
es noch weitere Gespräche mit den Gegnern eines Bieterverfahrens?
Hilgen:
Stadtkämmerer
Barthel und ich sind offen für weitere Gespräche.
Wir sind jederzeit bereit, über das Verfahren zu informieren.
Das Angebot hat bislang leider keine Früchte getragen.
Ich appelliere an dieser Stelle noch einmal an CDU und Grüne,
sich ihrer Verantwortung für die Stadt bewusst zu werden.
Findet mein Antrag in der Stadtverordnetenversammlung wegen
der Verweigerungshaltung von CDU und Grünen keine Mehrheit,
tragen die beiden Parteien dann auch die Verantwortung, wenn
die Städtischen Werke in den nächsten Jahren in
Schwierigkeiten kommen sollten. Und über ein Konzept
zur Entschuldung der Stadt, das die CDU-Fraktion in den letzten
Haushaltsberatungen gefordert hat, braucht man mit ihr dann
auch nicht mehr ernsthaft zu sprechen.
Das
Bieterverfahren wäre ein geordnetes Verfahren, um zu
ermitteln, welchen Erlös man durch einen Verkauf weiterer
Anteile an den Werken erzielen könnte. Liegen Ihnen
unabhängig davon Erkenntnisse zu möglichen Erlösen
vor?
Hilgen:
Nein.
Es gibt lediglich Anfragen, wie es um das Verfahren steht.
Die
Beschäftigten der Städtischen Werke sind wegen
der Verkaufsdebatte verunsichert. Was sagen Sie ihnen?
Hilgen:
Wenn
bei den Städtischen Werken alles bliebe, wie es ist,
und der Erlös würde sinken, müsste auch ohne
einen Partner gehandelt werden. Ein Wegbrechen der Gewinne,
die wir zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs
einsetzen, kann die Stadt nicht durch zusätzliche finanzielle
Leistungen ausgleichen.
Interview: Peter Ketteritzsch |