"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

taz 30.8.2007


Viele Privatisierungen sind
für den Staat ein schlechtes Geschäft

Umstrittene Privatisierungen

 

 

 

 

 

 

 

FRANKFURT/M. ap. Jede dritte deutsche Großstadt plant in den kommenden drei Jahren Privatisierungen. Aber jede zehnte will diese auch wieder zurückdrehen. Das zeigt eine am Mittwoch vorgestellte Studie der Beratungsgesellschaft Ernst & Young, die auf einer repräsentativen Befragung von 300 deutschen Städten beruht. Jede sechste der befragten Kommunen hat demnach vor, demnächst Privatisierungen durchzuführen, also beispielsweise kommunales Vermögen oder kommunale Unternehmen an Firmen zu verkaufen oder Aufgaben, die vorher von staatlichen Einrichtungen erfüllt wurden, auf private Unternehmen zu übertragen. Besonders aktiv sind Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern, von ihnen will fast jede dritte Privatisierungen vornehmen. Kleinere Kommunen kommen dagegen seltener mit Investoren ins Geschäft, weil sie weniger attraktive Vermögensgegenstände anzubieten haben. 41 Prozent der privatisierungswilligen Kommunen haben vor, Immobilien oder Wohnungsbaugesellschaften zu veräußern. Daneben spielt die Abwasserentsorgung eine wichtige Rolle: 16 Prozent der Kommunen mit Privatisierungsabsichten geben an, hier aktiv werden zu wollen. Bereits 17 Prozent der Kommunen haben ihre Projekte in der Form einer öffentlich-privaten Partnerschaft (PPP) durchgeführt. Für die kommenden drei Jahre planen 16 Prozent PPP.


Kommentar

Lektion aus Londons Untergrund
Von MALTE KREUTZFELDT

 

Wer Privatisierungen propagiert, hat sich in der Vergangenheit mit Vorliebe auf Großbritannien berufen. Mit dem Verkauf der staatlichen Eisenbahn sowie der Elektrizitäts- und Wasserwerke war Maggie Thatcher in den 80er-Jahren Vorreiterin der Idee, dass Privatunternehmen grundsätzlich besser wirtschaften können als öffentliche Träger. Unter dem etwas freundlicher klingenden Titel "Public Private Partnership" setzte auch Tony Blair diesen Kurs fort und übertrug den Betrieb von Krankenhäusern, Bildungs- und Verkehrseinrichtungen an private Unternehmen.
Von England aus wurde diese Idee in die ganze Welt exportiert. Auch in Deutschland trennten sich Bund, Länder und Kommunen von großen Teilen ihres Besitzes, teils durch direkten Verkauf, teils durch öffentlich-private Partnerschaften. Bis heute werben Unternehmensberatungen wie Ernst & Young offensiv für Privatisierungen - die sie dann gegen ordentliche Honorare selbst organisieren.

Auf Großbritannien verweisen sie dabei allerdings nicht mehr so gern, denn dort zeigt sich mittlerweile die Kehrseite der Medaille in aller Deutlichkeit. Gut funktioniert haben Privatisierungen nämlich nur dort, wo Wettbewerb möglich ist - etwa bei Telekommunikation oder Flugverkehr. Überall dort, wo es ein natürliches Monopol gibt, sind sie jedoch grandios gescheitert. Ob beim Trinkwassernetz, der Britischen Bahn oder der Londoner U-Bahn - die privaten Betreiber haben stets Gewinne entnommen, Service reduziert und Investitionen aufgeschoben. Am Ende musste der Staat, wie zuletzt bei der U-Bahn, schließlich doch wieder einspringen, um die unverzichtbare Infrastruktur überhaupt zu erhalten.

Von diesen Erfahrungen berichten die smarten "Berater" weniger gern. Schließlich gibt es in Deutschland noch viel zu privatisieren. Mit der Bahn steht in Deutschland gerade ein besonders dicker Brocken zum Verkauf. Und auch Stadtwerke und andere kommunale Unternehmen sind noch im Angebot. Die Politik sollte genau nach London schauen - schließlich muss man nicht jeden Fehler selbst machen.