"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

FR 26.2.2007


Privatisierung als Documenta-Thema

Kritiker eines Verkaufs der Kasseler Stadtwerke wollen
Weltkunstausstellung als Podium nutzen / SPD uneins

Von Ralf Pasch

 

Während die Kasseler Kommunalpolitiker die einst heiß diskutierte Privatisierung der städtischen Werke auf Eis gelegt haben, formieren sich die Gegner neu: Auf der Kunstausstellung Documenta 12 wollen sie das Thema quasi unter den Augen der Weltöffentlichkeit diskutieren.

Kassel - Aus dem Documenta-Beirat, der mit Bürgern aus der Stadt die Leitfragen der Weltkunstausstellung diskutiert, kommt das Projekt "Die unsichtbare Stadt sichtbar machen". Vor allem Kinder und Jugendliche befassen sich gegenwärtig damit, woher Wasser, Gas oder Strom kommen, aber auch, wem das Versorgungsnetz gehört. Wie die Eigentumsverhältnisse in Zukunft aussehen sollen, darüber wurde Ende vergangenen Jahres gestritten. Die städtischen Werke - so wollen es Kommunalpolitiker und Beamte im Rathaus - sollen weitgehend verkauft werden. Die Stadt soll lediglich einige wenige Anteile behalten.

Wenn Kassel diesen Sommer mit der Documenta ins Blickfeld einer weltweiten Öffentlichkeit rückt, wollen die Gegner der Privatisierung, die am Projekt zur Documenta mitarbeiten, auf ihre Forderungen aufmerksam machen. "Es muss wieder in die Köpfe hinein, dass es unsere städtischen Werke sind und wir sie nicht verkaufen lassen", sagt Veronika Baier, Sprecherin der Bürgerinitiative "Unser Wasser gehört uns". Sie und ihre Mitstreiter überlegen jetzt mit Blick auf den Sommer, "wie wir uns einmischen können".

Seit Dezember 2006 ist das Thema zunächst vom Tisch. Zumindest herrscht nach der hektischen Betriebsamkeit von damals gegenwärtig merkwürdige Stille. Ludwig Vogt, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender der städtischen Werke, erklärt sich das so: "Nächstes Jahr sind Landtagswahlen, da will sich jetzt kein Kommunalpolitiker die Blöße geben." Kämmerer Jürgen Barthel (SPD), der darauf spekuliert, dass die hoch verschuldete Kommune mit einem Verkauf von Anteilen Löcher in der Stadtkasse stopfen könnte, wartet ab. Die Debatte sei zwar nicht erledigt, doch "es gibt keine abschließende Meinungsbildung".
Heute Debatte im Stadtparlament

Am heutigen Montag steht das Thema wieder auf der Tagesordnung der Stadtverordneten. Es werden zwar keine Entscheidungen erwartet, doch SPD-Vorsitzender Bernd Hoppe rechnet mit einer "heftigen Debatte" ums Grundsätzliche. Er und andere in der Partei wollen Anteile verkaufen, ein "offenes" Bieterverfahren einleiten, aber kommunale Interessenten bevorzugen. Doch es gibt auch andere Meinungen. Stadtwerke-Betriebsrat und SPD-Mitglied Vogt fragt sich, welchen Sinn das haben soll: "Auch wenn wir an ein kommunales Unternehmen verkaufen, fließt die Dividende dorthin, und Kassel hat nichts davon."

Die CDU, die für einen Verkauf von Anteilen offen ist, will zunächst wissen, "was dabei für die Stadt herauskommt", sagt die Parteivorsitzende Eva Kühne-Hörmann. Die Grünen haben ihren alten Antrag, die Stadt solle ihre bereits veräußerten Anteile in einer Höhe von rund 25 Prozent zurückkaufen, erneut auf die heutige Tagesordnung gesetzt. Die Linke.WASG, ebenso gegen die Privatisierung, will eine öffentliche Anhörung zum Thema beantragen. Ralf Pasch


Verkaufspläne

Eine Anfrage von Vattenfall Europe hatte im Frühjahr 2006 in Kassel Überlegungen über die Zukunft der Städtischen Werke ausgelöst. Der schwedische Energiekonzern besitzt rund 25 Prozent der Stadtwerke, der Konzern will sie abstoßen oder weitere kaufen. Ein Verkauf von rund 75 Prozent der Anteile ist im Gespräch. Der Magistrat schlug ein "Bieterverfahren" vor, um Käufer zu finden. Vattenfall wollte die Hälfte der 300 000 Euro bezahlen, die das Verfahren kosten sollte, unter der Bedingung, dass es Ende 2006 startet. Als sich abzeichnete, dass es keine politischen Mehrheiten dafür gibt, wurden die Pläne auf Eis gelegt. rap