|
Während
die Kasseler Kommunalpolitiker die einst heiß diskutierte
Privatisierung der städtischen Werke auf Eis gelegt haben,
formieren sich die Gegner neu: Auf der Kunstausstellung Documenta
12 wollen sie das Thema quasi unter den Augen der Weltöffentlichkeit
diskutieren.
Kassel - Aus
dem Documenta-Beirat, der mit Bürgern aus der
Stadt die Leitfragen der Weltkunstausstellung diskutiert, kommt
das Projekt "Die unsichtbare Stadt sichtbar machen".
Vor allem Kinder und Jugendliche befassen sich gegenwärtig
damit, woher Wasser, Gas oder Strom kommen, aber auch, wem das
Versorgungsnetz gehört. Wie die Eigentumsverhältnisse
in Zukunft aussehen sollen, darüber wurde Ende vergangenen
Jahres gestritten. Die städtischen Werke - so wollen es Kommunalpolitiker
und Beamte im Rathaus - sollen weitgehend verkauft werden. Die
Stadt soll lediglich einige wenige Anteile behalten.
Wenn Kassel
diesen Sommer mit der Documenta ins Blickfeld einer weltweiten Öffentlichkeit rückt, wollen die Gegner der
Privatisierung, die am Projekt zur Documenta mitarbeiten, auf ihre
Forderungen aufmerksam machen. "Es muss wieder in die Köpfe
hinein, dass es unsere städtischen Werke sind und wir sie
nicht verkaufen lassen", sagt Veronika Baier, Sprecherin der
Bürgerinitiative "Unser Wasser gehört uns".
Sie und ihre Mitstreiter überlegen jetzt mit Blick auf den
Sommer, "wie wir uns einmischen können".
Seit Dezember
2006 ist das Thema zunächst vom Tisch. Zumindest
herrscht nach der hektischen Betriebsamkeit von damals gegenwärtig
merkwürdige Stille. Ludwig Vogt, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender
der städtischen Werke, erklärt sich das so: "Nächstes
Jahr sind Landtagswahlen, da will sich jetzt kein Kommunalpolitiker
die Blöße geben." Kämmerer Jürgen Barthel
(SPD), der darauf spekuliert, dass die hoch verschuldete Kommune
mit einem Verkauf von Anteilen Löcher in der Stadtkasse stopfen
könnte, wartet ab. Die Debatte sei zwar nicht erledigt, doch "es
gibt keine abschließende Meinungsbildung".
Heute Debatte im Stadtparlament
Am heutigen
Montag steht das Thema wieder auf der Tagesordnung der Stadtverordneten.
Es
werden zwar keine Entscheidungen erwartet,
doch SPD-Vorsitzender Bernd Hoppe rechnet mit einer "heftigen
Debatte" ums Grundsätzliche. Er und andere in der Partei
wollen Anteile verkaufen, ein "offenes" Bieterverfahren
einleiten, aber kommunale Interessenten bevorzugen. Doch es gibt
auch andere Meinungen. Stadtwerke-Betriebsrat und SPD-Mitglied
Vogt fragt sich, welchen Sinn das haben soll: "Auch wenn wir
an ein kommunales Unternehmen verkaufen, fließt die Dividende
dorthin, und Kassel hat nichts davon."
Die CDU, die
für einen Verkauf von Anteilen offen ist, will
zunächst wissen, "was dabei für die Stadt herauskommt",
sagt die Parteivorsitzende Eva Kühne-Hörmann. Die Grünen
haben ihren alten Antrag, die Stadt solle ihre bereits veräußerten
Anteile in einer Höhe von rund 25 Prozent zurückkaufen,
erneut auf die heutige Tagesordnung gesetzt. Die Linke.WASG, ebenso
gegen die Privatisierung, will eine öffentliche Anhörung
zum Thema beantragen. Ralf Pasch
Verkaufspläne
Eine
Anfrage von Vattenfall Europe hatte im Frühjahr 2006
in Kassel Überlegungen über die Zukunft der Städtischen
Werke ausgelöst. Der schwedische Energiekonzern besitzt
rund 25 Prozent der Stadtwerke, der Konzern will sie abstoßen
oder weitere kaufen. Ein Verkauf von rund 75 Prozent der
Anteile ist im Gespräch. Der Magistrat schlug ein "Bieterverfahren" vor,
um Käufer zu finden. Vattenfall wollte die Hälfte
der 300 000 Euro bezahlen, die das Verfahren kosten sollte,
unter der Bedingung, dass es Ende 2006 startet. Als sich
abzeichnete, dass es keine politischen Mehrheiten dafür
gibt, wurden die Pläne auf Eis gelegt. rap
|
|