"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

HNA 23.2.2007


Privatisierung steckt fest

Das Verfahren zum eventuellen Verkauf
von weiteren Anteilen der Stadtwerke ruht


Von Jörg Steinbach

 

KASSEL. Im November 2006 sollten die Weichen gestellt sein für das künftige Verfahren um einen eventuellen weiteren Verkauf der Kasseler Stadtwerke. Doch die politischen Entscheidungen stehen noch immer aus. Das heikle Privatisierungs-Thema ist derzeit scheinbar so tot wie der Kasseler Hauptfriedhof.

Im Rathaus gab es gestern keine Stellungnahme zum Stand des angestrebten Bieterverfahrens, das endlich konkrete Zahlen in die kontroverse Debatte bringen soll. Die beiden großen Fraktionen im Stadtparlament fassen das brisante Thema nur mit ganz spitzen Fingern an. Nachdem die Gegner eines weiteren Verkaufs mobil gemacht haben, Beschäftigte und Gewerkschaften auf drohende Verluste bei Arbeitsplätzen und Aufträgen für Firmen in der Region hinweisen, sind Kommunalpolitiker angesichts des Zorns vieler Bürger und Wähler sehr vorsichtig geworden. Motto: Wer sich zuerst bewegt, ist tot.

"Kein Handlungsbedarf"

Aus der Sicht der SPD-Fraktion gibt es "im Moment keinen Handlungsbedarf", sagt Fraktionschef Uwe Frankenberger. Das Thema Werke-Verkauf sei aber "nicht tot, es schläft nur". Weiterhin kann sich die SPD einen Verkauf bis maximal 74,9 Prozent der Anteile vorstellen, wenn die Wasserversorgung in städtischer Hand bleibt. Für einen möglichen Verkauf liebäugeln die Sozialdemokraten mit der Idee, dass sich kommunale Versorger zusammentun, um in einer starken Gemeinschaft gegen die großen Konzerne bestehen zu können. "Dafür habe ich große Sympathie", so Frankenberger.

Vorsicht auch bei der CDU, die ansonsten gern die Flagge der Privatisierung voranträgt. Man sei nicht zwingend für einen Verkauf, aber offen und könne sich vieles vorstellen, sagt Fraktionschefin Eva Kühne-Hörmann. Die CDU will endlich konkrete Vorschläge des Magistrats und konkrete Zahlen sehen, die man prüfen könne.

Auch die FDP möchte laut Fraktionschef Frank Oberbrunner endlich Fakten sehen, um beurteilen und entscheiden zu können.

Fest geschlossen sind die Reihen der Gegner. Die Fraktion Linke.ASG wird auch in der Stadtverordnetenversammlung am kommenden Montag nicht locker lassen, die bisher geheimen Transaktionen ins Licht der Öffentlichkeit zu bringen. Die Mehrheit des Stadtparlaments will das Thema jedoch weiter hinter verschlossenen Türen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandeln.

Alle bisherigen Erfahrungen mit einer Privatisierung öffentlicher Einrichtungen seien für die betroffenen Bürger negativ, sagt Nuray Yildirim von AUF-Kassel: "Ein Investor will größtmöglichen Profit erzielen."

Auch die Bündnisgrünen im Rathaus sind strikt gegen einen weiteren Verkauf und wollen durchsetzen, dass der Magistrat einen Rückkauf des 24,9-Prozent-Anteils prüft, den der Vattenfall-Konzern hält (siehe Hintergrund). Ein über diese Minderheitsbeteiligung von 24,9 Prozent hinausgehender Verkauf der Stadtwerke wird von den Grünen abgelehnt, so Wolfgang Friedrich.

 


Kommentar

Stochern im Nebel

von Jörg Steinbach

 

Die beiden Sozialdemokraten im hauptamtlichen Magistrat haben im vergangenen Sommer die Lippen gespitzt. Doch Oberbürgermeister und Kämmerer trauen sich bis heute nicht zu pfeifen. Dabei ist und bleibt das strukturierte Bieterverfahren um einen weiteren Werke-Verkauf der einzig richtige Weg, um antworten auf drängende Fragen zu bekommen. gibt es überhaupt Interessenten für die Stadtwerke-Anteile? Was würden sie zahlen? Und welche Zusicherungen für den Erhalt von Arbeitsplätzen geben? Kein Kommunalpolitiker weiß Genaues, und alle stochern gemeinsam im Nebel der Vermutungen, Verdächtigungen und Vorurteile.

Bertram Hilgen und Dr. Jürgen Barthel scheuen eine Entscheidung, weil sie um eine Mehrheit für das Verfahren bangen. Deshalb wird gar nichts mehr getan. Doch mit Schweigen und Abwarten lässt sich das Problem nicht lösen, das Vattenfall mit dem Kasseler Aktienpaket hat. Statt Aufklärung zu leisten und dann eine politische Entscheidung - vielleicht auch gegen einen weiteren Verkauf - zu treffen, rührt sich keine Hand, weil jeder Angst hat, sich die Finger zu verbrennen. Ein lauter Pfiff würde die Kasseler Kommunalpolitik sicher aus der Schockstarre befreien.


Hintergrund

 

Im Jahr 2000 verkaufte die Stadt Kassel 24,9 Prozent der Anteile an der Städtische Werke AG für rund 55 Millionen Euro an die Hamburgische Elektrizitäts-Werke AG (HEW). Durch die Übernahme der HEW landete das Aktienpaket bei Vattenfall. Dem Konzern, der in Ostdeutschland und Hamburg im Geschäft ist, passt die Kasseler Minderheitsbeteiligung nicht mehr so recht ins Konzept. Vattenfall will entweder stärker Einfluss nehmen und zukaufen oder das Aktienpaket (derzeitiger Schätzwert: etwa 60 Millionen Euro) für einen möglichst hohen Preis verkaufen. OB Bertram Hilgen und Stadtkämmerer Dr. Jürgen Barthel (beide SPD) haben daher vorgeschlagen, über einen Verkauf von maximal 74,9 Prozent der Stadtwerke zu diskutieren. Die Wasserversorgung soll dabei ausgenommen werden und in städtischer Hand bleiben. (ach)