Wenn Kanalisationen
auf Verschleiß gefahren würden, würde sich
der Substanzwertverlust in vielen Fällen aber erst in
zwanzig oder dreißig Jahren zeigen. Dr.-Ing. MARTIN WOLF,
der Verfasser der Dissertation, rät deshalb dazu, bei
der Vergabe von Kanalnetzkonzessionen „zusätzlich
zur Definition der technischen Anforderungen an das Kanalnetz,
Regelungen zu Mindest-Investitionsraten bzw. zu Bildung von
Rücklagen zum Ausgleich von ggf. auftretenden Substanzwertverlusten“ in
den Konzessionsvergabevertrag aufzunehmen.
(Die
Dissertation ist als Heft 95 in der Reihe „Mitteilungen
des Instituts für Wasserwesen“ der Uni der Bundeswehr
München, Oldenbourg Industrieverlag, Essen, ISBN 3-8356-3117-9,
erschienen.)
Wenn
Kommunalpolitiker die
Infrastruktur gegen die Wand fahren
Die Aktionsgruppen
und Verbände, die die Privatisierung der kommunalen Wasser-
und Abwasserbetriebe ablehnen, argumentieren vielfach damit,
dass renditeorientierte Wasser- und Abwasserkonzerne die Infrastruktur
der Wasserver- und der Abwasserentsorgung zwecks Profitmaximierung
gegen
die Wand fahren würden. Diese
in die Zukunft gerichtete Befürchtung ist nicht unbegründet,
wenn man sich anschaut, wie in der sonstigen Privatwirtschaft
vielerorts die Anlagen auf Verschleiß betrieben und Unternehmen
von „Heuschrecken“ ausgebeint werden.
In der Gegenwart
müssen wir uns allerdings damit auseinandersetzen, dass
auch in den kommunalen Wasser- und Abwasserbetrieben schon
seit Jahren der Substanzverlust eher die Regel als der Ausnahmefall
ist (siehe die oben er-wähnte Dissertation). Dies liegt
zum einen an der chronischen Finanznot der Kommunen. Dass jetzt
auf Grund steigender Steuereinnahmen der Geldsegen über
die Kommunen hereinbricht, dürfte wohl nur vorübergehender
Natur sein.
Wichtiger
für den grassierenden Substanzverlust ist aber, dass die
Kommunalpolitiker - vom Bürgermeister bis zu den Gemeinderäten
- über Jahre hinweg der Versuchung erlegen sind, die Gebühreneinnahmen
aus der Wasserver- und der Abwasserentsorgung systematisch
zweckzuentfremden. Oder dass man es aus falscher politischer
Rücksichtnahme gegenüber seinem jeweiligen Klientel
nicht gewagt hatte, längst überfällige Gebührenerhöhungen
zu beschließen.
Dass auf
Grund dieser falschen Politik die kommunale Infrastruktur zusehends
verlottert, liefert jetzt den Apologeten der Privatisierung
die Rechtfertigungsgründe für eine Privatisierung
frei Haus. Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungsindustrie
(BDE) hat längst erkannt, wo die offene Flanke der Kommunen
liegt. Mit Genuss streuen die BDE-Funktionäre bei jeder
sich bietenden Gelegenheit Salz in diese Wunde: Nur mit Hilfe
von privatem Kapital ließe sich der galoppierende Substanzverzehr
noch aufhalten, tönt es in den BDE-Publikationen.
Was lernt
man aus diesem Versagen der Kommunalpolitik? Die kommunale
Herrschaft über die Anlagen der Wasserversorgung und der
Abwasserentsorgung ist mitnichten ein Garant für eine
nachhaltige Siedlungswasserwirtschaft. Es bedarf wacher Bürgergruppen,
die Gemeinderäten und Bürgermeistern auf die Finger
schauen. Wenn die Zivilgesellschaft nicht bereit ist, sich
um so dröge Themen wie Wasser- und Kanalrohre zu kümmern,
braucht sich niemand zu wundern, wenn Kommunalpolitiker genau
das betreiben, was man den privaten Wasserkonzernen unterstellt:
Den Substanzverlust zum Prinzip zu erheben.
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ng -
Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF berichtet
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