"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

Wieder mal wird eine Debatte um angeblich schädliches Wassersparen losgetreten
(siehe Artikel März-Mai 2005 und die Leserbriefe dazu). Diesmal ist der Urheber der
Bundesverband der Gas- und Wasserwirtschaft - keineswegs ein Expertengremium,
wie glauben gemacht werden soll, sondern dominiert von Konzernen, die mit ihrem
betriebswirtschaftlichen Tunnelblick ausschließlich die Rendite im Auge haben.

Die Redaktion der Webseite

HNA 4.7.2007


Streitthema Wasserverbrauch


Wasser: Die Anti-Spar-Idee

Bundesverband: Bei zu geringem Wasserverbrauch Schäden an Kanälen und hohe Kosten

Von Andreas Berger

 

 

 

 

 

 

 

Kassel. Die Menschen sollen nicht Wasser sparen, sondern mehr verbrauchen. Das hat vor einiger Zeit nicht nur Hans-Jürgen Leist von der Uni Hannover in unserer Zeitung gefordert. Das ist jetzt auch - zusammengefasst - eine Forderung des Bundesverbandes der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft.

Hintergrund ist ein Problem, das in Kassel und in den Umlandkommunen nur allzu bekannt ist: Die Haushalte sparen mit dem Wasser, dadurch leiden die Kanäle. Sie trocknen aus, müssen gespült und saniert werden. Und das ist teuer. Die fixen Kosten der Wasserversorger, also die für die Infrastruktur, steigen - was sich in den Rechnungen an die Wasserverbraucher niederschlägt.

Wie die Menschen animiert werden können, wieder mehr Wasser zu verbrauchen, sagt der BGW: Die Wassergebühren müssen anders berechnet werden. Der Vorschlag: Jeder Haushalt - ob fünfköpfige Familie oder Singe - muss die gleiche Wasser-Grundgebühr im Jahr bezahlen - für die Infrastruktur und unabhängig vom Verbrauch. Diese Gebühr macht den größten Teil der Wasserrechnung aus. So lohne es sich nicht, überhaupt noch Wasser zu sparen - denn Geld kann kaum noch gespart werden. Mit diesen Grundgebühren müssen die Wasserversorger 80 Prozent der fixen Kosten decken können.

Bisher wird in Kassel und im Umland so abgerechnet: Die Verbraucher bezahlen ihr Wasser pro Kubikmeter - in Kassel 2,14 Euro. 80 Prozent davon sind für die fixen Kosten, also die Infrastruktur - vom Kanal bis zum Wasserzähler. 20 Prozent der 2,14 Euro sind die Kosten des Wassers. So können die Haushalte also über ihren Verbrauch ihre Kosten steuern.

Die Nachteile dieses alten Modells - aus Sicht des BGW:
1. Die Menschen sparen zu viel Wasser, dadurch leide die Infrastruktur, was am Ende die Verbraucher zahlen müssten. 2. Gerade Familien mit Kindern würden benachteilidt, weil sie mehr Wasser berbrauchten als Singles. Nach dem neuen Modell würden die Kosten für Familien sinken, für Singles steigen.


Städtische Werke Kassel lehnen neues Gebührenmodell ab

Pijanka: "Das ist unfair"

 

Kassel. Die Idee eines neuen Gebührenmodells nennt Ingo Pijanka charmant. Er ist Sprecher der Städtischen Werke Kassel. Charmant bedeutet aus seiner Sicht aber nur, dass es gut wäre für die Infrastruktur der Werke, wenn mehr Wasser durch Kassels Kanäle fließen würde. Für ein ganzheitliches Charmant habe das Modell des Bundesverbandes aber zu viele Nachteile.

Der Hauptgrund: "Das ist unfair." Zwar nutzten auch Kleinkunden die Infrastruktur der Städtischen Werke. Doch verbrauche etwa eine alleinstehende Seniorin weniger als eine fünfköpfige Familie. Warum sollte sie also die gleiche Grundgebühr bezahlen wie die Familie? Die Städtischen Werke als kommunales Unternehmen seien der Daseinsvorsorge verpflichtet. Das bedeute, sie hätten auch soziale Verantwortung ihren Kunden gegenüber.

Zweiter Grund: Es sei halt so, dass Deutsche Wasser sparten. Die Menschen könnten doch nicht gezwungen werden, mehr Wasser zu verbrauchen.

Dritter Grund: Wer mehr Wasser verbrauche, verbrauche nicht nur mehr Wasser. Ingo Pijanka nennt ein Beispiel: Wer dusche oder bade, verbrauche dabei auch Energie. Nämlich etwa die, mit der das Wasser aufgewärmt wird. Zwar gebe es in unserer Region genug Wasser. Dennoch dürfe mit dem Gut nicht gedankenlos umgegangen werden.

Vierter Grund: Noch mehr Wasser könne in Kassel kaum gespart werden. Das heißt: Der Trend stagniere allmählich. In den 70er-Jahren sei der Verbrauch stark gesunken. Doch heute seien Geräte, die Wasser verbrauchen, bereits stark optimiert. (abg)


Das sagen die Grünen

 

Die Forderung, mehr Wasser zu verbrauche, kritisieren die Kasseler Grünen. Statt den Wasserverbrauch an die Infrastruktur anzupassen, müssen die Kanäle dem Verbrauch angepasst werden, sagt Karin Müller, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Rathaus. Die Menschen sollten die Chance haben, über ihren Verbaruch die Kosten regeln zu können. Diese Freiheit dürfe ihnen nicht genommen werden.

Müllers Parteikollegin, die Bundestagsabgeordnete Nicole Maisch aus Kassel, sagt: Sauberes Trinkwasser sei in Deutschland keine unbegrenzte Ressource. Damit widerspricht sie dem Bundesverband der Gas- und Wasserwirtschaft. In Berlin etwa könne Wasser künftig knapp werden - durch den Klimawandel, sagt Maisch, Wasser-Expertin in ihrer Fraktion. Mehr Wasser zu verbrauchen bedeute zudem, mehr Abwasser zu produzieren. Und das zu reinigen, sei aufwändig. Ihre Forderung: allmählich die Kanalsysteme dem Bedarf an Wasser anzupassen. (abg.)


BGW-Sprecher: Das Nass geht nicht verloren

 

Kassel. Mit Wasser müsse in Deutschland nicht gespart werden. Das sagt ein Sprecher des Bundesverbandes der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW). Längere Trockenphasen, verursacht durch den Klimawandel, seien bei uns kein Thema. Zudem werde das Wasser, das sich zu Trinkwasse aufbereiten lässt, nicht weniger. Es werde also nicht verbraucht, sondern nur genutzt.

Der Wasserkreislauf: Es fließe in die Kanalisation, von dort in die Kläranlage, von dort in den Fluss und ins Meer. Dann verdunste es und lande bald wieder als Regen auf dem Land.

79 Prozent des Wassers in Deutschland blieben ungenutzt. Drei Prozent würden für Privathaushalte zu Trinkwasser aufbereitet und 18 Prozent für Gewerbe. (abg)


Meinung aus Baunatal

 

Es ist nicht die verkehrteste Überlegung, sagt Jürgen Grimm, Leiter der Baunataler Stadtwerke, zum vorgeschlagenen Gebührenmodell. Aber nur, was den Zustand der Kanäle angehe. Insgesamt müsse vorsichtig mit dem Thema umgegangen werden. Die Botschaft dprfe nicht sein, dass Wasser verschwendet werden dürfe. Ob eine Grundgebühr für Baunatals Haushalte infrage käme, konnte er gestern nicht sagen. Doch wolle er ein solches Modell einmal durchrechnen lassen. (abg.)

Meinung aus Lohfelden

 

Aus wirtschaftlicher Sicht sei das vom Bundesverband vorgeschlagene Modell gut, sagt Stefan Klaußner, stellvertretender kaufmännischer Leiter der Lohfeldener Gemeindewerke. Aber: "Von solchen Pauschalierungen halte ich nichts." Den Verbrauchern dürfe nicht die Freiheit genommen werden, ihre Kosten über den Wasserverbrauch zu regeln. Doch sei das seine Meinung. Ob ein solches Grundgebührenmodell für Lohfelden infrage komme, müssten die politischen Gremien beraten. (abg)


Element in Zahlen
Vom Verbrauch bis zu den Kosten

 

Kassel. Zahlen rund ums Wasser un den Verbrauch:

  • Gespart: In Kassel verbrauchte - laut Statistik - jeder Einwohner 1975 noch 211 Liter Wasser am Tag, das sind 21 Putzeimer voll. Heute sind es 152 Liter, also eine Menge, die in 15 Putzeimer passen würde.
  • Badewannen: Jeder Kasseler verbraucht heute - laut Statistik - im Jahr knapp 55 500 Liter Trinkwasser. Das sind 340 Badewannenfüllungen.
  • Noch mehr Badewannen: In Lohfelden hat - statistisch gesehen - jeder Haushalt Mitte der 90er-Jahre 54 Kubikmeter Wasser im Jahr verbraucht. Das sind etwa 340 Badewannenfüllungen. Heute sind es 45 Kubikmeter, also etwa 290 Badewannen voll.
  • Kosten: In Lohfelden kostet der Kubikmeter Wasser 1,40 Euro. In Kassel kostet er 2,14 Euro. (abg)