Nord-Osthessen. Bahnt
sich in Nord- und Osthessen ein Skandal zwischen Wirtschaft und
Politik an? Erste Hinweise darauf gibt es. Grund: Bei der
beantragten Pipeline zwischen Neuhof im Kreis Fulda und dem Werratal
im Kreis Hersfeld-Rotenburg hat das Unternehmen offensichtlich
mit falschen Zahlen operiert.
Nach
einem von K+S in Auftrag gegebenen Gutachten war prognostiziert
worden, dass das Versenkvolumen für die Lauge im Neuhofer Stollen
noch für etwa 43 Jahre ausreichen soll.
Zeitrahmen
nicht zu halten
Grundlage
dieser Aussage war, dass die geologischen Voraussetzungen aus
dem Werratal nach Neuhof übertragbar seien. Mittlerweile
steht aber fest, dass bereits jetzt keine Lauge mehr im Neuhofer
Stollen verbracht werden kann – die Zeit drängt also für
das Unternehmen. Entsprechend vordringlich soll die Laugenleitung
in die Werra in Angriff genommen werden, die grundsätzlich bereits
vom Regierungspräsidium genehmigt worden war.
Dagegen
regt sich Widerstand aus der Bevölkerung: Die Menschen
an Werra und mittlerweile auch Weser befürchten, dass durch
das Einbringen der Neuhofer Kalilauge die Wasserqualität weiter
bedrohlich abnimmt. Bei dem Ganzen hat K+S einen wesentlichen Punkt
unterschlagen. Denn bei genauerem Hinsehen könnte man mutmaßen,
dass es gar nicht in erster Linie um das Versenkvolumen für
Neuhof geht. Im Landkreis Fulda fallen nämlich pro Jahr rund
750.000 Kubikmeter Kalilauge an, die entsorgt werden müssen.
Bald
Aus für Kali-Kumpel?
In
der gesamten Kaliregion Werra jedoch sind es 14 Millionen (!)
Kubikmeter pro Jahr, von denen die Hälfte in die Werra eingeleitet
werden. Und das bei einem noch zur Verfügung stehenden Versenkvolumen
von 120 Millionen Kubikmetern im Werratal-Plattendolomit. In 16 Jahren
wird also nichts mehr gehen im Werratal – außer der Einleitung
in den Fluss. Sollten jedoch die gesamten Mengen an Kali-Lauge in
die Werra verklappt werden, würde der Fluss biologisch
ruiniert werden.
Zudem
werden ab 2012 die Grenzwerte für Salzfrachten in der
Werra kontinuierlich nach unten korrigiert werden. Für die Kali-Kumpel
in der gesamten Region würde das das Aus bedeuten - bereits
heute droht der Produktions-Stopp, wenn die Werra durch Niedrigwasser
nicht genug Lauge aufnehmen kann. Die Grenzwerte wurden in vielen
Fällen bereits deutlich überschritten.
Für die Landtagsabgeordnete Elisabeth Apel, Umweltpolitische
Sprecherin der CDU-Fraktion, ist die Schlussfolgerung klar. „Wenn
in der gesamten Kaliregion, sowohl im Werratal als auch in Neuhof,
die Arbeitsplätze gesichert werden sollen, so lange noch Kali-Vorkommen
im Berg ausgebeutet werden können, heißt das: Es muss
eine technische Lösung geschaffen werden. Und zwar in der Werra-Region,
um auch den dortigen Laugenanfall reinigen zu können. Ansonsten
ist in 16 Jahren Schluss mit Kali und Salz in unserer Region, obwohl
noch für über 40 Jahre Vorkommen vorhanden sind.“ In
einem Ergänzungsantrag im Umweltausschuss soll die Landesregierung
jetzt dafür Sorge tragen, dass eine solche technische Lösung
in der Werra-Region installiert werden kann.
Ganz
neue Koalition
Und
auf einmal sieht sich die schwarze Landesregierung nicht nur
von den Grünen unterstützt, sondern auch von eigenen Leuten
torpediert. So vom CDU-Kreisvorsitzenden Helmut Heiderich aus Friedewald,
der noch vor vier Wochen genau diese Linie unterstützte. Mittlerweile
scheinen einige Gespräche zwischen Vertretern von K+S und Heiderich
stattgefunden zu haben. Heiderich schlägt nämlich plötzlich
völlig neue Töne an und will eine Entsalzungsanlage, wenn überhaupt,
dann höchstens in Neuhof. Damit aber wären die Probleme
für die Werratal-Region nicht gelöst. Zumal Neuhof das
Vorrecht zur Einleitung gegenüber den Produktionsstätten
im Werratal hat.
Genehmigung
rechtmäßig?
Trotz
des intensiven Bemühens von Kali und Salz, der Verpflichtung
zum Bau einer Entsalzungsanlage zu entgehen, stehen die Chancen dafür
nicht schlecht. Denn fraglich ist auch, ob der Antrag auf den Bau
der Pipelinie, vom Regierungspräsidium rechtmäßig
gestattet worden war. Berücksichtigt wurden nämlich als
Vertreter öffentlicher Belange lediglich die Kommunen rund um
Neuhof – nicht aber diejenigen im Werratal und am Oberlauf
der Weser. Hier macht man mobil gegen die Genehmigung und verweist
auf Verfahrensfehler. Leisten können müsste sich das K+S
eine Entsalzungsanlage in jedem Fall: Aktienkurse und Gewinne stiegen
in den vergangenen Jahren in Schwindel erregende Höhen. Und
gleich zwei große Vorkommen in Russland
und Kanada, die gemeinsam 20 Prozent des
Kali-Weltmarktes bedienten,
sind abgesoffen
und unrettbar
verloren.
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