"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

ExtraTip Kassel, 27.06.2007


Spielt K+S mit gezinkten Karten?

Laugeneinleitung: Falsche Zahlen genannt
Ohne Entsalzung Werratal-Jobs gefährdet

 

Von DIRK LOREY

 

 

 

 

 

 

 

Nord-Osthessen. Bahnt sich in Nord- und Osthessen ein Skandal zwischen Wirtschaft und Politik an? Erste Hinweise darauf gibt es. Grund: Bei der beantragten Pipeline zwischen Neuhof im Kreis Fulda und dem Werratal im Kreis Hersfeld-Rotenburg hat das Unternehmen offensichtlich mit falschen Zahlen operiert.

Nach einem von K+S in Auftrag gegebenen Gutachten war prognostiziert worden, dass das Versenkvolumen für die Lauge im Neuhofer Stollen noch für etwa 43 Jahre ausreichen soll.

Zeitrahmen nicht zu halten

Grundlage dieser Aussage war, dass die geologischen Voraussetzungen aus dem Werratal nach Neuhof übertragbar seien. Mittlerweile steht aber fest, dass bereits jetzt keine Lauge mehr im Neuhofer Stollen verbracht werden kann – die Zeit drängt also für das Unternehmen. Entsprechend vordringlich soll die Laugenleitung in die Werra in Angriff genommen werden, die grundsätzlich bereits vom Regierungspräsidium genehmigt worden war.

Dagegen regt sich Widerstand aus der Bevölkerung: Die Menschen an Werra und mittlerweile auch Weser befürchten, dass durch das Einbringen der Neuhofer Kalilauge die Wasserqualität weiter bedrohlich abnimmt. Bei dem Ganzen hat K+S einen wesentlichen Punkt unterschlagen. Denn bei genauerem Hinsehen könnte man mutmaßen, dass es gar nicht in erster Linie um das Versenkvolumen für Neuhof geht. Im Landkreis Fulda fallen nämlich pro Jahr rund 750.000 Kubikmeter Kalilauge an, die entsorgt werden müssen.

Bald Aus für Kali-Kumpel?

In der gesamten Kaliregion Werra jedoch sind es 14 Millionen (!) Kubikmeter pro Jahr, von denen die Hälfte in die Werra eingeleitet werden. Und das bei einem noch zur Verfügung stehenden Versenkvolumen von 120 Millionen Kubikmetern im Werratal-Plattendolomit. In 16 Jahren wird also nichts mehr gehen im Werratal – außer der Einleitung in den Fluss. Sollten jedoch die gesamten Mengen an Kali-Lauge in die Werra verklappt werden, würde der Fluss biologisch ruiniert werden.

Zudem werden ab 2012 die Grenzwerte für Salzfrachten in der Werra kontinuierlich nach unten korrigiert werden. Für die Kali-Kumpel in der gesamten Region würde das das Aus bedeuten - bereits heute droht der Produktions-Stopp, wenn die Werra durch Niedrigwasser nicht genug Lauge aufnehmen kann. Die Grenzwerte wurden in vielen Fällen bereits deutlich überschritten.

Für die Landtagsabgeordnete Elisabeth Apel, Umweltpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, ist die Schlussfolgerung klar. „Wenn in der gesamten Kaliregion, sowohl im Werratal als auch in Neuhof, die Arbeitsplätze gesichert werden sollen, so lange noch Kali-Vorkommen im Berg ausgebeutet werden können, heißt das: Es muss eine technische Lösung geschaffen werden. Und zwar in der Werra-Region, um auch den dortigen Laugenanfall reinigen zu können. Ansonsten ist in 16 Jahren Schluss mit Kali und Salz in unserer Region, obwohl noch für über 40 Jahre Vorkommen vorhanden sind.“ In einem Ergänzungsantrag im Umweltausschuss soll die Landesregierung jetzt dafür Sorge tragen, dass eine solche technische Lösung in der Werra-Region installiert werden kann.

Ganz neue Koalition

Und auf einmal sieht sich die schwarze Landesregierung nicht nur von den Grünen unterstützt, sondern auch von eigenen Leuten torpediert. So vom CDU-Kreisvorsitzenden Helmut Heiderich aus Friedewald, der noch vor vier Wochen genau diese Linie unterstützte. Mittlerweile scheinen einige Gespräche zwischen Vertretern von K+S und Heiderich stattgefunden zu haben. Heiderich schlägt nämlich plötzlich völlig neue Töne an und will eine Entsalzungsanlage, wenn überhaupt, dann höchstens in Neuhof. Damit aber wären die Probleme für die Werratal-Region nicht gelöst. Zumal Neuhof das Vorrecht zur Einleitung gegenüber den Produktionsstätten im Werratal hat.

Genehmigung rechtmäßig?

Trotz des intensiven Bemühens von Kali und Salz, der Verpflichtung zum Bau einer Entsalzungsanlage zu entgehen, stehen die Chancen dafür nicht schlecht. Denn fraglich ist auch, ob der Antrag auf den Bau der Pipelinie, vom Regierungspräsidium rechtmäßig gestattet worden war. Berücksichtigt wurden nämlich als Vertreter öffentlicher Belange lediglich die Kommunen rund um Neuhof – nicht aber diejenigen im Werratal und am Oberlauf der Weser. Hier macht man mobil gegen die Genehmigung und verweist auf Verfahrensfehler. Leisten können müsste sich das K+S eine Entsalzungsanlage in jedem Fall: Aktienkurse und Gewinne stiegen in den vergangenen Jahren in Schwindel erregende Höhen. Und gleich zwei große Vorkommen in Russland und Kanada, die gemeinsam 20 Prozent des Kali-Weltmarktes bedienten, sind abgesoffen und unrettbar verloren.