"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

HNA 7.6..2007


Braunschweig ist billiger

Städtische Werke verlieren Stromlieferauftrag für Kasseler Stadtverwaltung

Von Jörg Steinbach

 

 

 

 

 

 

 

Kassel. Kassel. Die Stadtverwaltung braucht Strom, aber die Städtischen Werke dürfen ihn nicht mehr liefern. Denn bei der jüngsten Ausschreibung des städtischen Baumanagements zogen die Stadtwerke den Kürzeren. Der Auftrag ging an die Braunschweiger Versorgungs-AG & Co. KG. Jetzt haben die Stadtwerke, aber auch die Stadt selbst, das Nachsehen. Denn der Umsatz, der den hiesigen Stadtwerken verloren geht, schmälert die Konzessionsabgabe, die von den Werken in die Stadtkasse fließt.

Einmal mehr treibt das neue europaweite Vergaberecht groteske Blüten. Bei dem ausgeschriebenen Los ging es um einen mehrjährigen Stromliefervertrag mit einem Umsatz von rund 900 000 Euro. Die Braunschweiger waren dem Vernehmen nach um gerade mal 2500 Euro günstiger - da war der Auftrag für die Kasseler Stadtwerke weg.

Ans Gesetz gebunden

"Wir bedauern sehr, dass wir den Städtischen Werken nicht alle Zuschläge erteilen konnten", sagt Stadt-Pressesprecherin Petra Bohnenkamp. Aber die Verwaltung sei gezwungen, einen Auftrag dieser Größenordnung europaweit auszuschreiben. "Und wenn ein Angebot nur um einen Euro preiswerter ist, sind wir gezwungen, das günstigere Angebot zu nehmen." Die Stadt habe großes Interesse, Aufträge an die eigenen Stadtwerke zu geben, sei aber als öffentliche Verwaltung strikt an das Gesetz gebunden.

Die Städtischen Werke Kassel haben nach Angaben von Pressesprecher Ingo Pijanka mit einer Beschwerde die zuständige Vergabestelle angerufen. Zu Details macht Pijanka wegen des schwebenden Verfahrens keine Angaben: "Die Sache ist noch bei der Schiedsstelle anhängig."
In Braunschweig weist der Sprecher des Versorgungsunternehmens, Klaus Wolf, das Gerücht einer nicht ganz korrekten Preisgestaltung zurück. Die speziell für Kassel gerechnete Kalkulation sei nachprüfbar. Und im neu geschaffenen Wettbewerb sei es "gang und gäbe, dass man Kunden gewinnt und Kunden verliert". Der Braunschweiger Energieversorger habe jüngst zum Beispiel selbst den Auftrag für die Stromversorgung der Ampeln in Braunschweig an einen Anbieter außerhalb verloren.

Der Kasseler Stadtverwaltung dürfte die strikt nach Recht und Gesetz erfolgte Vergabe teurer zu stehen kommen. Dem Vernehmen nach ist davon auszugehen, dass den eingesparten 2500 Euro ein weitaus größerer Betrag gegenübersteht, auf den die Stadt Kassel künftig verzichten muss. Denn auf den verkauften Strom im Nettowert von etwa 680 000 Euro wird eine Konzessionsabgabe erhoben. Sie fließt demnächst nicht mehr in die Kasseler, sondern in die Braunschweiger Stadtkasse.



Kommentar
von Jörg Steinbach über Stolpersteine im öffentlichen Vergaberecht

 

Mehr Wettbewerb war das Ziel und günstigere Preise. Doch mit dem neuen Vergaberecht wurde auch eine Menge mehr Bürokratie geschaffen. Und bis eine öffentliche Verwaltung oder ein städtisches Unternehmen heute Aufträge vergibt, dauert es deutlich länger als in früheren Jahren. Das nervt die Bürger und schadet der Wirtschaft.

Dass beim Vergaberecht dringend nachgebessert werden muss, zeigt auch das jüngste Kasseler Beispiel. Die Stadt legt beim Strompreis letztendlich drauf, weil die entgangene Konzessionsabgabe schwerer wiegt, als die durch die Vergabe an den günstigsten Anbieter eingesparte Summe. Was dabei herauskommt, wenn sich die Verwaltung strikt ans Gesetz hält, erinnert an Schilda. Solide Gesamtkostenrechnungen sind nämlich nicht erlaubt. Was die Stadt an Konzessionsabgabe verliert, spielt bei der Vergabe keine Rolle. Das kann der Gesetzgeber nicht gewollt haben. Und sollte deshalb rasch handeln.