"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

HNA 9.3.2007


"Verheerende Folgen für 1000 Jahre"

Vorsitzender der BI "Rettet die Werra" im Interview:
Grenzwert für Salzeinleitung wird bereits jetzt oft überschritten

Von Peter Klebe

 

Die Pläne des Kasseler Bergbauriesen K+S, über eine Pipeline von Neuhof nach Philippsthal Salzlauge in die Werra zu leiten, sorgen in der Region für Aufregung. Wir sprachen darüber mit dem Vorsitzenden der Bürgerinitiative "Rettet die Werra", Frank Hix.

Welche Folgen hätte die Salzeinleitung für die Werra?

Frank Hix:
Das hätte für 700 bis 1000 Jahre verheerende Auswirkungen auf die Artenvielfalt und den Bestand von Lebewesen und Pflanzen in der Werra, aber auch die Auen sowie landwirtschaftliche Nutzflächen. Außerdem sind negative Auswirkungen auf die Tourismusbranche zu befürchten. Im Übrigen würden dann nicht bloß 400 000 Kubikmeter in die Werra eingeleitet. Bereits jetzt fallen 700 000 Kubikmeter pro Jahr Haldenabwasser aus Neuhof an und nach der Haldenerweiterung weitere 400 000 Kubikmeter. Wir reden hier also von einer zu erwartenden Menge von etwa 1 100 000 Kubikmeter pro Jahr aus Neuhof. K + S betont, die Grenzwerte von 2500 Milligramm Salzlauge pro Liter am Pegel Gerstungen einzuhalten.

Sind die Werte zu hoch?

Hix:
Bereits jetzt wird aufgrund von Messungen von Gewässerexperten der Grenzwert, der mehr als das 20-Fache eines normalen Süßwasserflusses beträgt, nicht eingehalten. Auch aus dem Zwischenbericht zum Pilotprojekt Werra Salzabwasser des Regierungspräsidiums vom 2.1.2006 geht hervor, dass der Grenzwert in wasserarmen Zeiten bereits allein durch unkontrollierbare diffuse Einträge überschritten wird.

Wie kommt das?

Hix:
Das heißt, dass die zuvor in den Plattendolomit verpresste Salzlauge wieder an die Oberfläche drückt und in die Werra abfließt, wodurch der Grenzwert bereits ohne zusätzliche Einleitung durch die Salzlaststeuerung überschritten wird.

Wie beurteilen Sie eine Aussage von Ex-Umweltminister Jürgen Trittin, die Landesregierung könne die Genehmigung für die Einleitung widerrufen?

Hix:
Diese Aussage ist richtig. K + S hat im Jahr 2003 lediglich eine Genehmigung bis zum Jahr 2012 erhalten. In jedem Falle wäre es aber ohne Schadensersatzansprüche von K + S möglich, dass das RP im Jahr 2013 keine weitere Genehmigung erteilt.

Welche Alternativen gebe es Ihrer Meinung nach zur Salzeinleitung? Welche Umweltschäden wären durch diese zu befürchten?

Hix:
Haldenabdeckung, Trennung von Steinsalz und Kalisalz bereits im Erdreich, Pipeline an die Nordsee etc. Es gibt für K + S, mit einem Jahresumsatz von drei Milliarden Euro und 300 Millionen Euro Gewinn und zurzeit durch Einlagerung von Sonderabfall genutzte leere Stollen, finanzierbare Alternativen. Diese sind jedoch weder von K + S noch vom RP ernsthaft und mit Zahlen unterlegt dargestellt worden. Auch mit diesen Lösungen könnten Eingriffe in die Natur verbunden sein. Ohne die Alternativen jedoch wirklich ernsthaft geprüft zu haben, kann natürlich auch keine Abwägung der Umweltverträglichkeit vorgenommen werden.

Angenommen, die K+S-Pläne würden gestoppt. Würde sich die Werra erholen? Wird die Salzeinleitung überbewertet?

Hix:
Die Werra würde sich, wie mehrjährige Untersuchungen von Gewässerexperten an der oberen Werra zeigen, durch ihre Selbstreinigungskraft ganz sicher nach und nach erholen. Die Salzeinleitung jedoch verhindert, dass sich der Fluss von Einträgen kommunaler Abwässer und landwirtschaftlich anfallender Produkte selbst reinigen kann.

Die Lager, in denen K+S Salzwasser unterirdisch verpresst, sind nach Firmenangaben bald voll. Werden deshalb nicht vollendete Tatsachen geschaffen, was die Pipeline betrifft?

Hix:
K + S ist bei der Genehmigung der Haldenerweiterung in Neuhof im Jahr 2003, in der die Firma und das RP von einer gesicherten Versenkung für eine Dauer von etwa 45 Jahren ausgegangen sind, dazu verpflichtet worden, Salzlauge vorrangig aus dem Werk Neuhof zum Werk Werra in die Werra einzuleiten. Wenn der Grenzwert allein durch die diffusen Einträge überschritten wird und die Salzlauge aus Neuhof in vollem Umfang hinzukommen sollte, was in Anbetracht des nicht mehr vorhandenen Versenkvolumens im Falle des Pipelinebaus zu erwarten wäre, müsste das Werk Werra die Produktion bis hin zur Stilllegung reduzieren. Das kann zur Folge haben, dass die Arbeitsplätze der Kalikumpel im Werk Werra gerade durch die Pipeline gefährdet sind.

Ihre persönliche Einschätzung: Kommt die Pipeline?

Hix:
Sollte sie kommen, wäre das ein irreparabler Schaden für die Demokratie.