"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

HNA 17.10.2007


Wasser ist Frauensache
Lisa-Marie Kerth erobert in Kaufungen eine alte Männerdomäne

Von Thomas Stier

 

 

 

 

 

 

 

Kaufungen. Die Wasserversorgung ist Männersache! Die Wasserversorgung ist Frauensache! Zumindest in Kaufungen, denn dort hat sich mit Lisa-Marie Kerth erstmals eine junge Frau den Ausbildungsplatz in der bislang typischen Männerdomäne gesichert.

Gegen 50 Bewerber hat sich die 16-Jährige aus Edermünde durchgesetzt und erlernt jetzt den Beruf zur Fachkraft für Wasserversorgungstechnik. "Ich habe mich schon immer für die Umwelt interessiert", begründet Lisa-Marie ihre (noch) etwas exotisch anmutende Wahl. Der Beruf sei enorm vielseitig und biete nach der dreijährigen Lehre sehr gute Weiterbildungsmöglichkeiten.

Das sieht auch ihr Chef, Kaufungens Wassermeister Klaus Diebel, so. Die Ausbildung ist anspruchsvoll: Die Wasserwerke müssen kontrolliert, Hausanschlüsse untersucht, Baustellen überwacht, Rohrbrüche im Leitungsnetz gefunden und beseitigt, Schieber und Hydranten kontrolliert werden. Im Labor lernt Lisa-Marie die chemische Untersuchung der Wasserqualität, die Theorie kommt im Blockunterricht der Berufsschule hinzu, Elektrotechnik wird in Fachfirmen gepaukt.

Zeitweise haben die Kaufunger Wasserwerker drei Azubis gleichzeitig ausgebildet, um den Lehrstellenmarkt zu entlasten. Auf Dauer, so Diebel, ging das bei nur drei Mitarbeitern nicht.
Jetzt ist Lisa-Marie einziger Lehrling und hat sichtlich Spaß daran. Richtig zupacken kann sie auch, obwohl schiere Körperkraft in dem Beruf heute nicht mehr so gefragt ist. Immerhin: Wenn sie eine Wasseruhr austauscht, lässt sie die dicken Schrauben sicherheitshalber vom Kollegen nochmal nachziehen. Der Wassermeister lacht: "Nötig ist das nicht. Die Arbeiten können die Mädchen auch."

Drei Jahre dauert die Ausbildung - und dann sind die Berufschancen der Wassertechnikerin prima. Kaufungens Bauamtsleiter Jürgen Christmann: "Nicht alle Kommunen bilden aus, aber alle brauchen Fachleute für ihre Trinkwasserversorgung." Auch Tiefbaufirmen suchten diese qualifizierten Fachkräfte.

Über mangelnde Arbeit wird sich Lisa-Marie Kerth in ihrer Kaufunger Lehrzeit nicht zu beklagen haben. Die rund 13 000 Einwohner erhalten ihr Trinkwasser mit eindrucksvoller Qualität aus zwei Tiefbrunnen, zwei Quellen und fünf Hochbehältern über ein 90 Kilometer langes Leitungssystem. 600 000 Kubikmeter jährlich werden verbraucht, rund 60 Rohrbrüche sind von Diebels Team jedes Jahr zu beheben. Viel Arbeit auch für Frauenhände.

 

 


Hintergrund
Bieterverfahren soll Zahlen liefern

Oberbürgermeister Bertram Hilgen und Stadtkämmerer Dr. Jürgen Barthel (beide SPD) schlagen vor, mit einem europaweiten Bieterverfahren Aufschluss darüber zu bekommen, ob es Interessenten gibt, die weitere Anteile der Städtische Werke AG übernehmen wollen. Dabei geht es nicht nur darum einen starken Partner im Energiemarkt zu finden sondern auch mit einem möglichst hohen Verkaufserlös einen Beitrag zur Tilgung der hohen Schulden der Stadt zu leisten und gleichzeitig Zusagen für die Sicherung der Arbeitsplätze zu bekommen. Denn wegen der Veränderungen auf dem Energiemarkt steigt das Risiko, dass die Stadtwerke nicht mehr wirtschaftlich geführt werden können. Das Bieterverfahren ist noch keine Entscheidung für einen Verkauf, soll aber Grundlage für eine endgültige Entscheidung sein. Bisher sind nur SPD und FDP für das Verfahren, das von CDU, Bündnisgrünen, Linke.ASG, FWG und AUF abgelehnt wird. (ach)

 

 


Was die Zukunft der Städtischen Werke Aktiengesellschaft
in Kassel bedroht

 

24,9 % bei Vattenfall

Ein Viertel der Kasseler Stadtwerke wurde bereits im Jahr 2000 an die Hamburger Electrizitäts-Werke (HEW) verkauft. Das Hamburger Unternehmen und damit auch das Kasseler Aktienpaket gehört inzwischen der schwedischen Vattenfall-Gruppe. Vattenfall – viertgrößter Stromerzeuger in Europa – will die Kasseler Beteiligung neu ordnen. (ach)

 

Städtische Gewinne brechen weg

Durch die Kürzung der Netzentgelte werden die Stadtwerke künftig etwa fünf Millionen Euro jährlich weniger Ertrag haben. Damit würde ein knappes Drittel des Gewinns wegbrechen. Weitere Verluste sind wahrscheinlich, weil weitere Kürzungsrunden drohen – insbesondere auch für die Durchleitung in den Gasnetzen. Die Werke veruchen mit mehr Umsatz außerhalb Kassels gegenzusteuern. Beispiele sind das Engagement in der Biogasanlage Homberg/Efze, Kooperation mit anderen Stadtwerken und Gewinnung neuer Großkunden. (ach)

 

Kunden vor dem Wechsel

Politiker und Verbraucherschützer drängen die Strom- und Gaskunden, zum günstigsten Anbieter zu wechseln, um den Markt zu beleben und die überhöhten Preise zu kippen. Bisher liegt die Wechselquote bei den Kasseler Stadtwerken erst bei jährlich drei Prozent der insgesamt 90 000 Traifkunden. Bundesweit liegt die Wechselquote bereits bei sieben Prozent. Verlorene Kunden können die praktisch von E.ON eingekreisten Stadtwerke im Marktpotenzial von 200 000 Einwohnern nicht durch neue Kunden ersetzen. (ach)

 

E:ON will Tarife unterbieten

Weil alle Versorgungsunternehmen unter Druck stehen, wird aggressiv um neue Kunden geworben. E.ON hat bereits angekündigt, die Kasseler Stadtwerketarife regelmäßig zu unterbieten, um neue Kunden zu gewinnen. Die Stadtwerke wollen mit einer Reihe von Sondertarifen verhindern, dass Kunden abgeworben werden. So gibt es in Kassel verschiedene Bonus-Tarife zum Beispiel für langfristige Verträge, die günstiger als die E.ON-Kampfpreise sind. Viele Stadtwerke-Kunden zahlen aber den Grundtarif und könnten wechseln. (ach)

 

Discounter machen Druck

Stromdiscounter wie die RWE-Tochter Eprimo können sich drei bis vier Jahre lang Verluste leisten und in dieser Zeit mit Kampfpreisen kleinere Versorgungsunternehmen um Kunden und Erträge bringen. Mutterkonzern RWE will hohe Summen in Eprimo investieren. Der Stromdiscounter mit Sitz im hessischen Neu-Isenburg beliefert derzeit rund 150 000 Haushalte in Deutschland, will schrittweise auch ins Gasgeschäft und bis 2012 eine Million Strom- und Gaskunden versorgen. Dagegen hätten die Stadtwerke allein keine Chance. (ach)