"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

HNA 3.10.2007


Was kosten die Netze?

Strom und Gas vom Regionalversorger
Kreiskommunen: Noch viele offene Fragen

Von Thomas Stier

 

 

 

 

 

 

 

Kreis Kassel. Als starke Gemeinschaft bessere Preise erzielen: Das ist die Idee der Sozialdemokraten in Stadt und Kreis Kassel. Dabei setzen die Genossen auf den Erhalt und die Erweiterung kommunaler Energieversorger, also vor allem auf die Städtische Werke AG Kassel.
Fast alle der 29 Kommunen im Kreis sind über Konzessionsverträge an den Energielieferanten E.ON gebunden, der sie seit vielen Jahren mit Strom und Gas versorgt. Doch die meisten Verträge laufen 2011 aus, dann bieten sich auch für andere Energieversorger Chancen.

Die Vorschläge der SPD gehen darüber hinaus: Sie wollen nicht einfach die Lieferverträge verlängern, sondern die Chance zum Wechsel für tiefer gehende Stukturpolitik nutzen.

Dazu könnte ein Rückkauf der Strom- und Gasnetze von der E.ON durch die einzelnen Kommunen zählen. Und: die wohlhabenden Kommunen im Speckgürtel Kassels könnten jenen 24,9-Prozent-Anteil der Stadtwerke vom Energieversorger Vattenfall zurückkaufen, um ihren Bürgern damit eine unabhängige Versorgung und günstige Preise zu sichern.

Vellmars Bürgermeister Dirk Stochla (SPD), gleichzeitig Vorsitzender der Bürgermeister-Kreisversammlung differenziert zwischen den anstehenden Konzessionsverlängerungen und den SPD-Ideen.

"Wir haben eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die allen Kommunen im Kreis die rechtlichen Schritte für den Abschluss neuer Lieferverträge aufzeigen soll. Schließlich kommt das nur alle 20 Jahre vor", erläuterte Stochla. Egal, ob die Verträge fristgerecht auslaufen oder vorzeitig verlänger würden, in jedem Fall sei eine Ausschreibung erforderlich. Dabei könne sich dann jeder Energieversorger bewerben, also auch die Stadtwerke Kassel.

Die weitergehenden Vorschläge der SPD hätten mit diesem Verfahren nichts zu tun, erläuterte Stochla. Gegenwärtig wisse niemand, ob etwa ein Rückkauf der Netze Sinn mache und wirtschaftlich vertretbar sei. Der Bürgermeister: "Ich habe keine Vorstellung, was das Vellmarer Stromnetz wert sein könnte." Auch ob eine Beteiligung der Landkreiskommunen an den Städtischen Werken sinnvoll sei, könne erst nach eingehender Untersuchung beantwortet werden. (…)


 


Hintergrund
Bieterverfahren soll Zahlen liefern

Oberbürgermeister Bertram Hilgen und Stadtkämmerer Dr. Jürgen Barthel (beide SPD) schlagen vor, mit einem europaweiten Bieterverfahren Aufschluss darüber zu bekommen, ob es Interessenten gibt, die weitere Anteile der Städtische Werke AG übernehmen wollen. Dabei geht es nicht nur darum einen starken Partner im Energiemarkt zu finden sondern auch mit einem möglichst hohen Verkaufserlös einen Beitrag zur Tilgung der hohen Schulden der Stadt zu leisten und gleichzeitig Zusagen für die Sicherung der Arbeitsplätze zu bekommen. Denn wegen der Veränderungen auf dem Energiemarkt steigt das Risiko, dass die Stadtwerke nicht mehr wirtschaftlich geführt werden können. Das Bieterverfahren ist noch keine Entscheidung für einen Verkauf, soll aber Grundlage für eine endgültige Entscheidung sein. Bisher sind nur SPD und FDP für das Verfahren, das von CDU, Bündnisgrünen, Linke.ASG, FWG und AUF abgelehnt wird. (ach)

 

 


Was die Zukunft der Städtischen Werke Aktiengesellschaft
in Kassel bedroht

 

24,9 % bei Vattenfall

Ein Viertel der Kasseler Stadtwerke wurde bereits im Jahr 2000 an die Hamburger Electrizitäts-Werke (HEW) verkauft. Das Hamburger Unternehmen und damit auch das Kasseler Aktienpaket gehört inzwischen der schwedischen Vattenfall-Gruppe. Vattenfall – viertgrößter Stromerzeuger in Europa – will die Kasseler Beteiligung neu ordnen. (ach)

 

Städtische Gewinne brechen weg

Durch die Kürzung der Netzentgelte werden die Stadtwerke künftig etwa fünf Millionen Euro jährlich weniger Ertrag haben. Damit würde ein knappes Drittel des Gewinns wegbrechen. Weitere Verluste sind wahrscheinlich, weil weitere Kürzungsrunden drohen – insbesondere auch für die Durchleitung in den Gasnetzen. Die Werke veruchen mit mehr Umsatz außerhalb Kassels gegenzusteuern. Beispiele sind das Engagement in der Biogasanlage Homberg/Efze, Kooperation mit anderen Stadtwerken und Gewinnung neuer Großkunden. (ach)

 

Kunden vor dem Wechsel

Politiker und Verbraucherschützer drängen die Strom- und Gaskunden, zum günstigsten Anbieter zu wechseln, um den Markt zu beleben und die überhöhten Preise zu kippen. Bisher liegt die Wechselquote bei den Kasseler Stadtwerken erst bei jährlich drei Prozent der insgesamt 90 000 Traifkunden. Bundesweit liegt die Wechselquote bereits bei sieben Prozent. Verlorene Kunden können die praktisch von E.ON eingekreisten Stadtwerke im Marktpotenzial von 200 000 Einwohnern nicht durch neue Kunden ersetzen. (ach)

 

E:ON will Tarife unterbieten

Weil alle Versorgungsunternehmen unter Druck stehen, wird aggressiv um neue Kunden geworben. E.ON hat bereits angekündigt, die Kasseler Stadtwerketarife regelmäßig zu unterbieten, um neue Kunden zu gewinnen. Die Stadtwerke wollen mit einer Reihe von Sondertarifen verhindern, dass Kunden abgeworben werden. So gibt es in Kassel verschiedene Bonus-Tarife zum Beispiel für langfristige Verträge, die günstiger als die E.ON-Kampfpreise sind. Viele Stadtwerke-Kunden zahlen aber den Grundtarif und könnten wechseln. (ach)

 

Discounter machen Druck

Stromdiscounter wie die RWE-Tochter Eprimo können sich drei bis vier Jahre lang Verluste leisten und in dieser Zeit mit Kampfpreisen kleinere Versorgungsunternehmen um Kunden und Erträge bringen. Mutterkonzern RWE will hohe Summen in Eprimo investieren. Der Stromdiscounter mit Sitz im hessischen Neu-Isenburg beliefert derzeit rund 150 000 Haushalte in Deutschland, will schrittweise auch ins Gasgeschäft und bis 2012 eine Million Strom- und Gaskunden versorgen. Dagegen hätten die Stadtwerke allein keine Chance. (ach)