"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

HNA 21.9.2007


Speckgürtel soll einsteigen

Sozialdemokraten in Stadt und Kreis
wollen Stärkung der Kasseler Stadtwerke

 

Von Jörg Steinbach

 

 

 

 

 

 

 

Kassel. Die Sozialdemokraten in Stadt und Landkreis planen die lokale Energiewende. Die wohlhabenden Städte und Gemeinden im Speckgürtel sollen bei den Kasseler Stadtwerken einsteigen. Das soll den Kommunen und ihren Bürgern auch faire Preise für Strom und Gas sichern.

Die Genossen im Landkreis Kassel sollen sich für den Erhalt und die Erweiterung kommunaler Energieversorgungsunternehmen einsetzen, steht in einer Presseerklärung des SPD-Unterbezirks Kassel-Land. In dem Appell, der sich insbesondere an die SPD-Bürgermeister richtet, steckt gehörig Sprengstoff. Denn es geht dabei auch um die Konzessionsverträge der Kommunen mit E.ON.

Viele Verträge laufen in nächster Zeit aus. Nachfolgeverträge könnten mit den Kasseler Stadtwerken geschlossen werden. Die Kasseler würden dann zum Beispiel nach Ahnatal, Baunatal, Vellmar, Niestetal, Lohfelden oder Immenhausen Strom und Gas liefern. Mit diesen Kommunen und den Bürgermeistern gibt es nach HNA-Informationen bereits Gespräche auf SPD-Ebene. Die Kasseler Stadtwerke würden durch zusätzliche Konzessionsverträge große Absatzmärkte dazugewinnen und gestärkt.

Weitere Idee: Die Netze, die über die frühere EAM heute im Eigentum von E.ON sind, sollen zurückgekauft werden. Der weit gehende Verkauf der EAM an E.ON wird heute von vielen Kommunen und Landkreisen bereut. Ein Rückkauf von Versorgungsnetzen würde eine Menge Geld kosten. Man kann getrost von einem zweistelligen Millionenbetrag ausgehen. Aber vor dem Hintergrund der EU-Vorstöße ist die Idee durchaus realistisch. Vielleicht werden die Konzerne von Brüssel sogar gezwungen, die Leitungsnetze abzugeben, um günstigere Preise durchsetzen zu können.

Aktienpaket zurückkaufen

Dritter Punkt der SPD-Gedankenspiele: Die reichen Städte und Gemeinden im Speckgürtel sollen das Aktienpaket zurückkaufen, das Vattenfall an der Städtische Werke AG hält. Da geht es um 24,9 Prozent der Anteile im Wert von etwa 60 Millionen Euro. Kassel darf da keinen Euro investieren, weil die Stadt völlig überschuldet ist. Aber in den wohlhabenden Kommunen am Stadtrand wäre das benötigte Geld vorhanden. Die Städte und Gemeinden könnten ihren Bürgern mit dem Deal eine unabhängige Versorgung und günstige Preise für Strom und Gas sichern.

In den nächsten Monaten sollen die Kommunalparlamente im Kreis debattieren, wie es mit den Konzessionsverträgen und einem Einstieg bei den Kasseler Stadtwerken weitergehen könnte. In Niestetal zum Beispiel will auch die CDU eine Prüfung, welche Kosten auf die Gemeinde zukämen, wenn sie ihr Stromleitungsnetz wieder von E.ON zurückkauft.

Bloß in Nieste wird alles beim Alten bleiben. Die kleinste Gemeinde im Kreis hat im Juli den Konzessionsvertrag mit E.ON verlängert. Vorzeitig und zur Freude von E.ON bis zum Jahr 2028.



SPD will Stadtwerke stärken
Sozialdemokraten planen Energiewende

 
Kassel. Der Unterbezirksausschuss der SPD im Landkreis Kassel hat die sozialdemokratischen Mandatsträger der Städte, Gemeinden und des Landkreises aufgefordert, sich für den Erhalt und die Erweiterung kommunaler Energieversorgungsunternehmen einzusetzen. Zur Stärkung der kommunalen Unternehmen sollen diese stärker zusammenarbeiten. Mit Blick auf die Kasseler Stadtwerke soll die Beteiligung weiterer kommunaler Anteilseigner offensiv geprüft werden.

"Der weitere Ausbau von erneuerbaren Energien hängt unmittelbar von der Stärkung dezentraler Energieversorgungs- und Verteilungsmöglichkeiten ab", so Uwe Schmidt, Vorsitzender der Landkreis-SPD. Zum Rückkauf von Leitungsnetzen sollten Finanzierungsmodelle mit den in der Region verankerten Kreditinstituten angestrebt werden. Auch ein Bürgerfond zur Finanzierung sei denkbar, so Schmidt. Ziel sei, die Stadtwerke als regionale Nahversorger zu stärken.

Die Kasseler Sozialdemokraten unterstützen das Vorhaben. "Die Energiewende in Hessen bedarf lokaler Unterstützung in den Gemeinden, Städten und Landkreisen", so SPD-Chef Dr. Bernd Hoppe. Dazu sei die Zusammenarbeit der Kommunen in der Energieversorgung nötig. (ach)

 


Kommentar
Regionäre voran!

Von Jörg Steinbach

 

Das Kirchturmdenken der vergangenen Jahrzehnte ist erledigt, die Region Kassel arbeitet zum Wohle ihrer Bürger zusammen – fast zu schön, um wahr zu sein. Doch der gemeinsame Ärger über die Energiepreise könnte die Region tatsächlich zusammenschweißen. Auch Kommunalpolitiker sind sich durch alle Parteien hindurch weit gehend einig, dass wegen der explodierten Preise für Strom, Gas und Wärme etwas getan werden muss.

Die SPD geht voran und will die lokale Energiewende organisieren. Bleibt abzuwarten, ob die Idee einer stärkeren regionalen Zusammenarbeit auch über Parteigrenzen hinaus mehrheitsfähig ist. Erst wenn in den Gemeindeparlamenten die ersten Beschlüsse gefasst sind, ist der Weg zur Stärkung der Kasseler Stadtwerke bereitet.

Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Das europäische Ziel, die Macht der Energieriesen zu brechen, ist Wasser auf die Mühlen der Regionäre. Die Menschen erleben einerseits, wie die Kosten für Energie ein immer größeres Loch ins Familienbudget fressen. Gleichzeitig reiben sich alle verwundert die Augen über immer neue Rekorde bei den Milliardengewinnen der Energiekonzerne. Politiker, die jetzt handeln und für faire Energiepreise sorgen, brauchen sich um Wählerstimmen keine Sorgen mehr zu machen.