
Widerstand:
Die Gegner einer weiteren Privatisierung der
Städtischen Werke
nahmen OB Hilgen
und Stadtkämmerer
Barthel aufs Korn.
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Kassel. Als
gestern Abend nach knapp drei Stunden Diskussion feststand, dass
es kein Bieterverfahren für die Städtischen Werke geben
wird, war Oberbürgermeister Bertram Hilgen (SPD) alles andere
als überrascht. Bereits seit Wochen stand fest, dass die
Mehrheit der Stadtverordneten die gemeinsame Initiative mit dem
für das Versorgungsunternehmen zuständigen Stadtkämmerer
Dr. Jürgen Barthel (SPD) nicht mittragen würde.
Lediglich die Sozialdemokraten - manche von ihnen allerdings
auch nur zähneknirschend - und die FDP sagten Ja zu dem Verfahren,
mit dem ergründet werden sollte, ob es Interessenten für
den Kauf weiterer Anteile an den Werken gibt.
Die
CDU lehnte das ausdrücklich als persönliche Vorlage
Hilgens deklarierte Papier ebenso ab wie die Bündnisgrünen,
die FWG, die Linken und das Wahlbündnis AUF-Kassel. In der
namentlichen Abstimmung votierten 36 Stadtverordnete mit Nein,
31 stimmten der
Vorlage zu.
Trotz
der Niederlage hat Hilgen gestern Abend ein Ziel erreicht: Er
wollte eine öffentliche Debatte und eine öffentliche
Abstimmung, um später dokumentieren zu können, wer sich
in dieser Frage wie positioniert hat. In der phasenweise hitzig geführten
Diskussion warb Hilgen noch einmal für ein "geordnetes,
sauberes Verfahren". Alle Varianten und Optionen müssten
auf den Tisch. Denn: "Die Risiken sind real." Als Motive
für das Bieterverfahren nannte der OB die "tief greifenden
Veränderungen auf dem Energiemarkt", aber auch die Tatsache,
dass Werke-Minderheitsgesellschafter Vattenfall seine Beteiligung
neu ordnen wolle. CDU-Fraktionschefin Eva Kühne-Hörmann
warf Hilgen vor, die Bevölkerung zu verunsichern und dem Unternehmen
Schaden zuzufügen. "Wer strengt denn ein Bieterverfahren
an, wenn man nicht verkaufen will?", fragte die Landtagsabgeordnete.
Es
gehe nicht um einen Verkauf, entgegnete ihr SPD-Pendant Uwe Frankenberger.
Er lobte "den Mut des Oberbürgermeisters, den Bürgern
eine Bestandsaufnahme zu präsentieren, wie es um die Städtischen
Werke bestellt ist". Uneinsichtigkeit und "Angst, Wähler
zu verlieren", attestierte der FDP-Fraktionsvorsitzende Frank
Oberbrunner den Gegnern des Bieterverfahrens. Diesen zu unterstellen,
sie handelten nach dem Motto "Augen zu und durch" sei eine
Unverschämtheit, so Wolfgang Friedrich von den Bündnisgrünen
an die Adresse des Oberbürgermeisters. Hilgen wolle die Verkaufsoption
nicht prüfen, sondern sie verwirklichen.
Für die Kasseler Linken sprach Kai Boeddinghaus von einem "versteckten
Verkaufsverfahren". Hilgens Papier nannte er eine "Vorlage
der Schwäche und Verantwortungslosigkeit".
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Wer
gestern Abend die phasenweise hitzige Debatte verfolgte, konnte
leicht den Eindruck gewinnen, die Stadtverordneten müssten
wenig später über den Verkauf der Städtischen
Werke entscheiden. Tatsächlich ging es um nicht mehr und
nicht weniger als die Frage, ob sich die Stadt in einem geregelten
Verfahren ein Bild von der Marktsituation sowie dem Preis machen
darf, den sie bei einem Verkauf weiterer Anteile erzielen könnte.
Dies ist jetzt nicht möglich. Doch auch wenn das Bieterverfahren
verhindert wurde: Die Veränderungen auf dem Energiemarkt
gehen weiter. Und so könnte der für die Städtischen
Werke zuständige Kämmerer Barthel Recht behalten mit
seiner am Rande der Sitzung geäußerten Prophezeiung,
dass mit dem Nein der Stadtverordneten das Verfahren nur aufgeschoben,
aber nicht aufgehoben wurde.
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