"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

HNA 1.9.2007


Werke brauchen Partner

Vorstandsvorsitzender Andreas Helbig zum umstrittenen Bieterverfahren

Von Jörg Steinbach

 

 

 

 

 

 

 

Kassel. "Auf mittlere Sicht brauchen die Städtischen Werke einen strategischen Partner", sagt Werke-Chef Andreas Helbig.

Das vom Oberbürgermeister vorgeschlagene Bieterverfahren sei eine Möglichkeit, herauszufinden, "welcher Partner das richtige Konzept für eine Zukunftssicherung der Werke mitbringt". Sollte das Bieterverfahren von der Stadtverordnetenversammlung mehrheitlich abgelehnt werden, könne auch der Vorstand der Stadtwerke mandatiert werden, einen passenden Partner zu suchen.

Helbig setzt für eine weitere Beteiligung eines Unternehmens an der Städtische Werke AG eine Grenze. "Es muss eindeutig klar sein, dass es dabei maximal um eine Beteiligung von 49,9 Prozent geht", so der Vorstandsvorsitzende. Würde ein privates Unternehmen die Mehrheit an den Stadtwerken übernehmen, müsste die Stadt auf Steuervorteile für den Gewinn der Stadtwerke verzichten. Bisher wird dieser Gewinn dazu verwendet, Verluste der Kasseler Verkehrs-Gesellschaft (KVG) auszugleichen. Bei einem Verlust der Mehrheit wäre dieser steuerliche Querverbund nicht aufrechtzuerhalten, mahnt Helbig. Dadurch würden hohe Steuerzahlungen anfallen. Beispielrechnung für 2006: Wenn die von den Stadtwerken erzielten rund 18 Millionen Euro Gewinn versteuert werden müssten, "wäre die Hälfte weg", so Helbig.

Er nennt weitere Gründe dafür, nicht mehr als 49,9 Prozent der Anteile zu verkaufen. Die derzeit 928 Arbeitsplätze "müssen sicher bleiben". Und: Die Werke als Unternehmen der Daseinsvorsorge dürfe Kassel nicht aus der Hand geben. Zudem solle das Geld, das die Bürger für Strom und Gas bezahlen, in der Stadt bleiben. Daran solle auch jeder Kasseler Bürger denken, der den Stromanbieter wechseln wolle. Wer wechsele und sein Geld nach Düsseldorf, Essen oder Karlsruhe überweise, entziehe der Stadt Kassel Geld, "um Schulen und Straßen und weitere für den Bürger wichtige Dinge zu finanzieren", so Helbig. (ach)

 


Hintergrund
Bieterverfahren soll Zahlen liefern

Oberbürgermeister Bertram Hilgen und Stadtkämmerer Dr. Jürgen Barthel (beide SPD) schlagen vor, mit einem europaweiten Bieterverfahren Aufschluss darüber zu bekommen, ob es Interessenten gibt, die weitere Anteile der Städtische Werke AG übernehmen wollen. Dabei geht es nicht nur darum einen starken Partner im Energiemarkt zu finden sondern auch mit einem möglichst hohen Verkaufserlös einen Beitrag zur Tilgung der hohen Schulden der Stadt zu leisten und gleichzeitig Zusagen für die Sicherung der Arbeitsplätze zu bekommen. Denn wegen der Veränderungen auf dem Energiemarkt steigt das Risiko, dass die Stadtwerke nicht mehr wirtschaftlich geführt werden können. Das Bieterverfahren ist noch keine Entscheidung für einen Verkauf, soll aber Grundlage für eine endgültige Entscheidung sein. Bisher sind nur SPD und FDP für das Verfahren, das von CDU, Bündnisgrünen, Linke.ASG, FWG und AUF abgelehnt wird. (ach)

 

 


Was die Zukunft der Städtischen Werke Aktiengesellschaft
in Kassel bedroht

 

24,9 % bei Vattenfall

Ein Viertel der Kasseler Stadtwerke wurde bereits im Jahr 2000 an die Hamburger Electrizitäts-Werke (HEW) verkauft. Das Hamburger Unternehmen und damit auch das Kasseler Aktienpaket gehört inzwischen der schwedischen Vattenfall-Gruppe. Vattenfall – viertgrößter Stromerzeuger in Europa – will die Kasseler Beteiligung neu ordnen. (ach)

 

Städtische Gewinne brechen weg

Durch die Kürzung der Netzentgelte werden die Stadtwerke künftig etwa fünf Millionen Euro jährlich weniger Ertrag haben. Damit würde ein knappes Drittel des Gewinns wegbrechen. Weitere Verluste sind wahrscheinlich, weil weitere Kürzungsrunden drohen – insbesondere auch für die Durchleitung in den Gasnetzen. Die Werke veruchen mit mehr Umsatz außerhalb Kassels gegenzusteuern. Beispiele sind das Engagement in der Biogasanlage Homberg/Efze, Kooperation mit anderen Stadtwerken und Gewinnung neuer Großkunden. (ach)

 

Kunden vor dem Wechsel

Politiker und Verbraucherschützer drängen die Strom- und Gaskunden, zum günstigsten Anbieter zu wechseln, um den Markt zu beleben und die überhöhten Preise zu kippen. Bisher liegt die Wechselquote bei den Kasseler Stadtwerken erst bei jährlich drei Prozent der insgesamt 90 000 Traifkunden. Bundesweit liegt die Wechselquote bereits bei sieben Prozent. Verlorene Kunden können die praktisch von E.ON eingekreisten Stadtwerke im Marktpotenzial von 200 000 Einwohnern nicht durch neue Kunden ersetzen. (ach)

 

E:ON will Tarife unterbieten

Weil alle Versorgungsunternehmen unter Druck stehen, wird aggressiv um neue Kunden geworben. E.ON hat bereits angekündigt, die Kasseler Stadtwerketarife regelmäßig zu unterbieten, um neue Kunden zu gewinnen. Die Stadtwerke wollen mit einer Reihe von Sondertarifen verhindern, dass Kunden abgeworben werden. So gibt es in Kassel verschiedene Bonus-Tarife zum Beispiel für langfristige Verträge, die günstiger als die E.ON-Kampfpreise sind. Viele Stadtwerke-Kunden zahlen aber den Grundtarif und könnten wechseln. (ach)

 

Discounter machen Druck

Stromdiscounter wie die RWE-Tochter Eprimo können sich drei bis vier Jahre lang Verluste leisten und in dieser Zeit mit Kampfpreisen kleinere Versorgungsunternehmen um Kunden und Erträge bringen. Mutterkonzern RWE will hohe Summen in Eprimo investieren. Der Stromdiscounter mit Sitz im hessischen Neu-Isenburg beliefert derzeit rund 150 000 Haushalte in Deutschland, will schrittweise auch ins Gasgeschäft und bis 2012 eine Million Strom- und Gaskunden versorgen. Dagegen hätten die Stadtwerke allein keine Chance. (ach)