"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

taz 6.8.2008


Leitungswasser mit Uran belastet

Hohe Urankonzentrationen in 150 Gemeinden. Diskussion über Grenzwerte


von KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

 

 

 

 

 

 

 

FRANKFURT/MAIN So schnell reagierte am Dienstag keine andere Landes- oder Bundesbehörde. Nur zwölf Stunden nach der ARD-"Report"-Sendung über zu hohe Uranwerte im Leitungswasser in Deutschland am Montagabend stellte das Umweltministerium Rheinland-Pfalz die Analysewerte des Urangehalts im Trinkwasser aller Kommunen und kommunalen Gebietskörperschaften des Landes ins Internet. Die frohe Botschaft von Ministerin Margit Conrad (SPD): Alles im grünen Bereich, respektive unter dem Richtwert des Umweltbundesamts von 10 Mikrogramm Uran pro Liter Leitungswasser.

Nach Angaben von "Report" sieht es anderswo weniger gut aus. Die von den Wasserwerken im Auftrag von Städten und Landkreisen ermittelten Uranwerte - Daten liegen für 8.000 Orte vor - hätten in 150 Fällen den Richtwert von 10 Mikrogramm pro Liter überschritten, in Extremfällen sogar die Marke von 20 Mikrogramm pro Liter. Schon sehr geringe Konzentrationen an Uran beeinträchtigten lebenswichtige Vorgänge in der Niere, sagte dazu der Kieler Toxikologe Hermann Kruse. Die Gefahr gehe dabei nicht von der Radioaktivität aus, "sondern von der chemisch giftigen Wirkung bei anhaltender Einnahme"

Wer nun glaubt, auf der sicheren Seite zu sein, weil er kein Leitungswasser trinkt, der irrt. Mit Uran belastet sind auch Mineralwässer. Grenzwerte gibt es keine. Nur bei Mineralwässern mit dem Etikettenaufdruck "auch für die Zubereitung von Säuglingsnahrung geeignet" darf der Urangehalt nicht größer als 2 Mikrogramm pro Liter sein. Landesumweltministerin Conrad fordert deshalb die Festlegung von Höchstgrenzwerten für alle "unerwünschten Spurenstoffe" im Trinkwasser europaweit: "Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich beim Kauf von Mineralwasser in Zukunft darauf verlassen können, dass überall in den Staaten der EU einheitliche niedrige Grenzwerte gelten." Der saarländische Umweltminister Gerhard Vigener (CDU), der für sein Bundesland "Entwarnung" gab - höchster gemessener Uranwert: 3 Mikrogramm/Liter -, versprach Unterstützung.

Conrad hatte schon im März die Bundesgesundheitsministerin und den Bundesumweltminister angeschrieben und die Festlegung eines einheitlichen Höchstwertes für die Uranbelastung von Trink- und Mineralwasser angeregt. "Die Gespräche für eine Novellierung der Trinkwasserverordnung laufen", sagte dazu eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums am Dienstag. Ob es aber einen Grenzwert geben werde, sei noch "Gegenstand laufender Verhandlungen" der beim Bundesumweltamt angesiedelten Trinkwasserkommission.

Mit seiner Grenzwertrichtlinie von 10 Mikrogramm pro Liter unterbietet das Umweltbundesamt die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation von 15 Mikrogramm pro Liter. Das Bundesumweltamt fordert zudem die Kommunen auf, den Uranwert ihres Trinkwassers unter die Marke von 10 Mikrogramm pro Liter zu drücken. Die Zeitvorgabe dafür: 10 Jahre!

 


Warum ein Sozialtarif für bedürftige Stromkunden absurd ist
Plumpes Ablenkungsmanöver

Kommentar von BERNWARD JANZING

 

Sollen Hartz-IV-Empfänger einen Rabatt auf die Stromrechnung bekommen? Der Vorschlag mag zunächst gut klingen. Tatsächlich ist er reichlich bizarr. Nach dieser Logik könnte irgendein Armutsbescheid - etwa die Befreiung von der Rundfunkgebühr - zum allgemeinen Rabattschein werden. Warum nicht auch für billigere Brötchen beim Bäcker oder Salat auf dem Wochenmarkt?

Ein verquerer Gedanke. Und er lenkt ab von der Verantwortung des Staates: Wenn sich Menschen in einem reichen Land wie dem unseren Lebensnotwendiges wie Licht und Strom nicht mehr leisten können, dann ist der Staat gefragt, dies abzustellen. Dann muss er eben die Sozialhilfe erhöhen. Alles andere ist plumpes Ablenkungsmanöver.

Man fragt sich, welche Vorstellung von Politik und Ökonomie herrscht, wenn Unternehmen aufgefordert werden, eine bestimmte Kundengruppe zu subventionieren. Denn so viel ist klar: Ein Stromanbieter, der für bestimmte Kunden den Strompreis um 70 Euro im Jahr senkt, zahlt bei jedem dieser Kunden drauf. Dass Eon dies trotzdem praktiziert, hat natürlich einen Grund. Denn durch diese Wohltat nimmt der Konzern der Diskussion um seine satten Gewinne die Schärfe.

Aus Politikermund aber wirkt die Forderung nach Strom-Sozialtarifen grotesk. Sie lenkt sogar doppelt von den Versäumnissen des Staates ab: nicht nur im Hinblick auf die Höhe der Sozialhilfe, sondern auch im Hinblick auf die Gesetzgebung im Strommarkt. Denn der Staat hat die Riesengewinne der Konzerne erst möglich gemacht.

Was also ist zu tun? Es gibt eine vernünftige Lösung, die zwar ein wenig komplexer ist als der populistische Ruf nach einem Sozialtarif, dafür ist sie von der Politik leicht umsetzbar: Der Staat verkauft den Stromkonzernen künftig die Zertifikate, die sie für ihren CO2-Ausstoß benötigen, statt sie zu verschenken. So beschneidet er erstens die absurd hohen Gewinne der Konzerne. Zweitens erzielt er genug Einnahmen, um sich einen auskömmlichen Sozialetat leisten zu können - damit auch Arme ihre volle Stromrechnung künftig wieder selbst bezahlen können.