BBU-Wasserrundbrief, 25.2.2008
EU-Kommission
enttäuscht ppp-Fans
in der deutschen Wasserwirtschaft
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Eine
herbe Enttäuschung hat die EU-Kommission den Anhängern
von Gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen („privat
public partnerships“ - ppp) bereitet. In der „Mitteilung
der Kommission zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Anwendung
der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche
Aufträge und Konzessionen auf institutionalisierte Öffentlich
Private Partnerschaften (IÖPP)“ vom 05.2.2008
(C(2007)6661) wiederholt die Kommission ihren Standpunkt, dass
die Einbindung privater Partner in ein kommunales bzw.
in ein öffentlich-rechtliches Unternehmen einer EU-weiten
Ausschreibung bedarf.
Bisher
war es Usus in der deutschen Wasserwirtschaft, dass sich
Stadtwerke bzw. kommunale Wasserversorgungsunternehmen
nach Gutdünken einen privaten Partner ihres Vertrauens
auswählen konnten. Beispielsweise haben sich viele Stadtwerke
als Minderheitsaktionär die THÜGA ins Haus geholt – eine
EON-Enkelin, die sich auf den Erwerb von Anteilen an
Stadtwerken spezialisiert hat (s.
RUNDBR. 883/1, 835/3).
U.a.
durch das THÜGA-Engagement sind die von der EU-Kommission
jetzt so benannten „Institutionalisierten Öffentlich
Privaten Partnerschaften“ (IÖPP) entstanden.
Diese IÖPP haben in der Regel auch die bestehenden Konzessionsverträge
zur Wasserversorgung übernommen. Da weder die Liaison
mit dem privaten Partner noch die Konzessionsübernahmen
einer öffentlichen Ausschreibung unterlagen, sind die
IÖPP den Wettbewerbshütern der EU-Kommission und des
Europäischen Gerichtshofes (EuGH) seit langem ein Dorn
im Auge.
Das
deutsche Wirtschaftsministerium hatte in Brüssel darum
geworben, dass bis zu einem privaten Anteil von 20 Prozent
das Eingehen einer IÖPP weiterhin ohne Ausschreibungsverpflichtung
möglich sein sollte. Dieser Kompromissvorschlag hat aber
bei der EU-Kommission keinerlei Gnade gefunden. Durch
diese Vorgabe
„soll
es – ganz im Sinne des Europäischen Binnenmarktes – allen
interessierten Wirtschaftsteilnehmern ermöglicht werden,
sich in einem fairen und transparenten Verfahren an Ausschreibungen
für öffentliche Aufträge und Konzessionen zu beteiligen
und durch den verstärkten Wettbewerb die Qualität derartiger
Projekte zu heben und ihre Kosten zu senken“,
schreibt
die Kommission. Die Kommission hebt in diesem Zu-sammenhang
hervor:
„Die
Tatsache, dass eine private Partei und ein öffentlicher
Auftraggeber im Rahmen eines gemischtwirtschaftlichen
Unternehmens zusammenarbeiten, kann nicht dazu führen,
dass die rechtlichen Bestimmungen für öffentliche Aufträge
und Konzessionen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge
oder Konzessionen an diese private Partei oder das
betreffende gemischtwirtschaftliche Unternehmen unbeachtet
bleiben. Nach der Rechtsprechung des EuGH schließt
die – auch nur minderheitliche – Beteiligung
eines privaten Unternehmens am Kapital einer Gesellschaft,
an der auch der betreffende öffentliche Auftraggeber
beteiligt ist, auf jeden Fall die Möglichkeit eines "in-house" Verhältnisses,
auf das das Vergaberecht prinzipiell nicht anzuwenden
wäre, zwischen diesem öffentlichen Auftraggeber und
dieser Gesellschaft aus.“
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EU-Kommission
unerbittlich:
„Wettbewerb von Anfang an!“
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Die
EU-Kommission ist mitnichten ein Gegner der Einbindung
von privatem Kapital in kommunale Unternehmen. Ganz im
Gegenteil! Mit ihrer Klarstellung will die Kommission „mehr
Rechtssicherheit“ schaffen „und insbesondere
der immer wieder geäußerten Sorge entgegengetreten“,
dass die Anwendung des Gemeinschaftsrechts auf die Einbeziehung
privater Partner „IÖPP unattraktiv oder sogar unmöglich“ mache (vgl.
RUNDBR. 835/3).
Aber
entsprechend ihrem absoluten Wettbewerbsdogma besteht die
Kommission ultimativ darauf, dass das Engagement privater
Firmen in Stadtwerken einer vorher gehenden Ausschreibung
bedarf. Weil dies für die Stadt- und Wasserwerker offensichtlich
schwer zu begreifen ist, konstatiert die EU-Kommission
angesichts dieser Begriffsstutzigkeit „erheblichen
Klärungsbedarf“. Deshalb erklärt die Kommission noch
einmal ganz langsam zum Mitschreiben, unter welchen Wettbewerbsvoraussetzungen
IÖPPs gebildet werden dürfen und wann Konzessionen an diese
IÖPPs vergeben werden dürfen:
„Die
Kommission versteht IÖPP als Zusammenarbeit zwischen öffentlichen
und privaten Beteiligten, bei der gemischtwirtschaftliche
Unternehmen gegründet werden, die öffentliche Aufträge
oder Konzessionen durchführen. Der private Beitrag zu einer
IÖPP besteht – neben der Einbringung von Kapital
oder anderer Vermögensgegenstände – in der aktiven
Teilnahme an der Ausführung der Aufgabe, die dem gemischtwirtschaftlichen
Unternehmen übertragen wurde, und/oder in der Geschäftsführung
der Gesellschaft. Demgegenüber stellt die reine Kapitalbeteiligung
eines privaten Investors an einem öffentlichen Unternehmen
keine IÖPP dar. Daher werden derartige Fälle von der vorliegenden
Mitteilung nicht erfasst.“
Es
kommt also darauf an, dass der private Partner im operativen
Geschäft des Gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens mitmischt – wobei
die Trennung zwischen »stiller Kapitalbeteiligung« und „aktiver
Teilnahme“ des privaten Partners am operativen Geschäft
etwas arg weltfremd erscheint.
Keine
doppelte Ausschreibung!
Die
Kommission wendet sich in ihrer Mitteilung gegen
die Befürchtung, dass künftig „doppelte
Ausschreibungen“ nötig werden könnten:
Erstens für die Bildung einer IÖPP an sich und
zweitens dann auch noch für die Vergabe einer
Konzession an das öffentlich-private Gemeinschaftsunternehmen.
Die Kommission vertritt die Auffassung, dass
dieser Ultrawettbewerb „nicht praktikabel“ wäre.
Als gangbaren Weg schlägt die Kommission deshalb
folgendes Verfahren vor:
„Ein
möglicher Weg zur Gründung einer IÖPP, der nach
Ansicht der Kommission mit den Grundsätzen des
Gemeinschaftsrechts vereinbar ist und zugleich
eine doppelte Ausschreibung verhindert, stellt
sich folgendermaßen dar: Der private Partner
der IÖPP wird durch ein Verfahren ausgewählt,
dessen Gegenstand sowohl der öffentliche Auftrag
oder die Konzession ist, der bzw. die dem zu
gründenden gemischtwirtschaftlichen Unternehmen übertragen
werden soll, wie auch der Beitrag des privaten
Partners zur Abwicklung dieser Aufgaben und/oder
zur Geschäftsführung des gemischtwirtschaftlichen
Unternehmens. Die Auswahl des privaten Partners
geht einher mit der Gründung der IÖPP und der Übertragung
der jeweiligen wirtschaftlichen Aufgaben auf
das gemischtwirtschaftliche Unternehmen.“
Mit
der Bildung einer IÖPP wird also zugleich die
Konzession verhökert. Der in einem Ausschreibungswettbewerb
obsiegende private Partner kauft sich beispielsweise
in das bislang rein kommunale Wasserversorgungsunternehmen
ein - und die bisherige Konzession zur Wasserversorgung
wird auf das neue Gemischtwirtschaftliche Unternehmen übertragen.
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Glasklare
Transparenz
im Ausschreibungswettbewerb
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Nach
Auffassung der EU-Kommission schließen die Grundsätze der
Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung im Wettbewerbsrecht „eine
Verpflichtung zur Transparenz mit ein“. Eine transparente
Ausschreibung zur Bildung von IÖPP-Unternehmen erfordere,
dass „zugunsten potenzieller Bieter ein angemessenen
Grad von Öffentlichkeit sicherzustellen“ sei, „der
den Dienstleistungsmarkt dem Wettbewerb öffnet“. Diese
Verpflichtung zur transparenten Aus-schreibung beinhaltet
für die Kommission,
„dass
der öffentliche Auftraggeber in der Bekanntmachung oder in
den Verdingungsunterlagen über Folgendes grundsätzliche Informationen
bekanntmacht:
-
die öffentlichen
Aufträge und/oder Konzessionen, die an das zukünftige
gemischtwirtschaftliche Unternehmen vergeben werden sollen,
- den
Gesellschaftsvertrag,
- die
Gesellschaftervereinbarung
-
sowie
alle anderen Elemente, die einerseits die vertragliche
Beziehung zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und
dem privaten Partner, und andererseits die vertragliche
Beziehung zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und
dem zukünftigen gemischtwirtschaftlichen Unternehmen
festlegen.“
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EU
lässt interkommunale Zusammenarbeit
weiter in der Schwebe
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In
seiner Pressemitteilung vom 18.2.08 zur IÖPP-Mitteilung der
EU-Kommission bedauerte der VER-BAND KOMMUNALER UNTERNEHMEN
(VKU), dass die EU-Kommission „selbst für Unternehmen
mit einer nur geringen privaten Beteiligung“ weiterhin
auf einer Ausschreibungspflicht beharre. Damit habe die Kommission
keine „praxistaugliche Definition“ für die wettbewerbsfreie
Vergabe von kommunale Aufträgen und Konzessionen an ppp-Unternehmen
gefunden.
Der
VKU fordert, dass sich die Kommission an ihren Zugeständnissen
im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs hätte orientieren
sollen. Bei teilprivatisierten Verkehrsunternehmen seien
nämlich „praxistaugliche Regelungen gefunden worden“.
Solange die Beteiligung Privater an einem Unternehmen sich
in einem bestimmten Rahmen halte und das Unternehmen sich
nicht außerhalb seines angestammten Gebietes am Wettbewerb
beteilige, sei eine Ausschreibung nicht nötig. „Diese
Regelung könnte für andere Bereiche Vorbildcharakter haben“,
schreibt der VKU.
Der
VKU stuft es ferner als „bedauerlich“ ein, „dass
sich die Kommission in ihrer Mitteilung mit dem wichtigen
Bereich der interkommunalen Kooperation überhaupt nicht befasst“ habe (s.
RUNDBR. 837/1-3, 787/2). Die Zusammenarbeit mehrerer
Kommunen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben sei nicht nur
in Deutschland z.B. bei der Wasserver- und Abwasserentsorgung
ein bewährtes Modell effizienter Aufgabenerfüllung, sondern
werde auch von anderen EU-Mitgliedstaaten in erheblichem
Umfang genutzt.
„Hier
muss Rechtssicherheit durch die Feststellung geschaffen
werden, dass die interkommunale Zusammenarbeit nicht unter
das Vergaberecht fällt“,
so
der VKU. Kommunale Zusammenarbeit sei ein reiner Organisationsakt
der Kommunen und keine Nachfrage nach Leistungen am Markt.
Wettbewerbsinteressen Dritter seien damit nicht berührt.
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BDEW: „Existenz
der Wasser-
unternehmen in Gefahr“
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In
seiner Pressemitteilung vom 21. Februar 2008 zur Kommissionsmitteilung
schreibt der BUNDESVERBAND DER DEUTSCHEN ENERGIE- UND WASSERWIRTSCHAFT
(BDEW) gegen „überzogene Ausschreibungspflichten“ an.
Durch die obligate Ausschreibungsverpflichtung bei der Bildung
von ppp-Gesellschaften würde der Gestaltungsspielraum kommunaler
Unternehmen eingeschränkt. Mit den „überzogenen Ausschre-bungspflichten
könnte die Existenz der Unternehmen der Wasserwirtschaft
gefährdet“ werden. Besonders kritisch bewertet der
BDEW, dass die neuen Vorgaben der Europäischen Kommission
auch für schon bestehende ppp-Gesellschaften gelten sollen.
„Wenn
die Ausschreibung bereits bei der Erweiterung des Aufgabengebietes
eines Unternehmens Pflicht würde, wäre damit der unternehmerische
Spielraum zu stark eingeengt. Das wäre ein Bremsklotz für
die wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen“,
warnt
der BDEW. Angesichts des drohenden Niedergangs fordert der
BDEW: „Die Bundesregierung sollte die teilweise stark überzogenen
Vorgaben aus Brüssel nicht kritiklos akzeptieren.“
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Ein
bisschen Wettbewerb gibt es nicht
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Inzwischen
schwappt die Kritik an der „Wasserprivatisierung“ sogar
schon ins Privatfernsehen. Nach dem Fiasko der neoliberalen
Privatisierungsbefürworter und der Legitimitätskrise des
Wettbewerbskapitalismus hat sich zumindest in Deutschland
der Mainstream gegen die Privatisierung der kommunalen Daseinsfürsorge
gedreht. Die Privatisierungslobbyisten haben die ideologische
Bestimmungsmacht verloren.
Die
führenden Funktionäre von VKU und BDEW favorisieren gleichwohl
weiterhin das Modell einer Teilprivatisierung von Stadt-
und Wasserwerken. Deshalb ihr Abstrampeln gegen den straighten
Ausschreibungskurs der EU-Kommission bei der Teilprivatisierung
von kommunalen Betrieben.
Im
Gegensatz zur „Allianz öffentliche Wasserwirtschaft“,
die sich bereits in ihrem Gründungsmanifest gegen „public
privat partnerships“ gewandt hatte, wollen VKU- und
BDEW-Funktionäre den Spielraum für die Bildung von ppp-Gesellschaften
offen halten. Dies soll genauso wie die Übertragung der Konzessionen
an die ppp-Gesellschaften ohne jegliche Verpflichtung zur
transparenten Ausschreibung möglich bleiben.
Demgegenüber
wird die EU-Kommission knallhart auf dem Ausschreibungswettbewerb
beharren. Motto: Ein bisschen Wettbewerb geht nicht! Entweder – oder!
Ihr müsst Euch entscheiden: Entweder bleibt Ihr rein kommunal – oder
Ihr müsst Euch dem Wettbewerb in vollem Umfang stellen, wenn
Ihr mit einem privaten Partner unter die Decke schlüpfen
wollt (vgl. 877/3).
Die
Wasserwerker könnten jetzt die Chance nutzen, die sich aus
dem Zusammenbrechen der Privatisierungseuphorie einerseits
und dem absoluten Wettbewerbsdogma der EU-Kommission andererseits
ergibt – und für eine Rekommunalisierung der teilprivatisierten
Wasser- und Abwasserbetriebe plädieren. Das hierfür erforderliche
Geld könnte beispielsweise auch durch Bürgerfonds aufgebracht
werden. Für eine Rekommunalisierung würde es derzeit öffentlichen
Rückenwind geben.
Mit
ihrem Eiertanz zum Erhalt eines ausschreibungslosen ppp-Modells
verschenken die tradierten Funktionäre nicht nur eine Chance.
Mit ihrem ppp-Wackelpuddingkurs machen VKU und BDEW die Forderung
nach einem Erhalt der kommunalen Daseinsfürsorge in Brüssel
obendrein auch noch unglaubwürdig.
-ng-
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