Ökostromkunden
sind verunsichert: Nachdem der Spiegel unter der Überschrift "Mogelpackung Ökostrom" von
umdeklariertem Atomstrom berichtet hatte, gingen am Montag vor
allem bei den Städtischen Werken Kassel zahlreiche Anrufe
ein. Das hessische Unternehmen war in dem Magazin explizit mit
den zitierten Machenschaften in Verbindung gebracht worden.
Grundlage
der Kritik ist das Renewable Energy Certificate System (RECS).
Dieses funktioniert so: Ein Stromversorger kauft Strom an
der Börse, den er dann mit einem Öko-Zertifikat eines Wasserkraftwerks
veredelt. Er darf seinen Graustrom als Ökostrom verkaufen, während
der Verkäufer des Zertifikats die entsprechende Menge seines Ökostroms
in konventionellen umetikettieren muss.
Die
Städtischen Werke Kassel wiesen den Bericht des Spiegel
zurück: "Wir kaufen auch physisch Wasserkraftstrom von
Vattenfall in Schweden ein und nutzen das RECS-Zertifikat nur, um
die Qualität des Stroms zu belegen", sagte ein Sprecher
der taz.
Auch
der Ökostromanbieter Lichtblick erklärte, dass er
RECS-Zertifikate beziehe. Beispielsweise im Zusammenhang mit Stromeinkäufen
beim Wasserkraftwerk Freudenau in Österreich: "Das System
erlaubt eine saubere Nachweisführung", sagte ein
Lichtblick-Sprecher.
So
müssen die RECS-Zertifikate nicht grundsätzlich schlecht
sein. Das Problem liegt darin, dass sie eine Art Zwitter sind. Einerseits
dienen sie dazu, Ökostrom zu zertifizieren. Andererseits werden
sie losgelöst von jedweden Stromverträgen separat
gehandelt.
Folglich
stellt sich für den Verbraucher die Frage: Welcher
Anbieter liefert nun wirklichen Ökostrom? Die Vielfalt der Stromlabel
verwirrt mehr als dass sie eine Entscheidungshilfe bietet: Da gibt
es zum Beispiel das ok-Power-Label, das Lichtblick trägt, das
aber auch Anbieter wie Vattenfall, die EnBW-Tochter Naturenergie
und die Städtischen Werke Kassel nutzen dürfen. Daneben
gibt es den Grüner Strom Label e.V. (GSL), es gibt diverse TÜV-Zertifikate,
und dann eben noch die RECS. Ursache der verwirrenden und wenig kundenfreundlichen
Labelvielfalt ist ein Glaubenskampf in der Branche über die
Frage, wie genau Ökostrom am sinnvollsten zu definieren
ist.
Aus
diesem Grund haben sich die Ökostromlabel auch nie als Marketingargumente
durchsetzen können. Ökostromkunden, für die nicht
allein der Preis zählt, schauen erfahrungsgemäß sehr
viel mehr auf das Unternehmen selbst.
Mancher
Anbieter hält die Siegel sogar für schädlich:
Die Elektrizitätswerke Schönau zum Beispiel lehnen die
Label ok-Power und GSL ab, weil sie ihnen nicht streng genug sind.
Das Unternehmen will kein Label nutzen, mit dem zugleich auch Töchter
von Atomstromern werben.
Die
beste Hilfe im Dschungel der Ökostromanbieter gibt übrigens
der Deutscher Naturschutzring (DNR), der Dachverband der deutschen
Natur- und Umweltschutzverbände: Auf der Internetseite www.atomausstieg-selber-machen.de
sind die aus Sicht der Umweltverbände besten Ökostromanbieter
dargestellt, jeweils mit einer kurzen Erklärung zur Firma und
ihrer Historie. Vier Unternehmen sind dort aufgeführt: Naturstrom,
Lichtblick, Greenpeace energy und die Elektrizitätswerke Schönau.
Auf
die Stromlabel haben die Umweltverbände bei der Auflistung übrigens
keinen besonderen Wert gelegt. An erster Stelle der Kriterien rangiert
bei ihnen: "Es besteht keinerlei eigentumsrechtliche Verflechtung
mit einem Stromkonzern, der Atom- oder Kohlekraftwerke betreibt oder
mit Strom aus diesen Quellen handelt." |