KÖLN. In der deutschen Bevölkerung wächst die Skepsis
gegenüber der Privatisierung staatlicher Leistungen. Das
geht aus einer repräsentativen Umfrage hervor, die das Meinungsforschungsinstitut
Forsa im Auftrag des Deutschen Beamtenbundes (dbb) durchgeführt
hat. "Die Erfahrungen der Bürger mit Privatisierungen
sind eher negativ als positiv", sagte Forsa-Geschäftsführer
Manfred Güllner auf der Arbeitstagung des dbb am Dienstag
in Köln. Die noch vor wenigen Jahren vorherrschende "Privatisierungseuphorie" sei
verflogen.
"Weitere
Privatisierungen werden immer kritischer gesehen", sagte
Güllner. So unterstützten nur 16 Prozent der Befragten
noch die Ansicht, es sollten weitere öffentliche Dienstleistungen
privatisiert werden. Im Juni 2007 waren es noch 24 Prozent. Im Gegenzug
hat sich demgegenüber die Gruppe derjenigen vergrößert,
die privatisierte Dienstleistungen wieder in den öffentlichen
Dienst zurücküberführt sehen wollen - von 19 auf
28 Prozent.
50
Prozent der Befragten finden Privatisierung generell weniger
gut beziehungsweise schlecht, 47 Prozent befürworten sie. Dabei
unterscheiden sich die Einstellungen derjenigen, die bereits über
Privatisierungserfahrungen verfügen und derjenigen, bei denen
dies nicht der Fall ist: Während von der ersten Gruppe nur 45
Prozent begrüßen, dass bereits viele öffentliche
Dienstleistungen in die Hände privater Unternehmen gewandert
sind, sind es in der zweiten Gruppe 51 Prozent. "Je mehr Erfahrungen
man mit Privatisierung hat, desto skeptischer wird man", resümierte
Forsa-Chef Güllner.
Besonders
schlecht schnitt dabei die Bahn ab: Schlechtere Leistungen bei
höheren Kosten attestierte ihr die übergroße
Mehrheit der Befragten. Die Bahn habe ein tiefgreifendes Imageproblem,
konstatierte Güllner.
Signifikant
ist auch der Ost-West-Unterschied: Zufrieden mit den bisherigen
Privatisierungen zeigten sich im Westen 49 Prozent,
im Osten der Republik jedoch nur 36 Prozent der Befragten.
Bei den Parteipräferenzen
fällt auf: Sogar unter den Anhängern der privatisierungsfreundlichen
Parteien CDU und FDP finden sich mittlerweile je 41 Prozent
Kritiker.
Beamtenbund-Chef
Peter Heesen zeigte sich sichtlich zufrieden
mit den Umfrageergebnissen. Eine "blinde Privatisierungswelle" habe
zu einer "langen Liste von Fehlentwicklungen" geführt,
kritisierte Heesen. "Entgegen der Behauptung, private Leistung
sei besser und noch dazu billiger als öffentliche Dienstleistung,
haben wir die leidvolle Erfahrung gemacht, dass vieles teurer und
mitnichten besser geworden ist." Als Beispiele nannte
er die Entwicklungen bei der Energieversorgung, beim Wasser
und Abwasser
sowie bei der Bahn.
Auch
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zog in ihrer Gastrede
eine bemerkenswert kritische Bilanz: Es sei "kein Wunder, dass
die Skepsis gegenüber weiteren Privatisierungen wächst".
Denn in der Vergangenheit habe es hier "viel Blauäugigkeit,
viel Übereifer und viele Enttäuschungen gegeben",
sagte die Sozialdemokratin. "Schlankheitswahn ist nicht nur
ein Problem junger Frauen, sondern auch von politischen Ideologen." Es
sei zudem eine Täuschung, zu glauben, mehr Privatisierung würde
auch zu weniger Staat, Gesetzen und Paragrafen führen. Das Gegenteil
sei richtig: "Mehr Gesetze, mehr Bürokratie und mehr Kosten
- das sind drei Faktoren, die man nicht außer Acht lassen darf." "Eine
grenzenlose Privatisierung kann und wird es deshalb nicht geben",
sagte Zypries zur Freude ihrer - überwiegend verbeamteten -
600 Zuhörer.
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