"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

HNA 19.3.2008


Werra - früher so salzig wie die Nordsee

In der Werra ist neben Wasser und Salz allerhand drin
Das große Problem aber bleibt die Salzbelastung

von Frank Thonicke

Der runde Tisch, den Hessen und Thüringen sowie der Düngemittelkonzern K + S am gestrigen Dienstag in Kassel eröffneten, soll über Wege beraten, die Salzbelastung von Werra und Weser wirksam zu reduzieren. Wir waren bei der Eröffnungsveranstaltung und wir werfen einen Blick in die Werra: Was transportierte der Fluss einst und wie sieht die Wasserqualität heute aus?

 

 

 

 

 

 

 

Kassel. Vor 20, 30 Jahren hätten sich Kabeljau oder Hering in der Werra wohlgefühlt. Das Wasser wäre ihnen wie zuhause in der Nordsee vorgekommen. Damals betrug die Salzkonzentration 25 000 Milligramm (25 Gramm) pro Liter Wasser, manchmal waren es knapp 40 Gramm. Zum Vergleich: In jedem Liter Nordseewasser sind etwa 35 Gramm Salz.
Ab etwa 1970 hatte die Werra-Belastung ihren Höhepunkt erreicht. Die DDR leitete damals sämtliches Abwasser aus der Kaliproduktion in die Werra. Die Folge: Im Fluss gab es nur noch wenige Arten, die das Salz aushalten konnten.

Wende und Mauerfall brachten dann die Besserung. K+S übernahm die ostdeutsche Kaliproduktion und schloss Produktionsstätten - die Salzlast sank. Außerdem investierte das Kasseler Unternehmen kräftig mithilfe öffentlicher Zuschüsse in neue Technologien und sorgte auch so dafür, dass die Werra deutlich entlastet wurde: Der Pegel bei Gerstungen, der eine Höchstkonzentration von 2500 Milligramm Salz pro Liter (also 2,5 Gramm) vorschreibt, wurde eingehalten. Das heißt: Die Salzfracht in der Werra wurde um das Zehnfache gesenkt.

Umweltschützer meinen, dass das nicht reicht. Insgesamt ist die Werra - trotz aller Besserungen - noch immer in einem schlechten Zustand.

Dabei verlangt die europäische Wasserrahmenrichtlinie, dass bis zum Jahr 2015 alle Gewässer in einem guten Zustand sein müssen. Ein Ziel, das für die Werra unrealistisch ist. Auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte unlängst, dass die Werra nie den europäischen Ansprüchen genügen werde.

Muss sie auch nicht. Die Richtlinie lässt Ausnahmen zu, die kurzgefasst folgendes sagen: Dient ein Fluss dazu, dass der Mensch nützliche Dinge produzieren kann, können die Anforderungen an seine Sauberkeit deutlich gesenkt werden. Minister Gabriel sagte es so: "K+S muss ja auch arbeiten können."

Nun ist nicht nur Salz in der Werra: Es gibt auch Schwermetalle wie Cadmium. Kupfer und Zink im Fluss, und die organische Verschmutzung (ungeklärte Abwässer) sowie die Belastung mit Nährstoffen (Phosphor, Stickstoff) sei nicht zu vernachlässigen, heißt es etwa bei K+S. Das Unternehmen weist darauf hin, dass im Werra-Bereich nur rund 50 Prozent der Bevölkerung an eine Kläranlage angeschlossen seien. Nach Auskunft des Thüringer Umweltministeriums seien 54 Prozent angeschlossen, 46 Prozent der Abwässer gingen über Hausklärgruben in die Flüsse.

Das Hauptproblem der Werra sei aber nach wie vor die Salzbelastung, sagt Prof. Andreas Schumann, Inhaber des Lehrstuhls für Hydrologie, Wasserwirtschaft und Umwelttechnik an der Bochumer Ruhr-Universität. Schumann untersuchte die Werra eingehend und kam zu dem Schluss: Wäre die Salzbelastung nicht da, könne man die Werra ohne großen finanziellen Aufwand in einen guten Zustand bringen. Schumann zu unserer Zeitung: "Ohne Salz ist die Werra ein deutscher Fluss wie viele andere auch."


Das sagen: Hessen und Thüringen

 

Hessens Umweltminister Wilhelm Dietzel: Ökologische, ökonomische und soziale Belange müssen harmonisiert werden. Wir dürfen die wirtschaftlichen Interessen der Region nicht aus den Augen verlieren. Ich erwarte vom runden Tisch Vorschläge mit hoher Akzeptanz.

Thüringens Umwelt-Staatssekretär Stefan Baldus: Viele Bürger an Werra und Weser verbinden große Hoffnungen mit dem runden Tisch. Es muss alles getan werden, um die Produktion im Kalibergbau sicherzustellen. Aber auch dem Bedürfnis nach einer intakten Umwelt muss Rechnung getragen werden. Die Bürger erwarten von K+S, dass alles technisch Mögliche getan wird, um die Umweltsituation zu verbessern. Das Land Thüringen wird diesen Prozess positiv begleiten. (tho)


Das sagt: K+S-Chef Steiner

 

Norbert Steiner, Vorstandsvorsitzender von K+S: Es darf keine Vorschläge zur Lösung der anstehenden Umweltfragen geben, die nicht gleichzeitig die Sicherung gesunder wirtschaftlicher Strukturen im Auge behalten. Es geht um einen Interessenausgleich und eine Weichenstellung, wie wir die Zukunft unserer Region gestalten wollen. Wir sind offen für alle nützlichen Vorschläge.

Als Unternehmen bekennen wir uns zu unserer Verantwortung. Wir haben die Erwartung, dass die Arbeit des runden Tisches von dem ehrlichen Bestreben getragen wird, den Menschen an Werra und Weser zu helfen. Es geht um ein wichtiges Stück Zukunft für uns alle: für die Umwelt, für die Regionen, für die Menschen und für deren Existenzgrundlagen. (tho)