Kassel. Vor
20, 30 Jahren hätten sich Kabeljau oder Hering in der
Werra wohlgefühlt. Das Wasser wäre ihnen wie zuhause
in der Nordsee vorgekommen. Damals betrug die Salzkonzentration
25 000 Milligramm (25 Gramm) pro Liter Wasser, manchmal waren
es knapp 40 Gramm. Zum Vergleich: In jedem Liter Nordseewasser
sind etwa 35 Gramm Salz.
Ab etwa 1970 hatte die Werra-Belastung ihren Höhepunkt erreicht.
Die DDR leitete damals sämtliches Abwasser aus der Kaliproduktion
in die Werra. Die Folge: Im Fluss gab es nur noch wenige Arten,
die das Salz aushalten konnten.
Wende
und Mauerfall brachten dann die Besserung. K+S übernahm
die ostdeutsche Kaliproduktion und schloss Produktionsstätten
- die Salzlast sank. Außerdem investierte das Kasseler Unternehmen
kräftig mithilfe öffentlicher Zuschüsse in neue
Technologien und sorgte auch so dafür, dass die Werra deutlich
entlastet wurde: Der Pegel bei Gerstungen, der eine Höchstkonzentration
von 2500 Milligramm Salz pro Liter (also 2,5 Gramm) vorschreibt,
wurde eingehalten. Das heißt: Die Salzfracht in der Werra
wurde um das Zehnfache gesenkt.
Umweltschützer
meinen, dass das nicht reicht. Insgesamt ist die Werra - trotz
aller Besserungen - noch immer in einem schlechten
Zustand.
Dabei
verlangt die europäische Wasserrahmenrichtlinie, dass
bis zum Jahr 2015 alle Gewässer in einem guten Zustand sein
müssen. Ein Ziel, das für die Werra unrealistisch ist.
Auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte unlängst,
dass die Werra nie den europäischen Ansprüchen genügen
werde.
Muss
sie auch nicht. Die Richtlinie lässt Ausnahmen zu, die
kurzgefasst folgendes sagen: Dient ein Fluss dazu, dass der Mensch
nützliche Dinge produzieren kann, können die Anforderungen
an seine Sauberkeit deutlich gesenkt werden. Minister Gabriel sagte
es so: "K+S muss ja auch arbeiten können."
Nun
ist nicht nur Salz in der Werra: Es gibt auch Schwermetalle wie
Cadmium. Kupfer und Zink im Fluss, und die organische
Verschmutzung (ungeklärte Abwässer) sowie die Belastung mit Nährstoffen
(Phosphor, Stickstoff) sei nicht zu vernachlässigen, heißt
es etwa bei K+S. Das Unternehmen weist darauf hin, dass im Werra-Bereich
nur rund 50 Prozent der Bevölkerung an eine Kläranlage
angeschlossen seien. Nach Auskunft des Thüringer Umweltministeriums
seien 54 Prozent angeschlossen, 46 Prozent der Abwässer gingen über
Hausklärgruben in die Flüsse.
Das
Hauptproblem der Werra sei aber nach wie vor die Salzbelastung,
sagt Prof. Andreas Schumann, Inhaber des
Lehrstuhls für Hydrologie,
Wasserwirtschaft und Umwelttechnik an der Bochumer Ruhr-Universität.
Schumann untersuchte die Werra eingehend und kam zu dem Schluss:
Wäre die Salzbelastung nicht da, könne man die Werra
ohne großen finanziellen Aufwand in einen guten Zustand bringen.
Schumann zu unserer Zeitung: "Ohne Salz ist die Werra ein
deutscher Fluss wie viele andere auch."
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