Mitten
in Deutschland spielt die Natur verrückt: Die Quelle Breitzbachsmühle
nahe der A4, die in den 50er-Jahren zur Wasserversorgung Bad
Hersfelds angezapft wurde, sprudelt seit langem salzig wie
Meerwasser. An der Werra siedeln Tiere und Pflanzen, die sonst
Küsten bevölkern: Dünengewächse, Meeresalgen,
Brackwasserschnecken.
Für
Heinrich Vollrath, vormals Leiter des Hersfelder Instituts für
Grünlandsoziologie, und andere Versenkungskritiker waren
das schon in den 80er- und 90er-Jahren Alarmzeichen für
die langsame Rückkehr angeblich sicher im Untergrund verwahrter
Kali-Versenklaugen: "Warum hat es bei den Behörden
nicht schon vor drei Jahrzehnten geklingelt?", fragte Vollrath
bereits damals.
Aktuelle
Antwort von Wenzel Mayer, Abteilungsleiter im hessischen Umweltministerium
für den Bereich Wasser und Boden: Die Versenkung
ist ein Auslaufmodell. Der angeblich sicher abgedichtete Plattendolomit
kann die Abwässer nicht dauerhaft halten. Bedenken über
aufsteigende Kalilauge im Grundwasserleiter Buntsandstein gebe
es schon lange. "Neu ist", so Mayer, "dass wir jetzt
die Größenordnung benennen können."
Eine
Milliarde Kubikmeter Abwässer hat die Kali-Industrie
seit 1920 beidseits des Flusses in die Tiefe gekippt - das Fünffache
dessen, was der Edersee fasst. Diese Größe ist aktenkundig.
Die Rückkehr von einem Drittel der Versenklauge in den Buntsandstein "ist
so erheblich, dass man gar nicht anders kann als zu handeln".
Aus Vorsorge für sauberes Trinkwasser.
Handeln
- aber wie? Dazu hat sich das Ministerium mit einem Gutachten
gewappnet, das auch K+S vorliegt. Ziel der Verhandlungen
zwischen
Wiesbaden und dem Kasseler Konzern: Nach Ende der 2011 auslaufenden
Genehmigung des RP Kassel soll Schluss sein mit der Versenkung. "Es
gibt", so Mayer, "auch keinen Rechtsanspruch auf Verlängerung".
Noch 2006 waren Behörden davon ausgegangen, Zeit bis 2016
zu haben. Anfang der 90er-Jahre glaubte man gar an Versenkungshorizonte
bis 2030. Dass solche Prognosen schnell von Messungen überholt
werden, die Gefahr fürs Trinkwasser signalisieren, zeigte
sich im Kaliwerk Neuhof-Ellers bei Fulda: Dort wurde im April
2008 die Versenkung stillgelegt.
Muss
man sich an der Werra Sorgen ums Trinkwasser machen? Eine aktuelle
Gefährdung sei nirgends zu sehen, so der Wiesbadener
Regierungsexperte Mayer. Exakt die müsse durch rechtzeitiges
Umlenken ja auch ausgeschlossen werden. Mayer räumt aber ein,
dass etliche Quellen in der Vergangenheit wegen Versalzung abgeschaltet
und Dörfer ans Fernwassernetz angeschlossen werden
mussten.
Unstrittige
Negativfolge aus aufsteigender Versenklauge seien aber die Salzwasserübertritte aus dem Untergrund in die Werra,
sagt Mayer. Nicht zu steuern und derart viel, dass in trockenen
Sommern allein diese "diffusen Einträge" die genehmigten
ChloridBelastungsgrenzen des Flusses ausschöpfen - ohne dass
die Kali-Werke selbst auch nur einen Liter beisteuern.
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