"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

ZfK September 2008, Leitartikel Seite 1


Wider ein Zerr-Bild vom Wasser

von Jürgen Pott

 

 

 

 

 

 

 

Eindeutiger können Willensbekundungen nicht ausfallen. Mehr als drei Viertel der Bürger lehnen eine Wasserversorgung durch Private ab, lediglich 13 % würden das positiv sehen. Dass diese im Frühjahr vorgelegten Ergebnisse der dimap-Befragung von Stadtwerke-Kunden nicht allen gefallen würden, war absehbar. Dass deshalb versucht wurde, die vom Bürger aus guten Gründen beim Lebensmittel Nummer eins gewünschte Daseinsvorsorge durch öffentliche Unternehmen madig zu machen, überrascht also nicht – ärgerlich bleibt ein Zerr-Bild vom Wasser immer.

Es ist kein Zeichen „altmodischer Übellaunigkeit“, wenn man das Vier-Buchstaben-Blatt weiter nur mit Abscheu betrachtet. Darüber bestand einmal Konsens. Dass das heute anders ist, dass selbst höchste kirchliche Würdenträger meinen, Bild die Türen öffnen zu müssen, sagt viel über den Zustand der Gesellschaft. Das sei übertrieben, Millionen Leser könnten nicht irren? Doch. Das dazu Nötige hat Gerhard Henschel in seinem das Grundgesetz – „die Würde des Menschen ist unantastbar“ – zum Maßstab nehmenden „Gossenreport“ nach der Pein täglicher Lektüre der „Sexualklatschkloake“ jüngst nochmals mit polemischer Wucht zusammengefasst.

Gegen Ende August hatte die Wasserversorgung das Pech, von Bild misshandelt zu werden. „Bescheuert! Wasserverbrauch runter, Preise trotzdem rauf!“ motzte das Blatt mit den großen Buchstaben. Und klärte auch gleich in Bild-Manier auf: Die Bürger müssten deshalb immer mehr bezahlen, weil Wettbewerb fehle und die unverschämten Wasserversorger bei rückläufigem Absatz einfach die Preise raufsetzten. So weit, so Bild.

Auch wer Verschwörungstheorien gemeinhin für eher absurd hält, wird kaum noch an Zufall glauben wollen. BDE, ick hör dir trapsen. Denn kurz vor Bild hatte der Bundesverband der privaten Entsorgungswirtschaft dreist behauptet, überall dort, wo kein transparenter Wettbewerb stattfindet, explodierten die Preise. „Die Zustände in der heimischen Wasserwirtschaft sind Beleg für die Richtigkeit und Aktualität dieses Lehrsatzes.“

Die Mär vom fehlenden Wettbewerb ist eine alte Klamotte, schiefe Wasserpreisvergleiche haben eine ungute Tradition. Öffentlichkeitsarbeiter müssen da immer wieder gegenhalten – mit Erfolg, wie alle Imageumfragen und auch die hohe Akzeptanz öffentlicher Wasserversorgung in der Politik zeigen.

Es ist sauber belegt und kann nicht oft genug gesagt werden: Das Preis-/Leistungsverhältnis stimmt. Das erstklassige deutsche Trinkwasser besteht jeden internationalen Vergleich. Der Liter Trinkwasser, frisch gezapft, kostet durchschnittlich weniger als 0,2 Cent, und auch wenn da noch das Doppelte fürs Abwasser hinzu kommt – wo gibt es sonst so viel Lebensqualität für so wenig Geld?

Rational gehandelt, müsste angesichts der Qualität öffentlicher Wasserversorgung Tafelwasser eigentlich unverkäuflich und Mineralwasserproduktion kein boomendes Geschäft sein. Mit ihrem sog. Branchenbild hat die deutsche Wasserwirtschaft in diesem Jahr zum zweiten Mal umfassend über ihre Leistungsfähigkeit bei Wasserver- und Abwasserentsorgung informiert: Das deutsche Modell öffentlicher Versorgung, dass Einschaltung Privater nicht ausschließt, kann für Europa beispielhaft sein. Zur nachhaltigen Wasserwirtschaft gibt es keine Alternative und deren Motor sind kommunale Unternehmen. Sie müssen ihre Leistungen offen und transparent kommunizieren. Dann hat das Zerr-Bild weiter keine Chance.