"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

HNA 28.8.2009

Werrasalz: Hessen lässt K+S nachsitzen

Kali-Umweltstrategie am Runden Tisch - Land äußert "erhebliche Zweifel"
zu Plänen des Kasseler Konzerns

Von Wolfgang Riek

 

 

 

 

 

 

 

 

Kassel. Der Runde Tisch zur Werraversalzung geht auf die Zielgerade: Im Spätherbst soll klar sein, ob und wie Werra und Weser wieder zu Süßwasserflüssen werden und die Kaliwerke in der Region trotzdem weiterarbeiten können.

Anfang kommender Woche deckt Hessens Landesregierung die Karten auf: Sie will vom Kasseler Kalikonzern K + S bis Frühjahr 2011 die klare Entscheidung zum Bau einer Salzabwasser-Leitung Richtung Nordsee - mit Fertigstellungstermin. Außerdem soll K + S sich festlegen, wann die Laugen-Versenkung in tiefe Gesteinsschichten "definitiv beendet werden kann". Das sind die zentralen Forderungen einer Sechs-Seiten-Antwort aus Wiesbaden auf den K + S-Plan vom Mai, der Umweltprobleme im Kalibergbau an der Werra lindern soll.

Details erfährt der Runde Tisch am Montag. Umweltministerin Silke Lautenschläger (CDU) will selbst nach Bad Soden-Allendorf reisen. Lob für "beispielhafte Anstrengungen" von K+S, den Abwasseranfall zu senken, stellt das Land neben eine Mängelliste und die Aufforderung zum Nachsitzen: Die Abwasserleitung gilt als "finale" Lösung - sie würde der Werra sieben Millionen Kubikmeter Salzlauge ersparen, die jährlich aus Kalifabriken und von Abfallhalden im Fluss landen. Der Konzern hat die Röhre bis 2020 in Aussicht gestellt.

Bleibt die Frage, wie die kommenden Jahre überbrückt werden. Und da sitzt den Behörden der zweite Entsorgungsweg, die Versenkung ins Plattendolomit-Gestein nämlich, noch peinlicher im Nacken. Was dort unten "weggeschlossen" werden sollte - über eine Milliarde Kubikmeter Abwässer seit 1925 - kommt zurück. Gut ein Drittel des riesigen Salzsees gurgelt schon im Buntsandstein. Das Risiko fürs Grundwasser ist damit so brisant, dass Hessen die Versenkung nicht über Ende 2011 hinaus genehmigen will. Im Falle des "Unfalls" könnten den Genehmigungsbehörden sonst strafrechtliche Ermittlungen drohen.

Ende der Versenkung, die in Gerstungen/Thüringen und beim Werk Neuhof-Ellers nahe Fulda schon stillgelegt werden musste? Die K+S-Strategie geht darauf nicht groß ein. Weiter versenken heißt es dort, aber im Gegenzug auch Lauge zurückpumpen. Das Abwasser-Endlager würde so zum gigantischen Zwischenspeicher. Der Vorteil: Wenn Regenwetter die Werra richtig anschwellen lässt, könnte man die Pumpen anwerfen und richtig viel Lauge aus der Tiefe mitschicken - mehr als die Abwasserrohre der Fabriken hergeben: Die Einleitgrenzwerte beschränken schließlich nicht die Salzmenge, sondern die Verdünnung.

Weil mit Investitionen von 360 Mio. Euro die Abwässer in den Werken bis 2015 halbiert werden, so die K+S-Strategie weiter, könnte dann sogar mehr aus- als eingepumpt werden. Der Druck da unten im Plattendolomit würde sinken, der unkontrollierte Laugenaufstieg in den Buntsandstein gebremst, heißt es. Zur Stellungnahme aus Wiesbaden wollte sich der Kasseler Konzern heute auf Anfrage nicht äußern.


Hintergrund: "Mangelhaft" für den Plan aus Kassel
 

"Darstellungsmängel", "Defizite", "wichtige Bausteine nicht belegt": Mit diesen Anmerkungen reicht das Land die K + S-Umweltstrategie zur Nachbesserung zurück. Was der Konzern als "Neue Integrierte Salzlaststeuerung (NIS)" zur Entlastung von Grundwasser und Oberflächengewässern vorstelle, bleibe "weit gehend ein theoretisches Konstrukt, dessen Realisierungsmöglichkeiten im angegebenen Zeitraum nicht belegt sind".

Vor allem die "Umnutzung" des Plattendolomit vom Endlager zum Zwischenspeicher ist Wiesbaden nicht geheuer: Funktioniert das? Kann man das genehmigen? Das Land hegt "erhebliche Zweifel" - und dringt umso mehr auf die Laugenfernleitung. (wrk)


Hintergrund: Fragen und Antworten
 

Im Herbst 2008 hat K+S sein 360-Millionen-Euro-Investitionspaket verkündet, im Mai 2009 die Gesamtstrategie zur Verminderung von Umweltbelastungen. Was bringt das der Werra und der Weser?

K+S hat ja schon vergangenes Jahr zugesagt, seine Kalibergbau-Salzabwässer bis 2015 von 14 Millionen auf sieben Millionen Kubikmeter jährlich zu halbieren. Das kostet 360 Mio. Euro, es bringt aber zur Besserung für Werra und Weser aus ökologischer Sicht zunächst nichts. Wegsparen muss K+S die sieben Millionen Kubikmeter, die bisher in tiefe Gesteinsschichten des Plattendolomit abgelassen werden. Diese so genannte Versenkung ist - neben der Einleitung in die Werra - der zweite Hauptentsorgungsweg für Abwässer aus Kaliwerken und von Kalihalden. Diesen Weg will das Land Hessen schnellstmöglich versperren - aus Angst ums Grundwasser. Gesetze zum Grundwasserschutz sind in Deutschland deutlich strenger als Gesetze zum Schutz von Oberflächengewässern.

Was ist in der K+S-Gesamtstrategie vom Mai neu?

Eine "Neue Integrierte Salzabwassersteuerung (NIS)" soll es möglich machen, bei gleich bleibender oder sogar leicht erhöhter Salzfracht für die Werra doch die zulässigen Grenzwerte senken zu können: von 2500 auf 1700 mg/l Chlorid bis 2015, von 90 Grad deutscher Härte auf 65 schon früher. Das Prinzip: Hat man mehr Zwischenspeicher für Salzabwässer, lassen sich Phasen mit hoher Wasserführung im Fluss besser nutzen. Das funktioniert aber nur, wenn auch der Plattendolomit als riesiger unterirdischer Zwischenspeicher zum Ein- und Auspumpen genutzt werden kann. Aber, wie gesagt: Eigentlich will das Land Hessen das Einpumpen von Lauge in den Plattendolomit stoppen, wenn die geltende Einleitgenehmigung Ende 2011 endet.

Was lässt sich zu den Plänen für eine Abwasser-Pipeline sagen?

Für das Land Hessen und für den Runden Tisch ist sie die "finale Lösung" – auch die K+S-Gesamtstrategie, so die jüngste Stellungnahme aus Wiesbaden, zeige "keine belastbaren Alternativen" auf. Jetzt wird um verlässliche Zusagen und Termine gepokert: Das K+S-Papier spricht in Sachen Pipeline von "prüfen", sogar von "realisieren" - wenn Voraussetzungen erfüllt sind: ökologischer Sinn, politischer Konsens, Genehmigungen für Bau und Betrieb, Bezahlbarkeit. Auch beim Kasseler Kalikonzern weiß man, dass die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) weitere Verbesserungen für die Gewässer fordert. Vor der Sommerpause signalisierte K+S, man denke an eine Realisierung nicht erst bis 2027, sondern bis 2020.

Warum fordert das Land eine Entscheidung in Sachen Pipeline bis zum Frühjahr 2011?

Weil Ende 2011 die Versenkgenehmigung für die noch rund ein dutzend Brunnen in Hessen ausläuft. Da will man im Umweltministerium und beim Regierungspräsidium Kassel natürlich vorher wissen, wohin die Reise gehen soll. Auch über Planungen für die Zeit nach 2020 will das Land gerne Verbindlicheres erfahren.

Was bedeutet die kritische Stellungnahme aus Wiesbaden für den weiteren Weg der Dinge?

Das Land geht davon aus, dass alle Mängel, Defizite und Unklarheiten im nächsten Schritt beseitigt werden: Der Gesamtstrategie als eher grobem Ausblick folgt ja nun die detaillierte Ausarbeitung in einem Maßnahmenkonzept – dann spricht man sich wieder.