"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

Extra Tip 13.12.2009

Eigenes Stromnetz
Städtische Werke setzen auf Trendwende

Von RAINER HAHNE

 

 

 

 

 

 

 

 

Kassel. In den nächsten beiden Jahren laufen in Nordhessen zahlreiche Verträge zwischen e.on und den Gemeinden und Städten ab. Der Inhalt: Die Kommunen hatten ihre Stromnetze an den Stromlieferanten vergeben.

Damit soll nach dem Willen des Geschäftsführers der Stadtwerke Kassel, Andreas Helbig, jetzt Schluß sein: „Die Städte und Gemeinden haben jetzt die Möglichkeit, ihre Stromnetze zurück zu kaufen. An den Finanzen wird das nicht scheitern. Jede Bank wird so ein lukratives Geschäft gern finanzieren.“ Endliche Brennstoffe werden in naher Zukunft deutlich teurer. Davon ist Andreas Helbig überzeugt. Für ihn ist deshalb der Rückkauf der Netze die Möglichkeit, die Stromerzeugung zu dezentralisieren. „Wir mussten jetzt den Strompreis erhöhen, konnten diese Erhöhung aber im Rahmen halten, weil wir mittlerweile fünfzig Prozent des Stroms selbst herstellen. Müssten wir alles von den vier Großen einkaufen, wäre das deutlich teurer gekommen.“

Die Abkoppelung von der Preisspirale der Großen durch die regionale Energieversorgung ist für Helbig nicht das einzige Argument für einen Wechsel der Stromnetze in den kommunalen Besitz. „Geld und Arbeitsplätze bleiben in der Region. Das Handwerk kann auf diese Weise gefördert werden“, ist Helbig überzeugt.
Deshalb bieten die Stadtwerke den Kommunen Nordhessens eine Zusammenarbeit an. „Das Netzmanagement ist mit unglaublich viel Bürokratie und EDV verbunden. Das kann eine einzelne Kommune nicht leisten. Hier können wir helfen“, so Helbig, der im Erfolgsfall alle e.on-Mitarbeiter übernehmen möchte.

„Sorgt dafür, dass Euer Geld hier bleibt, dann habt Ihr auch vernünftige Schulen, Straßen und Kindergärten“, appelliert er an die verantwortlichen Bürgermeister, die natürlich die Arbeit mit der Umstrukturierung hätten.
„ Die Kommunen kaufen das Netz, die Stadtwerke pachten es. Dafür gibt es eine Garantiesumme inclusive Rendite. Sicherer kann man kein Geld verdienen“, argumentiert Helbig, der auch Privatpersonen an der Wertschöpfung beteiligen will. „Wenn sich 25 Komunen beteiligen, werden wir rund 100 Millionen investieren müssen. Da können wir Privatanlegern die Möglichkeit bieten, sich mit bis zu 10.000 Euro zu beteiligen – bei einer jährlichen Rendite von neun Prozent. Wir haben nur an der technischen und kaufmännischen Betriebsführung Interesse.“

Darüber hinaus will Helbig aber auch den Anteil selbst erzeugten Stroms deutlich erhöhen. „Das Heizkraftwerk Mittelfeld, ein Biomassekraftwerk, wird erweitert. Das Fernwärmekraftwerk Kassel gehört uns ab 1. Januar 2010 allein. Wir haben der e.on die Hälfte der Anteile abgekauft. Außerdem wollen wir die Neue Mühle ausbauen. Dort soll großflächig Photovoltaik entstehen.“
Der Kampf um die Netze ist voll entbrannt.


„Landwerk“ e.on
Kampf um Stromnetze geht weiter

Von RAINER HAHNE

 
Kassel. „Die Stadtwerke Kassel sind in der Stadt gut. In der Fläche können sie das nicht leisten, was wir als „Landwerk“ täglich abarbeiten“, steckt e.on-Mitte-Chef Dr. Henrich Wilckens im EXTRA TIP-Gespräch im nordhessischen Stromkrieg ganz klar die Grenzen ab.

„Unsere Qualität ist die Verknüpfung aller kleinen Netze, die es früher in Nordhessen gab“, erklärt er weiter. Das Ergebnis dieser jahrzehntelangen Arbeit sieht er in Gefahr. „Die Gemeinden glauben, dass sie jetzt das große Geld verdienen können, wenn sie die Netze zurück kaufen. Das ist gefährlich, denn das große Geld wird nicht kommen. Die Durchleitungsentgelte, die die Kommunen kassieren wollen, werden ständig sinken. In den nächsten zehn Jahren werden es 13,75 Prozent weniger sein. Das wird für Gemeinden, die sich das Geld für den Rückkauf der Netze leihen müssen, ein böses Erwachen.“
Unendlich viel Erfahrung haben die e.on-Mitarbeiter im Laufe der Jahre gesammelt. „Wir haben ein intelligentes Netzwerk aufgebaut und das wird gerade in den kommenden Jahren immer wichtiger werden, denn die vielen kleinen Stromerzeuger machen die Arbeit immer schwieriger“, sieht Wilckens auch auf das optimal abgestimmte e.on-Netz große Probleme zukommen. „Da werden enorme Investitionen zu stemmen sein. Kleinteilig geht dieses Geschäft gar nicht mehr. Da kann es schnell passieren, dass Gemeinden anstelle erwarteter Gewinne rote Zahlen schreiben.“

Überhaupt zahle e.on schon satte Konzessionsabgaben. 12 Millionen Euro schütte man jährlich an die Kreise aus. Das Geld lande zwar nicht direkt bei den Gemeinden, aber so werde dafür gesorgt, dass die Kreisumlage nicht noch höher steige.

Auch sei es nicht so, dass e.on allein bestimme, wo es hingeht: „Die Kommunen, Landkreise und unsere Firma sind eine Schicksalsgemeinschaft. Als kommunales Unternehmen gestartet, sind wir mittlerweile 80 Jahre alt. Und ich kann Ihnen verraten, die Landräte haben unglaublich viel Mitbestimmungsrecht.“

Falsch sei es auch, dass die Wertschöpfung aus der Region abfließe. „Das Geld wird in der Region gehalten. Wir beschäftigen fast nur Handwerker, die vor Ort sitzen.“

Außerdem arbeiten bei e.on-Mitte fast 1.200 Mitarbeiter. Schließlich sei man gesetzlich verpflichtet, Leckagen in kürzester Zeit zu beheben. Bezahlbar bleibe das nur, weil man Mitarbeiter habe, die sich nicht nur mit dem Strom- sondern auch mit dem Gasnetz auskennen.

Die Entscheidung, ob das Strom- und ab 2013 auch das Gasnetz im e.on-Besitz bleibe, falle in den einzelnen Kommunen. „Sollten sich die Städte und Gemeinden dazu entscheiden, uns das Netz abzukaufen, können wir zwar noch einmal richtig viel Geld kassieren, doch ohne die Konzessionen können wir nicht weiter arbeiten“, weiß Wilkens genau.

„Die Grundversorgung mit Strom wird in Zukunft immer schwieriger“, gibt er sich aber kämpferisch. „Und in der Fläche kann das niemand so gut wie wir. Für Experimente ist dieser Bereich viel zu sensibel.“

Im übrigen gebe es für die Kommunen die Möglichkeit, sich an e.on zu beteiligen und so ebenfalls direkt vom Gewinn zu profitieren.