"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

HNA 22.1.2009


Versalzene Werra, verdoppeltes Problem

Interview mit Hans Brinckmann, Leiter des runden Tisches:
"Mit drastischen, schnellen Rückgängen ist nicht zu rechnen"

 

 

 

 

 

 

 

Kassel. Halbzeit am runden Tisch zur Werraversalzung: Gestern wurden 20 "Bausteine" ins Internet gestellt, mit denen dem belasteten Fluss zu helfen wäre - Chancen, Vor- und Nachteile sollen öffentlich diskutiert werden. Wir sprachen mit Prof. Dr. Hans Brinckmann, Kassels früherem Unipräsidenten, der das Gremium aus Behördenmitarbeitern, Vertretern von Landesregierungen und K+S, Wissenschaftlern sowie Flussanliegern leitet.

K+S hat angekündigt, 360 Mio. Euro gegen die Salzabfall-Umweltprobleme seiner Werke zu investieren. Hat der runde Tisch damit schon zur Halbzeit der geplanten anderthalb Jahre nichts mehr zu tun?

Hans Brinckmann: Von wegen - das Maßnahmenpaket von K+S geht in die richtige Richtung. Aber selbst wenn das Unternehmen wie angekündigt seine jährliche Abwasserfracht von derzeit 14 Millionen Kubikmetern halbiert, muss das der Werra nicht zwangsläufig helfen.

Wieso das - wo der Konzern doch so viel Geld für mehr Umweltschutz verspricht?

Brinckmann: Die von K+S zugesagte Vermeidung und Verwertung von sieben Millionen Kubikmetern Salzabwasser ist nur die halbe Lösung, weil zugleich Hessen die Versenkung in tiefe Gesteinsschichten über 2011 hinaus höchstens stark eingeschränkt genehmigen will. In Thüringen wird vermutlich sogar überhaupt keine Versenkung mehr möglich sein. Der Untergrund im Werraraum ist mit einer Milliarde Kubikmetern seit 1925 versenkter Salzabwässer übervoll - das kann das Grundwasser gefährden. Was nicht mehr versenkt werden darf, muss bei der Kaliproduktion vorneweg vermieden oder anderweitig entsorgt werden. Vielleicht wird es für eine Übergangszeit sogar in die Werra geleitet werden.

Zusätzlich zu dem, was den Fluss schon jetzt belastet? Der runde Tisch ist doch angetreten, die Werra zu entlasten ...

Brinckmann: Das bleibt auch unser Ziel. Aber mit drastischen, schnellen Rückgängen ist nicht zu rechnen. Selbst wenn K+S die technisch anspruchsvollen Pläne zur Abwasserreduzierung bis 2015 umsetzen kann, bleiben noch etwa sieben Millionen Kubikmeter. Also ziemlich genau jene Menge, die jetzt schon jedes Jahr über Werra und Weser zur Nordsee treibt.

Die versalzenen Flüsse und die mögliche Besserung waren über Monate doch das Top-Thema des runden Tisches ....

Brinckmann: ... bis im Herbst plötzlich mit dem drohenden Aus für den zweiten Entsorgungsweg, die Versenkung eben, ein zweites Problem aus dem Untergrund heraufdrängte und unser Anfangsproblem verdoppelt hat. Von der dritten Umwelthypothek, den riesigen Salzhalden, ist dabei noch gar nicht die Rede: Sie sollen - zu Gunsten der Abwasserminderung - sogar noch ein bisschen schneller wachsen als bislang geplant.

Welche Rolle spielt in der Debatte die Nordsee-Pipeline?

Brinckmann: Das Abwasserrohr bleibt eine unverzichtbare Option. Man darf realistischerweise nicht davon ausgehen, dass der Salzabwasseranfall der Werke an der Werra auf Null gedrückt werden kann. Für die unvermeidbaren Restmengen wäre die Pipeline ein Entsorgungsweg. Offen ist, ob das Rohr bis an die Nordsee reichen muss. Je nach Menge und Inhaltsstoffen wäre irgendwann auch die Einleitung irgendwo an der Weser vorstellbar, um die Belastung von Leitungsbau und -betrieb so niedrig wie möglich zu halten.

Das würde die Werra entlasten - aber die Weseranlieger klagen auch über Salz im Fluss.

Brinckmann: Wir sprechen von einer Möglichkeit. Sie könnte ins Spiel kommen an einem Punkt der Weser, wo das Salzwasser im Fluss so stark verdünnt wird, dass es ökologisch vertretbar ist. Wir lassen die Details aber genau untersuchen.

20 Maßnahmenblätter als Bausteine zur Entlastung des Werraraumes Informationen im Internet unter www.runder-tisch-werra.de Themenbereich Maßnahmen

Von Wolfgang Riek

 


hintergrund

K+S-Pläne bis zum Jahr 2015

Am Standort Hattorf bei Philippsthal soll ein weiterer "nasser" Produktionsprozess auf das trockene Esta-Verfahren umgestellt werden. Vorteil laut K+S: Der Salzwasseranfall schrumpft allein dadurch um 3,5 Mio. Kubikmeter jährlich - die Hälfte des Sparziels bis 2015. Nachteil: Die Menge des trockenen Abfallsalzes für die Halde wächst um eine Mio. Tonnen.

In Hattorf will K+S auch per Tiefkühlung den Abwässern Kaliumchlorid und Magnesiumsulfat entziehen. Das macht die Fluten für die Werra "weicher" und kann als Strategie angesichts der Herabsetzung des Härtegrenzwerts Ende 2009 gelten.

Im Werk Wintershall (Heringen) will K+S weitere 500 000 Kubikmeter Abwasser jährlich vermeiden.

Im Werk Unterbreizbach soll ein neues Gas- und Dampfkraftwerk die Abwässer der dortigen Produktion der Werra komplett ersparen und zu einem dickflüssigen Brei eindampfen, der nach untertage zurück soll.