"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

HNA 30.9.2009

"Strom und Gas sind nur der Anfang"
Interview mit Francis Kleitz, Vorstandschef von BS Energy,
über die Konkurrenz beim Kampf um die Netze in Nordhessen

 

Von Claas Michaelis

 

 

 

 

 

 

 

 

Kassel / Braunschweig. Noch betreibt E.on-Mitte die Gas- und Stromnetze rund um Kassel, doch die Konzessionsverträge mit den Kommunen laufen 2011 aus. Nicht nur die Städtischen Werke versuchen, E.on-Mitte abzulösen. Auch BS Energy mischt mit. Wir sprachen darüber mit Francis Kleitz, dem Vorstandschef der Braunschweiger Stadtwerke.

Herr Kleitz, BS Energy beliefert die Stadt Kassel weiter mit Strom. Wollen Sie die Städtischen Werke ärgern?

Francis Kleitz:
Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Wir haben uns im Vertrieb auf Stadtverwaltungen als ein Kundensegment spezialisiert und sind erfolgreich.

Sie konkurrieren um die Konzessionen der Strom- und Gasnetze in Nordhessen und Südniedersachsen. Dabei bieten sie den Kommunen ein ähnliches Modell wie die Städtischen Werke. Wer hat von wem abgeschaut?

Kleitz:
Es gibt große Ähnlichkeiten. Aber unser Modell läuft seit zwei Jahren erfolgreich, mittlerweile haben wir drei Kommunen überzeugt. Ein Beispiel sind die Stadtwerke Springe bei Hannover: Dort ist es uns im ersten halben Jahr gelungen, 50 Prozent der Gaskunden zu gewinnen.

Ihr Angebot klingt verlockend für Kommunen. Aber teilen Sie Verluste ebenso partnerschaftlich wie Gewinne?

Kleitz:
Wir haben den Anspruch, dass es gut läuft. Es liegt in unserer Verantwortung, den Kommunen zu garantieren, dass wir Stadtwerke wirtschaftlich betreiben.

Bei welchen Kommunen sind Sie noch im Rennen? Großalmerode soll sich gegen BS Energy entschieden haben.

Kleitz:
Gehört habe ich das auch. Wenn es so kommt, ist das nicht schlimm.

Wie viele Kommunen brauchen Sie, damit sich ein Engagement lohnt?

Kleitz:
Es müssen mehrere sein, in denen zusammen etwa 30 000 Einwohner leben sollten. Die Kommunen dürfen aber nicht zu weit voneinander entfernt sein. Nur dann können wir wirtschaftliche Strukturen bilden.

E.on-Mitte droht damit, dass Arbeitsplätze verloren gehen, wenn die Verträge nicht verlängert werden. Können Sie diese Jobs garantieren?

Kleitz: Unser Modell sieht die Gründung von Stadtwerken vor - mit Arbeitsplätzen, Wertschöpfung und Service für den Kunden vor Ort. Wir haben kein Problem damit, Personal zu übernehmen. Wir wollen vor Ort präsent sein.

Um die Kommunen zu überzeugen, hat E.on-Mitte kürzere Vertragslaufzeiten angeboten. Müssen Verträge mit BS Energy über 20 Jahre laufen?

Kleitz:
Wir wollen eine stabile Zusammenarbeit. 20 Jahre halte ich deshalb für sinnvoll. Schließlich gründen wir ein Unternehmen. Wir fangen mit Strom und Gas an, das soll aber nicht das Ende sein. Wir wollen weitere Aktivitäten entwickeln: Abwasser, Straßenbeleuchtung - alles, was üblich ist für Stadtwerke.

Warum steigen Sie nicht bei den Städtischen Werken Kassel ein? Vattenfall will seinen 25-Prozent-Anteil verkaufen.

Kleitz: Wir wollen Partnerschaften, bei denen wir unsere Kompetenzen einbringen können. Das ginge mit einer einfachen Übernahme dieser Beteiligung nicht.

Können Versorger wie die Städtischen Werke und BS Energy gar nicht anders, als zu wachsen, um zu überleben?

Kleitz: Natürlich stehen Stadtwerke unter Druck. Unabhängig davon ist es immer sinnvoll, Wachstumsmöglichkeiten zu suchen, Stichwort: erneuerbare Energien, Kraft-Wärme-Kopplung. Dabei sind lokale Lösungen gefragt, um unabhängig von den großen Energiekonzernen zu werden. Das können Stadtwerke am besten. Ich halte nichts davon, dass Stadtwerke gemeinsame Vertriebsorganisationen gründen, um bundesweit Kunden zu gewinnen.

Wann entscheidet sich der Wettbewerb um die Netze?

Kleitz: Das wird erst kurz vor Vertragsende 2011 sein, wie das Beispiel Pulheim, einer Stadt bei Köln, zeigt. Gemeinsam mit Veolia Wasser haben wir vor etwa einem Monat den Zuschlag zur Gründung der Stadtwerke erhalten. Dort läuft der alte Vertrag Ende Oktober aus.

 

Hintergrund

BS Energy hat wie E.on-Mitte und die Städtischen Werke Interesse am Betrieb der Gas- und Stromnetze in der Region.

Bis 2011 laufen in vielen der 211 Kommunen im Gebiet von E.on-Mitte die Konzessionsverträge aus. Darin gestatten die Gemeinden dem Versorger ein Wegerecht für das Netz und kassieren dafür eine Abgabe. 2007 waren das 43 Millionen Euro.

BS Energy bietet ebenso wie die Werke den Kommunen an, gemeinsam Stadtwerke zu gründen. Hinter BS Energy steht Hauptaktionär Veolia, ein französischer Umweltdienstleister mit einem Anteil von 74,9 Prozent. Die restlichen Anteile liegen bei der Stadt Braunschweig.

Veolia hat einen Jahresumsatz von 36 Milliarden Euro und 336 000 Mitarbeiter. (clm)

 

Anmerkung der Redaktion von "Unser Wasser Kassel":
Veolia hat sich zusammen mit RWE im Jahr bei den Berliner Wasserbetrieben eingekauft und in Geheimverträgen mit dem Berliner Senat eine Extra-Rendite zusichern lassen. Die Wasserpreise sind seither um 30 Prozent gestiegen. Die Investitionen wurden gleich zu Anfang halbiert. Siehe auch der Film "Wasser unterm Hammer".
Vor Ort in Kassel hat Veolia-Umweltservice beträchtliche Anteile bei Reparaturen im Abwasserbereich.

International ist Veolia besonders im Geschäft mit Wasserprivatisierung tätig.