Kassel
/ Braunschweig. Noch betreibt E.on-Mitte die Gas- und Stromnetze
rund um Kassel, doch die Konzessionsverträge mit den Kommunen
laufen 2011 aus. Nicht nur die Städtischen Werke versuchen,
E.on-Mitte abzulösen. Auch BS Energy mischt mit. Wir sprachen
darüber mit Francis Kleitz, dem Vorstandschef der Braunschweiger
Stadtwerke.
Herr Kleitz,
BS Energy beliefert die Stadt Kassel weiter mit Strom. Wollen
Sie die Städtischen Werke ärgern?
Francis Kleitz:
Das eine
hat mit dem anderen nichts zu tun. Wir haben uns im Vertrieb auf
Stadtverwaltungen als ein Kundensegment
spezialisiert und sind erfolgreich.
Sie
konkurrieren um die Konzessionen der Strom- und Gasnetze in Nordhessen
und
Südniedersachsen. Dabei bieten sie den Kommunen
ein ähnliches Modell wie die Städtischen Werke.
Wer hat von wem abgeschaut?
Kleitz:
Es gibt große Ähnlichkeiten. Aber unser Modell
läuft seit zwei Jahren erfolgreich, mittlerweile haben wir
drei Kommunen überzeugt. Ein Beispiel sind die Stadtwerke
Springe bei Hannover: Dort ist es uns im ersten halben Jahr
gelungen, 50 Prozent der Gaskunden zu gewinnen.
Ihr
Angebot klingt verlockend für Kommunen. Aber teilen
Sie Verluste ebenso partnerschaftlich wie Gewinne?
Kleitz:
Wir haben den Anspruch, dass es gut läuft. Es liegt
in unserer Verantwortung, den Kommunen zu garantieren, dass wir
Stadtwerke wirtschaftlich betreiben.
Bei
welchen Kommunen sind Sie noch im Rennen? Großalmerode
soll sich gegen BS Energy entschieden haben.
Kleitz:
Gehört habe ich das auch. Wenn es so kommt, ist
das nicht schlimm.
Wie
viele Kommunen brauchen Sie, damit sich ein Engagement
lohnt?
Kleitz:
Es müssen mehrere sein, in denen zusammen etwa 30
000 Einwohner leben sollten. Die Kommunen dürfen aber nicht
zu weit voneinander entfernt sein. Nur dann können wir
wirtschaftliche Strukturen bilden.
E.on-Mitte
droht damit, dass Arbeitsplätze verloren gehen,
wenn die Verträge nicht verlängert werden. Können
Sie diese Jobs garantieren?
Kleitz: Unser Modell sieht die Gründung von Stadtwerken vor
- mit Arbeitsplätzen, Wertschöpfung und Service für
den Kunden vor Ort. Wir haben kein Problem damit, Personal zu übernehmen.
Wir wollen vor Ort präsent sein.
Um
die Kommunen zu überzeugen, hat E.on-Mitte kürzere
Vertragslaufzeiten angeboten. Müssen Verträge mit BS
Energy über 20 Jahre laufen?
Kleitz:
Wir wollen eine stabile Zusammenarbeit. 20 Jahre halte
ich deshalb für sinnvoll. Schließlich gründen wir
ein Unternehmen. Wir fangen mit Strom und Gas an, das soll aber
nicht das Ende sein. Wir wollen weitere Aktivitäten entwickeln:
Abwasser, Straßenbeleuchtung - alles, was üblich ist
für Stadtwerke.
Warum
steigen Sie nicht bei den Städtischen Werken Kassel
ein? Vattenfall will seinen 25-Prozent-Anteil verkaufen.
Kleitz: Wir wollen Partnerschaften, bei denen wir unsere Kompetenzen
einbringen können. Das ginge mit einer einfachen Übernahme
dieser Beteiligung nicht.
Können Versorger wie die Städtischen Werke und BS Energy
gar nicht anders, als zu wachsen, um zu überleben?
Kleitz: Natürlich stehen Stadtwerke unter Druck. Unabhängig
davon ist es immer sinnvoll, Wachstumsmöglichkeiten zu suchen,
Stichwort: erneuerbare Energien, Kraft-Wärme-Kopplung. Dabei
sind lokale Lösungen gefragt, um unabhängig von den großen
Energiekonzernen zu werden. Das können Stadtwerke am besten.
Ich halte nichts davon, dass Stadtwerke gemeinsame Vertriebsorganisationen
gründen, um bundesweit Kunden zu gewinnen.
Wann
entscheidet sich der Wettbewerb um die Netze?
Kleitz: Das wird erst kurz vor Vertragsende 2011 sein, wie das Beispiel
Pulheim, einer Stadt bei Köln, zeigt. Gemeinsam mit
Veolia Wasser haben wir vor etwa einem Monat den Zuschlag zur Gründung
der Stadtwerke erhalten. Dort läuft der alte Vertrag
Ende Oktober aus.
Hintergrund
BS
Energy hat wie E.on-Mitte und die Städtischen
Werke Interesse am Betrieb der Gas- und Stromnetze
in der Region.
Bis
2011 laufen in vielen der 211 Kommunen im Gebiet
von E.on-Mitte die Konzessionsverträge aus. Darin
gestatten die Gemeinden dem Versorger ein Wegerecht
für das Netz und kassieren dafür eine Abgabe.
2007 waren das 43 Millionen Euro.
BS
Energy bietet ebenso wie die Werke den Kommunen
an, gemeinsam Stadtwerke zu gründen. Hinter BS
Energy steht Hauptaktionär Veolia, ein französischer
Umweltdienstleister mit einem Anteil von 74,9
Prozent. Die restlichen Anteile liegen bei der
Stadt Braunschweig.
Veolia
hat einen Jahresumsatz von 36 Milliarden Euro
und 336 000 Mitarbeiter. (clm)
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Anmerkung
der Redaktion von "Unser Wasser Kassel":
Veolia
hat sich zusammen mit RWE im Jahr bei den Berliner
Wasserbetrieben eingekauft und in Geheimverträgen
mit dem Berliner Senat eine Extra-Rendite zusichern
lassen. Die Wasserpreise sind seither um 30 Prozent
gestiegen. Die Investitionen wurden gleich zu
Anfang halbiert. Siehe auch der Film "Wasser
unterm Hammer".
Vor Ort in Kassel hat Veolia-Umweltservice beträchtliche Anteile bei Reparaturen
im Abwasserbereich.
International ist Veolia besonders im Geschäft mit Wasserprivatisierung
tätig.
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