"Unser Wasser- Kassel"
Initiative Bürgerbegehren gegen die Privatisierung von Wasser in der Region

HNA 6.9.2010

Wasserspreis:
Stadt versucht Landeskartellbehörde auszutricksen
KEB soll für Wasser sorgen

Städtische Projektgruppe plant Gegenaktivitäten im Streit um Wasserpreise

Von Jörg Steinbach

 

 

 

 

 

 

 

 

Kassel. Der Kasseler Entwässerungsbetrieb (KEB) könnte bald auch für die Trinkwasserversorgung der Stadt zuständig sein. Diesen Plan verfolgt eine städtische Projektgruppe.

Stadtwerke, Kämmerei und KEB arbeiten unterstützt von Unternehmensberatern und Rechtsanwälten seit Wochen fieberhaft an dem Plan, die Landeskartellbehörde auszutricksen.

Man suche nach einer Lösung, das Wasser-Geschäft zwar bei den Stadtwerken zu belassen, die Abrechnung des Wasserverbrauchs der Bürger aber künftig über Gebühren vom städtischen Eigenbetrieb KEB erledigen zu lassen, erklärte Kassels Umweltdezernent Joachim Lohse während der jüngsten Sitzung des Stadtverordneten-Ausschusses für Umwelt und Energie.

Ob der Magistrat demnächst tatsächlich den Stadtverordneten vorschlägt, die bisher privatrechtlich organisierte Wasserversorgung in der Stadt künftig nach öffentlichem Recht zu gestalten, dazu konnte Lohse noch keine Aussage treffen.

Preis soll um ein Drittel fallen

Im April 2008 hatte die Landeskartellbehörde den Stadtwerken eine Verfügung zugestellt, die Wasserpreise in Kassel um 37 Prozent zu senken. Die Werke wehrten sich vor Gericht unter anderem mit dem Hinweis, dass Preisvergleiche mit wesentlich kleineren Wasserversorgungsbetrieben wegen unterschiedlicher Bedingungen nicht anwendbar seien.

Doch der Bundesgerichtshof entschied im Februar 2010 in einem ähnlichen Verfahren der Stadt Wetzlar, dass grundsätzlich alle Wasserversorger vergleichbar seien. Jetzt wird bei den Stadtwerken und im Rathaus damit gerechnet, dass man mit der Beschwerde gegen die Landeskartellbehörde beim Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt endgültig abblitzt.

Ob die Städtische Werke AG den Wasserpreis dann tatsächlich drastisch senken muss, ist aber noch nicht abzusehen. Die Kartell-Verfügung war bis Ende 2009 befristet. Ob und wann diese Verfügung erneuert wird, steht dahin. Kassels Oberbürgermeister Bertram Hilgen (SPD) hat aus Wiesbaden vernommen, dass das Kartellverfahren derzeit dort erneut überdacht werde.

Der wahrscheinliche Grund: Die Stadtwerke müssten bei einer Preisreduzierung um 37 Prozent auf rund acht Millionen Euro Einnahmen jährlich verzichten und wären faktisch umgehend pleite. Dieses Schicksal könnte auch weitere Wasserversorger in Hessen treffen, was kaum im Interesse der Landesregierung sein dürfte.

Darauf machte in der Ausschusssitzung auch SPD-Stadtverordneter Harry Völler aufmerksam: „Das Vorgehen in Hessen halte ich für sehr gefährlich - zum Schaden der kommunalen Wasserversorgung.“

 


Helbig: Acht Millionen Euro sind mehr als 80 Jobs
 
Bei einer Reduzierung des Trinkwasserpreises um 37 Prozent hätten die Stadtwerke jährlich acht millionen Euro weniger Einnahmen. Auch wenn alle 80 mit der Wasserversorgung befassten Mitarbeiter entlassen würden, könne man diesen Betrag nicht einsparen, sagt Werke-Chef Andreas Helbig. 90 Prozent der Kosten im Wasserbereich seien Fixkosten, und die lägen als Leitungsnetz in der Erde. Beim Wiederaufbau Kassels wurde das Wassernetz auf 300 000 Einwohner ausgelegt – heute leben etwa 193 000 Menschen hier. Ein Rückbau dieses überdimensionierten und daher teuren Netzes koste aber mehr, als alle Rohre viele Jahre in Schuss zu halten.

22 Millionen Euro Umsatz

2009 haben die Stadtwerke 22,2 Millionen Euro umgesetzt. Obwohl der Wasserverbrauch seit Jahren sinkt, sei der Preis in der Stadt mit 2,14 Euro pro Kubikmeter seit 15 Jahren gleich – trotz Inflation und steigender Löhne. Weil die 17 Vergleichsunternehmen ihre Wirtschaftszahlen nicht offenlegen würden, könnten die Stadtwerke der Kartellbehörde nicht beweisen, dass ein direkter Vergleich unangemessen ist. (ach)